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Eskimo Callboy - Crystals

Eskimo Callboy- Crystals

Airforce 1 / Universal
VÖ: 20.03.2015

Unsere Bewertung: 2/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Handkäs ohne Musik

Jahrmarkt-Freunde werden hellhörig: Selbst, wenn es dort heute viele andere, vom Hightech geschwängerte Attraktionen zu bestaunen und zu befahren gibt, stirbt die gute alte Geisterbahn so schnell nicht aus. Das Ungewisse, die Furcht, das Gruseln hat Menschen schließlich schon immer fasiziniert. Und wenn's zu schlimm wurde, wusste man spätestens mit acht oder zehn Jahren, dass hinter den Masken, Totenköpfen und Gorillas höchstens unterbezahlte Kirmes-Vagabunden oder ein Student mit der Neigung zum Rollenspiel steckten. Ähnlich verhält sich das mit Eskimo Callboy. Seit nun fünf Jahren schon gibt die laute Truppe den Kasper und tingelt als Belustiger vom Dienst durch das bös-grimmige Metalcore-Land.

Eine gruselige Hör-Fahrt, ähnlich der letzten Runde, die erst ein gutes Jahr zurück liegt, verspricht beim ersten Zucken der Boxen auch Eskimo Callboys dritte Platte "Crystals" zu werden. Laut können sie ja. Und wenn die ersten Töne von "Kill your idols" erklingen, geht man ob des aggressiven Brüll-Gezeters und der tiefen Metal-Riffs erst einmal in Deckung. Schon bald aber lauert allerorten Dubstep-Gebimmel und Schäfchenwolken-Refrains legen sich über die keifenden Stimmbänder. Schnell wird klar, dass hinter der wütenden Fassade nur harmlose, höchst kalkulierte Musik steckt, die für kaum mehr als Party- oder Festivalbeschallung taugt. Und tatsächlich: mit jeder verstreichenden Minute Aufmerksamkeit für diese Platte wird der Hörer ratloser, was Eskimo Callboy hier eigentlich im Schilde führen. Und warum man dabei auch noch zuhören muss. Etwa, weil die Jungs aus Castrop-Rauxel "schon immer mal HipHop machen" wollten? Nein, nur weil in "Best day" Sidos halbgarer Sprechgesang in den Strophen mit dem R'n'B-meets-tiefe Gitarren-Refrain duelliert, ist das noch lange kein HipHop. Hat man diesen Akt überlebt, geben Sythie-Brei, Autotune und Metal-Soli im schäbigen "2 fat 2 furious" noch mal eine mit. Gut, dass mit dem bedrohlichen "F.D.M.D.H." gleich ein "Deine-Mutter"-Diss für die ewigen Neider und Hasser in Stellung gebracht wurde. Puh. Das ist fast so evil wie das Wortspiel in "Pitch blease".

Etliche Fans schart die Band tatsächlich in der jungen Metal- und Hardcore-Szene um sich. Offensichtlich zieht auch hier zunächst die brutale Schale der Musik. Doch die hat keine Substanz. Denn schon einen halben Zentimeter darunter wird es in der Eskimo-Callboy-Welt eher grell-rosa: Wenn selbst ein im Grunde ordentlicher Metalcore-Song wie "My own summer" schon zu Beginn mit Synthies und Kinderchor-Sample verschandelt wird, dann nützt auch ein passabler Ohrwurm nicht, um ernstgenommen zu werden. Überhaupt umzingeln "Oh"s, "Ah"s und "Schall-la-la"s jedes Break, und Boyband-Chöre aus den Neunzigern lauern in fast jeden Refrain. Geradezu logisch, dass "Baby (T.U.M.H.)" zunächst mit Double-Bass-Attacken um sich prügelt, bevor sich wie aus dem Nichts und beinahe eins zu eins kopiert der Refrain von N'Syncs "Tearing up my heart" auftut. Klar wie Kloßbrühe, dass es bei einem solch kreativen Akt von Songwriting auch noch eine Akustik-Version(!) für die Deluxe-Edition braucht. Dass der Text dieses berühmten und nicht minder seichten Liebesgesäusels auch noch optimal zu anderen lyrischen Hirnfrei-Zonen inmitten dieses Kosmos aus Möchtegern-Metal-Geballer und Dubstep-Passagen passt – geschenkt. Und, hey: tatsächlich mal ein Hauch von Logik bei Eskimo Callboy.

Immerhin hat die Band zwischenzeitlich mal bei den Kollegen von Enter Shikari gelauscht, zu hören im Titeltrack, mit "Kill your idols" übrigens einer von wenigen unpeinlichen Momenten in diesem von Sinn und Qualität befreitem Vakuum namens "Crystals". Müßig zu erwähnen, dass Enter Shikaris Mischung aus Metal, Emo, Math und Pop auf so etwas wie ambitioniertem Songwriting basiert, während Eskimo Callboy lediglich aufgesetztes Gebrüll und lyrischen Handkäs (ohne Musik) übereinanderschichten, und dafür höchstens Smartphone-Herzchen ernten. Soll heißen: Dass der Fünfer bewusst mit dem Pop kokettiert und mit diesem kruden Stilmix zumindest die vornehmlich junge Fanbase ausreichend erheitern wird, ist unverwerflich. Doch bei allem Bemühen: Das hier funktioniert weder mit Promille noch im Hirn-aus-Modus. Für die Sexy-Sport-Clips auf Sport 1 oder eine Autopolitur- oder Sportfelgen-Spezial-Doku bei DMAX hingegen eignet sich diese Musik jetzt schon prima. Ziel kann da langfristig ja nur noch die gemeinsame Welt-Tournee mit Scooter sein. Album endlich vorbei? Ok, noch einmal "Play". Des Gruselns wegen.

(Eric Meyer)

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Highlights

  • Kill your idols

Tracklist

  1. Pitch blease
  2. Baby (T.U.M.H.)
  3. My own summer
  4. Kill your idols
  5. Ritual
  6. Monster
  7. Best day (feat. Sido)
  8. 2 fat 2 furious
  9. F.D.M.D.H.
  10. Paradise in hell
  11. Crystals
  12. Walk on the thin line
  13. Closure
  14. Baby (T.U.M.H)Acoustic version [Bonus track]
  15. My own summer (Remix)[Bonus Track]

Gesamtspielzeit: 45:02 min.

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User Beitrag

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 10796

Registriert seit 23.07.2014

2015-03-20 13:56:40 Uhr
Interessant, auf dem Album ist sogar ein Sido-Feature.
Tocobatzi
2015-03-11 04:17:41 Uhr
Ich hab Spass mit der Platte. Will mal sehen das Tocotronic nach den selben Maßstäben gemessen werden.
gstrangl
2015-03-05 09:53:45 Uhr
Das waren the Bunny, the Bear. Kann ja mal passieren.
good gig
2015-03-05 09:46:00 Uhr
Hab die mal auf ne Festival gesehen, hatten da irgendwie hasenkostüme und sonst Zeugs an.
Märtyrer Knackschuh
2015-03-05 09:44:04 Uhr
Allerdings! Der Begriff "Eskimo" ist eindeutig aus dem Nazi-Jargon entliehen. Diesen Thread bitte sofort löschen, Sie schäbiger Lump!
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