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Kendrick Lamar - To pimp a butterfly

Kendrick Lamar- To pimp a butterfly

Interscope / Universal
VÖ: 19.03.2015

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Leiden des jungen K.

Kendrick Lamar hat viele Gesichter.

Kendrick, der König: Im HipHop hält sich jeder für den Größten mit dem Größten. Die Provokation anderen gegenüber ist Teil des Spiels. Auch Lamar ist da kein unbeschriebenes Blatt. Unvergessen, wie er 2013 im Song "Control" von Big Sean einmal quer durch die HipHop-Industrie rotzte und unter anderem Tyler, The Creator, A$AP Rocky, Drake und sogar seinen beiden Kollaborateuren Big Sean und Jay Electronica ans Bein pinkelte. Im gleichen Track bezeichnete sich der Mann aus Los Angeles großspurig als "King of New York", was dann auch noch die ganzen Kollegen von der Ostküste ordentlich ärgerte. Und King Kendrick? Der machte einfach weiter.

Kendrick, der Unbeirrbare: Mit "Good kid, m.A.A.d city", seinem zweiten Album, schuf der damals 25-Jährige genau das Meisterwerk, das man von ihm schon erwartet hatte. Heute ist Kendrick längst Kult. Anfang des Jahres 2015 schürte er selbst die Euphorie und veröffentlichte immer wieder kleine Info-Häppchen – als füttere er die Fanschar wie Schoßhunde, die ihm stets zu Füßen liegen. Als das bis dahin noch unbetitelte neue Album schließlich für Ende März angekündigt wurde, drehte die Meute durch. Und der Unbeirrbare? Veröffentlicht "To pimp a butterfly" einfach eine Woche vor offiziellem Release, zumindest digital. Wie gewollt das wirklich war und ob die Plattenfirma da womöglich einen Fehler gemacht hat, ist nicht ganz klar. Tatsache ist, dass das Album innerhalb von 24 Stunden sage und schreibe 9,6 Millionen Mal über Spotify gestreamt wurde – und damit locker drei Mal so oft wie der bisherige Rekordhalter Drake in derselben Zeit.

Kendrick, der Unberechenbare: Wie ist es denn nun, dieses "To pimp a butterfly", dessen Titel an Harper Lees Roman "To kill a mockingbird" angelehnt ist? Eines ist klar: Ein zweites "Good kid, m.A.A.d city" ist es nicht, weder thematisch noch musikalisch. Auch an Lamar sind die Ereignisse der letzten Jahre nicht spurlos vorbeigegangen, ähnlich wie "Black Messiah" von D'Angelo And The Vanguard wurde auch er von den Protesten in Ferguson inspiriert, von den viel zu vielen schwarzen Jungs und Männern, die auf offener Straße erschossen wurden. "The blacker the berry", die zweite Single des Albums, machte die Wut deutlich, die sich im mittlerweile 27-Jährigen aufgestaut hatte: "Been feeling this way since I was 16 / Came to my senses / You never liked us anyway / Fuck your friendship, I meant it / I'm African-American, I'm African / Black as the moon" – Lamar rappt hier nicht einfach, er bellt, brüllt, wütet, spuckt Gift und Galle. Damit könnte er kaum weiter entfernt sein von "i", der ersten Single des Albums, mit der wunderbar-wohligen Zeile "I love myself" über dem "That lady"-Sample der Isley Brothers und deren unbefangene Stimmung im Zusammenhang von "To pimp a butterfly" eine willkommene Abwechslung ist.

Kendrick, der Experimentierfreudige: Einen wirklich roten Faden auf diesem Album zu finden, ist gar nicht so einfach. Vom basslastigen Boogie "King Kunta", das die womöglich tanzbarste Hommage an Kunta Kinte aus "Roots" ist, geht es zum soulig-verspielten "For sale? (Interlude)". Vom entspannten West-Coast-Rap "Institutionalized", auf dem Snoop Dogg, Bilal und Anna Wise die Dinge aus der Sicht von Großmutter Lamar erzählen, weiter zum ultraverkopften "For free? (Interlude)", auf welchem der renommierte Jazz-Pianist Robert Glasper sich die Seele aus dem Leib klimpert, während sich der mantraartig wiederholte Satz "This dick ain't free" mit nur allzu deutlichen Bildern auf ewig ins Kopfkino brennt. Und dann wäre da ja noch die Spoken-Word-Sequenz "I remember you was conflicted / Misusing your influence / Sometimes I did the same / Abusing my power / Full of resentment / Resentment that turned into a deep depression / Found myself screaming in the hotel room / I didn’t want to self-destruct", die sich zumindest in Teilen immer wieder auf dem Album findet und deren vielfältige Einordnung erstaunlich ist.

Kendrick, der Junge von nebenan: Er bleibt ein Mann des Volkes, die Hautfarbe scheint dabei eigentlich nur zweitrangig zu sein. Der Wunsch nach Zusammengehörigkeit, nach Freiheit und, ja, Frieden wirkt wichtiger. Der 70er-Jahre-Blaxploitation-Funk "Wesley's theory" versucht mit George Clinton und Thundercat die negative Behaftung des N-Wortes zu entkräften, während der auf die Spitze getriebene Psychedelic-Einschlag von Produzent Flying Lotus nur einmal kurz pausiert, um Platz für eine Voicemail von Dr. Dre zu machen: "Anybody can get it / The hard part is keeping it, motherfucker." Lamar weiß das und macht gerade deshalb vor nichts und niemandem Halt. Das euphorische "i" bekommt dementsprechend mit "u" einen düsteren Zwilling gegenübergestellt, im minimalistisch startenden "Momma" riskiert er den Seelen-Striptease in aller Öffentlichkeit, im stampfenden "Complexion (A Zulu love)" identifiziert er sich mit einem Sklaven auf dem Baumwollfeld, bis Rapsody das Ruder rumreißt und von einer anderen Welt erzählt, in der ein schwarzer James Bond keine Besonderheit mehr zu sein scheint. Mit dem 12-minütigen "Mortal man" endet die Geschichts- und Märchenstunde rund um "To pimp a butterfly" zunächst tatsächlich so, wie man es erwartet hat: Erfrischend anders, ausufernd, zusammenfassend. Bis Kendrick Lamar sich plötzlich in einem Interview mit Tupac Shakur befindet, der ihm die Antwort auf seine letzte Frage schuldig bleibt:

"What's your perspective on that?"

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • Wesley's theory (feat. George Clinton & Thundercat)
  • King Kunta
  • Institutionalized (feat. Bilal, Anna Wise & Snoop Dogg)
  • Complexion (A Zulu love) (feat. Rapsody)
  • The blacker the berry

Tracklist

  1. Wesley's theory (feat. George Clinton & Thundercat)
  2. For free? (Interlude)
  3. King Kunta
  4. Institutionalized (feat. Bilal, Anna Wise & Snoop Dogg)
  5. These walls (feat. Bilal, Anna Wise & Thundercat)
  6. u
  7. Alright
  8. For sale? (Interlude)
  9. Momma
  10. Hood politics
  11. How much a dollar cost (feat. James Fauntleroy & Ronald Isley)
  12. Complexion (A Zulu love) (feat. Rapsody)
  13. The blacker the berry
  14. You ain't gotta lie (Momma said)
  15. i
  16. Mortal man

Gesamtspielzeit: 79:00 min.

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