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Matthew E. White - Fresh blood

Matthew E. White- Fresh blood

Spacebomb / Domino / GoodToGo
VÖ: 06.03.2015

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Einklang für Anklang

Philip Seymour Hoffman und Matthew E. White haben sich nie getroffen und dennoch beginnt der 32-Jährige seinen Song "Tranquility" mit den Worten "Goodbye old friend." White kannte den mit gerade mal 46 Jahren verstorbenen Oscar-Gewinner aus seinen unzähligen Darbietungen im Film. Als die Nachricht von Hoffmans Tod im Februar 2014 die Runde machte, rekapitulierte Whites geistiges Auge dessen facettenreiches Spiel, den Wechsel von Blockbuster zu Kleinproduktion – und das all dies endete mit dem Konsum eines Drogencocktails. Folglich übergoss der in Virginia beheimatete White "Tranquility" mit helldunkler Farbe: Finster sägt eine Gitarre auf die Zeile "We feel no bitterness" und gülden schimmert der finale countryeske Moment "Rid my heart of all that resists tranquility."

Wie im bereits genannten Track repetiert der Songwriter White ihm wichtige Kern-Botschaften oder inhaltsspezifische Wendungen. So beschließt die großartige Dauerklimax "Holy moly", deren zunehmende Energie nur ein Fade-Ende gerecht werden konnte, mit den Worten "I will not fear anymore." Aufkeimende Hoffnung, neuer Lebensmut als Perspektive. Und weshalb? Vorausgegangen ist eine Geschichte über sexuellen Missbrauch in der Kirche und verschiedene Etappen des Verarbeitungsprozesses: "You drank ruin, I drink wine / And it's okay / Are we healed in the end or will we all die unhealed?" White steigert sich parallel textlich aus der Introvertierheit zu Pianotönen in eine für ihn schon auffällige Wut, während der Gospel-Chor mehrstimmig bestärkend eingreift.

Sicher nicht ganz zufällig folgt "Circle 'round the sun", ein Stück über das Ableben einer Bekannten und deren Hoffnung, bei Jesus Vergebung und Führung zu finden. Musikalisch dreht sich der Song um einen trockenen Beat an der Seite des Pianos und trägt die Handschrift reduzierten Gospels. White fühlt sich der Musikrichtung verbunden, könnte vermutlich ganze Vorträge füllen, etwa über die Möglichkeit tiefsten Schmerz und ansteckende Freude darin auszudrücken. So erhält das Genre von ihm eine leicht augenzwinkernde Glorifizierung in "Rock & Roll is cold": "Everybody gets that gospel licks are gifts." Der Kniff: White begleitet den Soul-Pop mit Akustikgitarre und übt sich selbst im Piano-Rock'n'Roll im Stile eines Ray Charles oder Randy Newman.

Wie auch sein hervorragender Vorgänger "Big inner" und Natalie Prass' herrliches selbstbetiteltes Debüt entstand "Fresh blood" in den Räumlichkeiten des Spacebomb-Labels, mit der hauseigenen Band im Geiste von Stax oder Motown. Als bestünde er aus Schlangenhaut, gleitet der 32-Jährige durch die atemberaubende, innermusikalische Ausgewogenheit und das Fluid von Pomp zu Intimität: entlang des nachfedernden Drumbeats und des R'n'B-Gitarrensolos in "Golden robes", rüber zu kandierten "Fruit trees" und dem Bill-Withers-Abschluss "Love is deep".

White, der vokal nie ein Wilson Pickett oder Sam Cooke wird, und doch glaubwürdig den Verliebten in "Take care my baby" mimt, drückt sich viel eher auf meisterhafte Weise in den Arrangements aus. Im Southern-Soul von "Vision" beispielsweise und dem Beatles'esken "Hey Jude"-Finale von "Feeling good is good enough", das zudem auch Rückschlüsse auf Harry-Nilsson-Platten im Wohnzimmer des Mannes aus Virginia zulässt. Gut genug ist White aber nicht gut genug. Deshalb ist "Fresh blood" auch besser. Die Zeichen verdichten sich, dass dieser Mann ein Genie ist.

(Stephan Müller)

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Highlights

  • Take care my baby
  • Rock & Roll is cold
  • Holy moly
  • Vision

Tracklist

  1. Take care my baby
  2. Rock & Roll is cold
  3. Fruit trees
  4. Holy moly
  5. Circle 'round the sun
  6. Feeling good is good enough
  7. Tranquility
  8. Golden robes
  9. Vision
  10. Love is deep

Gesamtspielzeit: 47:03 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

kingsuede

Postings: 4099

Registriert seit 15.05.2013

2019-03-23 18:27:40 Uhr
Immer noch toll. Kompiliere momentan meine Top 100 Songs der 10er, und Holy moly wird sicherlich seinen Platz finden.

Stephan

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 991

Registriert seit 11.06.2013

2015-04-29 18:50:55 Uhr
Live war das gestern eine ziemliche Umgewöhnung. Statt opulenter Instrumentierung standen zwei Gitarristen auf der Bühne: Alan Parker und White selbst. Stimmlich klang das mitunter wie Barry White im Halbschlaf, musikalisch war das aber großes Tennis, was die Herren da abgeliefert haben. Zudem sehr sympathisch. Bleibt eine Riesenplatte.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19966

Registriert seit 10.09.2013

2015-03-24 19:26:21 Uhr
Holy Moly ist echt der Wahnsinn, Take Care My Baby und Fruit Trees sind auch sehr stark. Hat definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient.

kingsuede

Postings: 4099

Registriert seit 15.05.2013

2015-03-24 19:23:07 Uhr
Seite B
Feeling good is good enough 8/10
Tranquility 9/10
Golden robes 8/10
Vision 8/10
Love is deep 8/10

Insgesamt: 8,3

kingsuede

Postings: 4099

Registriert seit 15.05.2013

2015-03-24 19:08:01 Uhr
Einzelwertung:

Seite A>
Take care my baby 8/10
Rock & roll is cold 9/10
Fruit trees 7/10
Holy moly 10/10
Circle 'round the sun 7/10
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