Emile Haynie - We fall
Interscope / Universal
VÖ: 17.04.2015
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Zimmerservice von Spitzenkräften
Die Welt ist zu laut. Wer sich nicht gerade in einem Schallbunker oder irgendwo im Nirgendwo der Natur befindet, der wird mit Lärm zugeballert. Häufig herbeigeführt vom Nachbarn. Selbst im Hotel rumpelt es, mitunter wegen Feierorgien oder auch Bettgeschichten im Zimmer nebenan. Einen Umwohner wie Emile Haynie allerdings, eingenistet im Zimmer 39 im Chateau Marmont Hotel Hollywood, würde man hingegen wohl zum Beschallen animieren. Nach beendeter Beziehung nahm er dort nahezu vollends sein Konzeptalbum "We fall" auf. Dieses reiht sich ein in die vielen berüchtigten Geschichten des Luxusbunkers, zuletzt entstand hier Sofia Coppolas filmische Mediation "Somewhere".
Dass Haynie sich nicht alleine, sondern gleich eine ganze Künstlerriege mit sich fallen lässt, ist dem proppenvollen Adressbuch des Grammy-gekrönten Produzenten und Songwriters zu verdanken. In sein Zimmerchen lud er sich ein, wen er grade erreichen konnte oder wer (rein zufällig) auch gerade im Chateau residierte. Die Grundidee: Diese Liebe episodisch aufzuarbeiten. Vom schönfärberischen Beginn bis zum Verlassenwerden. Vom jubilierenden Verliebtsein in "Little ballerina" mit Rufus Wainwrights weichem Tenor bis zur Schuldsuche bei sich selbst, dem Nichtgenügen, in "Who to blame", mit einem gewohnt hübsch näselnden Randy Newman. "The other side" zitiert ganz offensichtlich Spiritualizeds Drogen- und Sühnemonstrum "Ladies and gentlemen, we are floating in space": Bläser, Streicher, Chor. Haynie möchte Hymnen schaffen. Bei einem so riesenhaften Klangvorhang lässt sich Florence Welch nur leise erahnen. Diese üppigen Großarrangements wurden allerdings nicht im Hotel aufgenommen. Wie auch: Platzmangel. In diversen Studios durfte noch mitmachen, wer eben nicht der Einladung ins Hotel gefolgt ist. Abgestraft in Nebennennungen der Songcredits tauchen (unter vielen, vielen anderen) auf: Mark Ronson, Red Hot Chili Pepper Josh Klinghoffer oder Annie Clark.
Die Liste derer, die direkt oder indirekt an "We fall" mitgewirkt haben, sprengt das Referenz-Feld unterhalb sowieso schon. Lana Del Rey singt noch eines ihrer schönsten Stücke in "Wait for life", auch weil sie so unperfekt schief, somit fragil, tönt. Kulminationspunkt der Platte und der Beziehung ist "A kiss goodbye". Eine bettelnde, engelsgleiche Charlotte Gainsbourg duelliert sich mit dem gesanglich ebenbürtigen Sampha, der reflektiert: "Did it ever occur that you forgave yourself before I did?" Haynie ist habitualisierter Hip-Hop-Produzent, der gerne sampelt, was auch seine Neigung zu militärischen Marschdrums erklären könnte. In "Fool me too" oder "Nobody believes you" passen diese noch, auch weil sie für den Versöhnungsversuch, vielmehr dem Weitermachen nach Trennung stehen. Im bereits erwähnten "Who to blame" erscheinen sie dagegen leicht deplatziert. Ein sanfteres Schlagzeug hätte hier womöglich organischer gewirkt.
Haynie verharrt auf "We fall" aber nicht im Monoperspektivischen oder Ich-Bezogenen, weshalb das Werk trotz vieler Beitragender reüssiert. Die Überthematik um Liebe und Liebesaus haben schließlich alle Gäste in ihren Karrieren bereits irgendwie künstlerisch verarbeitet. Und ohne die wehklagende Lykke Li wäre "Come find me", das etliche Versatzstücke ihres Hits "I follow rivers" aufgreift, weitaus weniger interessant. Einigen wir uns also auf die Parole: Alle für Haynie. Dieser dankt.
Highlights
- Little ballerina (feat. Rufus Wainwright)
- Wait for life (feat. Lana Del Rey & Doveman)
- A kiss goodbye (feat. Charlotte Gainsbourg, Sampha & Dev Hynes)
- The other side
Tracklist
- Falling apart (feat. Andrew Wyatt & Brian Wilson)
- Little ballerina (feat. Rufus Wainwright)
- Wait for life (feat. Lana Del Rey & Doveman)
- Dirty world
- A kiss goodbye (feat. Charlotte Gainsbourg, Sampha & Dev Hynes)
- Fool me too (feat. Nate Ruess)
- Nobody believes you (feat. Andrew Wyatt & Colin Blunstone)
- Come find me (feat. Lykke Li & Romy Madley Croft)
- Who to blame (feat. Randy Newman)
- Ballerina's reprise (feat. Father John Misty & Julia Holter)
- The other side
Gesamtspielzeit: 45:58 min.
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Jennifer Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 4714 Registriert seit 14.05.2013 |
2015-05-06 18:51:54 Uhr
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Ibeyi; Josef Salvat; Twin Shadow; Spiritualized; Andrew Wyatt; Mark Ronson; Marina & The Diamonds; Rufus Wainwright; Lana Del Rey; Charlotte Gainsbourg; Sampha; Denai Moore; James Blake; Brian Wilson; The xx; Kanye West; FKA Twigs; Jamie xx; Azealia Banks; Purity Ring; Kwabs; Banks; Florence & The Machine; Talos; Julia Holter; Greg Leisz; Romy; Dev Hynes; Josh Klinghoffer; Colin Blunstone; Lykke Li; Randy Newman; Father John Misty; Florence Welch; Arcade Fire; Wolf Parade; Will Butler; Tobias Jesso Jr.; Rihanna; David Bowie; Talking Heads; David Byrne
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- Emile Haynie - We fall (1 Beiträge / Letzter am 06.05.2015 - 18:51 Uhr)