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My Morning Jacket - The waterfall

My Morning Jacket- The waterfall

ATO / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 01.05.2015

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Unterm Strom

Vielleicht konnten My Morning Jacket trotz des verständlichen Ärgers darüber, dass ihr siebtes Album fast einen Monat vor dem offiziellen Erscheinungstermin im Internet auftauchte, zumindest ein bisschen schmunzeln: Auf der Wikipedia-Seite zu "The waterfall" stand dort für kurze Zeit der folgende Auszug: "On April 4, 2015, the entire album leaked on to the internet. And it's fucking amazing." Wer auch immer der anonyme Schreiber war, der offensichtlich nicht mehr warten konnte oder wollte: Immerhin war es eine erste positive Reaktion zum neuen Werk von Jim James & Co., das die Band gemeinsam mit Tucker Martine produziert hat. Der hatte seine Finger auch schon beim Vorgänger "Circuital" im Spiel.

Nun ist das Quintett aus Kentucky wahrlich nicht für waghalsige Experimente bekannt. Seit Veröffentlichung ihres Debüts "The Tennessee fire" im Jahr 1999 waren My Morning Jacket immer eine verlässliche Hausnummer für Fans von Indie- und Alternative-Rock mit Americana-Einschlag. Zwar wurden sie in den letzten Jahren etwas verspielter und setzten seit dem 2006er "Z" auch auf psychedelischere Töne, wirklich überrascht wurde man von My Morning Jacket dennoch nie wirklich. Das ist auch auf "The waterfall" nicht anders. Eine Nachricht, die das Album begleitet, verblüfft dann doch: Da bei den Aufnahmen in Nordkalifornien so viele neue Songs entstanden sind, von denen man sich nicht trennten wollte, steht das nächste Album für 2016 bereits in den Startlöchern. Als Wartezeit-Verkürzer eignet sich "Big decisions", die erste Single von "The waterfall" jedenfalls nicht. Vielmehr ist es ein wahrer Anheizer, der die Vergangenheit mit der Gegenwart vereint: So erdig klang James zuletzt auf "At dawn" – und das ist immerhin auch schon 14 Jahre her.

"Big decisions" folgt auf "Thin line", das auf einem Demo von 2001 beruht, für das erst jetzt Verwendung gefunden wurde. Entstanden ist ein anfänglich entspannt-poppiges Stück, das sich auf einer Stromgitarrenwelle reitend langsam zu einer spacig-zeitlosen Nummer verwandelt. Als ob das noch nicht irre genug wäre, reist der Soul-Rock von "Compound fracture" in die Achtziger, wo es den euphorischen Opener "Believe (Nobody knows)" trifft, der das erste Highlight des Albums ist. An den Quasi-Titeltrack "In its infancy (The waterfall)" kommt er jedoch nicht heran: Was als zurückhaltender Lagerfeuer-Pop beginnt, stellt sich innerhalb weniger Minuten als nach vorne preschende Metapher auf das Leben und das manchmal zwingende Innehalten heraus. "I stop the waterfall by finally feeling / I stop the waterfall by just believing / I gotta stop the waterfall", singt James hier und erklärt damit auch zumindest zwischen den Zeilen, was es mit dem Artwork auf sich hat: Das farbenfrohe Bild eines Wasserfalls, aufwühlend und beruhigend zugleich, wirkt so ganz anders als das magische Auge von "Circuital" – und doch nicht weniger hypnotisch. Eher im Gegenteil.

Die gegensätzliche Wirkung von Wasser ist ohnehin spannend und in gewisser Weise auch auf "The waterfall" zutreffend: Sanft durch die Finger fließend, aber stark genug, um ein tonnenschweres Schiff zu tragen – das passt auch zum nur oberflächlich fragilen "The river". James nutzt seine Stimme wie ein weiteres Instrument und klingt hier höher, fast zahmer als in den übrigen neun Stücken, während die folkige Melodie im Hintergrund sich an ihm zu orientieren scheint, nicht andersherum. Dem entgegen stellt sich das vertonte Chaos von "Tropics (Erase traces)", dessen langes Gitarrensolo am Anfang nur ein Vorgeschmack auf die vollkommen irre Wildwasserfahrt gegen Ende ist. Da kommt der melancholische Siebenminüter "Only memories remain" gerade recht, um die See wieder zu beruhigen. Der Blick auf den Wasserfall bleibt ungetrübt und wohltuend, die Zeit scheint stillzustehen. Dann dauert es vielleicht wirklich nicht so lange bis 2016, wenn My Morning Jacket ihre Hörerschaft auf eine weitere Reise mitnehmen.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • Believe (Nobody knows)
  • Like a river
  • In its infancy (The waterfall)
  • Only memories remain

Tracklist

  1. Believe (Nobody knows)
  2. Compound fracture
  3. Like a river
  4. In its infancy (The waterfall)
  5. Get the point
  6. Spring (Among the living)
  7. Thin line
  8. Big decisions
  9. Tropics (Erase traces)
  10. Only memories remain

Gesamtspielzeit: 48:01 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Demon Cleaner

User und Moderator

Postings: 5646

Registriert seit 15.05.2013

2015-11-21 22:02:46 Uhr
Hm, "Big Decisions" gehört bei mir eher zu den schwächeren Songs, aber toll ist das Album auf jeden Fall. Vor allem die ersten 4 Songs gleich.
el duce
2015-11-21 21:36:56 Uhr
Big Decisions ist auch mein favorit hier...Jim James schrieb den Song mit Dan Wilson, der auch Co-Writer von Adeles mMn bestem Song "Someone like you" ist^^

Gordon Fraser

Postings: 2543

Registriert seit 14.06.2013

2015-11-21 19:36:00 Uhr
Auch hier 'ne Platte die ein halbes Jahr später schon ganz gut abgehangen wirkt. "Big Decisions" dabei wohl mein Highlight.
quasinebenbei
2015-06-17 11:50:53 Uhr
"Thin Line" ist zum Ende hin echt mitreißend.
"In It's Infancy" der beste Track auf der Platte.

Demon Cleaner

User und Moderator

Postings: 5646

Registriert seit 15.05.2013

2015-06-16 08:56:15 Uhr
Erinnert noch jemanden "Like A River" sehr an den "M62 Song" von den Doves? Jedes Mal am Anfang denke ich, gleich singt einer was von "Moonshine...".
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