Kate Miller-Heidke - O vertigo!
Cooking Vinyl / Indigo
VÖ: 03.04.2015
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Die freie Stimme
Spätestens seit John Nivens Schmähschrift "Kill your friends" weiß man: Große Plattenfirmen sind infame Institutionen. Einschlägig schlechte Erfahrungen muss wohl auch Kate Miller-Heidke gemacht haben. Sony Music sei eine destruktive Kraft und die Mitarbeiter nicht vertrauenswürdig, ließ sie verlauten und zog von dannen. Nun, womit auch immer sich der Konzern diese warmen Worte verdient haben mag, an mangelndem Erfolg lag es sicher nicht, erreichten Miller-Heidkes bisherige Alben in ihrem Heimatland Australien doch stets vordere Chartplatzierungen. Und da Down Under als recht geschmackssicher gilt, darf man das durchaus als Gütekriterium werten.
Und so ist derartige Schelte vielleicht einfach als Reflex einer Künstlerin zu verstehen, die ihre Ambitionen durch kommerzielle Vorgaben unangemessen eingeschränkt sah. Miller-Heidke hat schließlich gleich zwei musikwissenschaftliche Abschlüsse vorzuweisen und trat vor ihrer Pop-Karriere in Operetten und in Musicals auf, weshalb es vermutlich nur eine Frage der Zeit war, bis sich aufgestaute Selbstverwirklichungswünsche durch die einengenden Mauern einer Plattenfirma Bahn brechen mussten. Abgesehen davon kann ein klares Feindbild bei einer Crowdfunding-Kampagne nur nützlich sein, auch wenn bei manchem Fan wohl eher die Aussicht auf ein persönlich vorgetragenes Geburtstagsständchen für Frischluft im Spendierhosenbereich gesorgt haben mag. Endverbraucher-Entgelt gab's für "O vertigo!" jedenfalls genug, denn nach nur drei Tagen war die Finanzierung dank australischem Crowdfunding-Rekord gesichert.
Der Bruch mit Sony erscheint indes nicht völlig schlüssig. Als Resultat von Miller-Heidkes jüngst gewonnener Freiheit zeigt "O vertigo!" zwar eine vielseitige Interpretin, die offensichtlich Spaß daran hatte, ihren kreativen Freigeist voll und ganz auszuleben, doch andererseits lassen die größtenteils von der 33-Jährigen selbst geschriebenen Lieder nicht vom bewährten Pop-Appeal ab und bieten einige der radiotauglichsten Hits, die von ihr je zu hören waren. So dürften die früheren Manager der Künstlerin zum Beispiel beim launigen "Sing to me" und dem angenehm melancholisierenden "Ghost", vor allem aber beim Titeltrack einige Tränen nachweinen, auch wenn sie die stimmliche Akrobatik zum Ende dieses Stücks vermutlich wegproduziert hätten. Dabei sind es gerade solche Züge, die aus "O vertigo!" ein sympathisches Album machen, das sowohl stilistisch als auch textlich oft augenzwinkernd daherkommt, so dass etwa ein "Drama" eigentlich gar keines ist.
Das heißt nicht, dass Miller-Heidke eine humoristische Platte aufgenommen hätte, beherrscht sie doch auch die nachdenklicheren Töne wie in "Rock this baby to sleep" dank ihrer variablen Stimme mit Bravour. Überhaupt ist es Miller-Heidkes buchstäblich ausgebildete, gewissermaßen als eigenständiges Instrument fungierende Stimme, die dieses vierte Album nicht einfach nur zu einem weiteren guten Pop-Beitrag macht. Setzt sie ihre Stimmgewalt doch eine Spur vielseitiger ein als das im vermeintlichen Käfig bei Sony der Fall war, so dass "O vertigo!" fast als Werkschau durchgehen kann. Und genau das mag den kleinen, aber feinen Unterschied ausmachen zwischen ihrer Unfreiheit früherer und ihrer Freiheit heutiger Tage.
Highlights
- Offer it up
- O vertigo!
- Sing to me
- Ghost
Tracklist
- Offer it up
- Yours was the body
- O vertigo!
- Share your air
- Rock this baby to sleep
- Jimmy
- What was I to you
- Sing to me
- Drama
- Lose my shit
- Ghost
- Bliss
Gesamtspielzeit: 42:48 min.
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