Johannes Oerding - Alles brennt
Columbia / Sony
VÖ: 30.01.2015
Unsere Bewertung: 3/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
Immer so scheißfröhlich
Sylvie poppt jetzt mit wem auch immer, Rafael konzentriert sich wieder auf den Fußball und anscheinend hat Prinz George seinen ersten königlichen Schiss in die Windel gesetzt. Wen zum Geier interessiert so etwas, wenn es nicht gerade bis kurz vorm Platzen aufgeblasen wurde? Du willst umfassende Aufmerksamkeit im Jahre 2015? Also dann bitte möglichst laut schreien und alles einfach nur abfeiern, egal, wie banal die Zustände auch sein mögen. Andreas Bourani hat 2014 mit "Auf uns", diesem fantastischen Beispiel für die Einfalt des Otto Normalmusikhörers, ziemlich deutlich vorgelegt, nun aber kontert Johannes Oerding ganz gehörig: Auf "Alles brennt" feiert der Münsteraner das Leben und sich selbst wie eine menschgewordene Silvesterrakete.
Die Platte wird vom gleichnamigen Track eröffnet: Yeah, ein Feuer, fett! Das Piano macht zunächst einen auf Abgesang, dabei geht es doch gerade erst los. Schnell setzt der Beat ein und bahnt Oerdings Stimme den Weg. Erstmal ist alles kacke, doch bis zum Refrain hat der Singer-Songwriter und Ina-Müller-Lover die Hypestimmung entdeckt, die die folgenden Titel durchziehen wird: "Doch zwischen schwarzen Wolken, seh' ich ein kleines bisschen Blau / Ich halt die Luft an, lauf über die Glut / Alles wird gut!" In "Nie wieder Alkohol" zieht der Sänger deftigste, wenn auch alkoholfreie Partygeschütze auf: "Ich werde mich ändern und verspreche Dir / Nie wieder Alkohol", swingt die Stimme über den Boogie-Woogie-Rhythmus. Warum genau der Titel so freudestrahlend vorgetragen wird, bleibt fraglich.
"Heimat" ist ein fürchterlicher Track, eingelegt in tonnenweise Schmalz: Die pathosschwangere Stimme, das Klischee-Thema und dieses orchestrale Gekasper in Chorusnähe machen den Song schwer zu ertragen. Mit "Diese Nacht gehört uns" und "Plötzlich perfekt" zeigt Oerding dem Bourani thematisch den Mittelfinger: Alles ist so geil. Ich bin so geil, Du auch. Und auch das Leben: Mensch Leben, auch Du bist so geil! Erstgenanntes Stück befruchtet sich selbst mit tanzbaren House-Beats, die bis zum Ende hin die volle Kontrolle erlangen. Zweitgenanntes erstickt den Charme der Unperfektheit im Keim und raubt dem Dasein die Steigerungsfähigkeit. "So oder gar nicht" kommt mit Reggae-Beat und gepfiffenen Lines daher. "Nimm mich so-oh-oh / Oder gar nicht / Lasst mich so-oh-oh / Wie ich bin", möchte sich Oerding nicht verbiegen lassen und inhaliert den Spliff ein wenig zu tief.
Wo nimmt der Mann nur diese Leidenschaft her? Ganz gleich, ob das Schicksal ihm Zucker oder Salz in den Haferschleim des Lebens rührt, Oerding steht da wie die inkarnierte Happy Pill. Grandmaster Goethe brachte das ewige Auf und Ab seinerzeit bestens auf Punkt: "Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt", heißt es in "Clärchens Lied" im Trauerspiel "Egmont". Und ja, manchmal ist eben alles nicht so doll, manchmal passieren Dinge, die ganz schön wehtun. Oerding ignoriert all das und vergisst dabei, dass die Kraft des Lachens tief in dessen Antagonismus zum Weinen verwurzelt ist. Mit "Alles brennt" bewegt sich Johannes Oerding bis an den Rand des guten Geschmacks – ein Quäntchen mehr Realismus täte dem Mann da gut.
Highlights
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Tracklist
- Alles brennt
- Wenn Du lebst
- Heimat
- Nie wieder Alkohol
- Immer wieder
- Diese Nacht gehört uns
- Gesucht und nichts gefunden
- Plötzlich perfekt
- Turbulenzen
- Zweites Gesicht
- So oder gar nicht
- Ich will noch nicht nach Hause
Gesamtspielzeit: 46:36 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MissWilberforce Postings: 1 Registriert seit 01.03.2015 |
2015-03-01 23:53:41 Uhr
Bei 'alles brennt' frage ich mich nur, ob er Johannes Oerding auch ausreichend Lizenzgebühren an Pur abführt. |
Jennifer Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 4714 Registriert seit 14.05.2013 |
2015-02-01 16:12:56 Uhr
Nein. Zum Glück nicht. |
holgerine |
2015-02-01 16:11:00 Uhr
wer muss diesen ganzen schrott rezensieren?Jenny, Du etwa? |
DTHeck |
2015-02-01 10:13:10 Uhr
Fiese Schlagersoße... schwer zu ertragen. |
captain oerding |
2015-02-01 01:54:51 Uhr
brennt alles weg. alles. |
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Referenzen
Andreas Bourani; Johannes Strate; Tobias Regner; Pohlmann; Tim Bendzko; Thomas Godoj; Tiemo Hauer; Philipp Poisel; Jean-Michel Aweh; Mark Forster; Enno Bunger; Revolverheld; Juli; Christina Stürmer; Silbermond; Kim Frank; Echt; Kris; Fertig, Los; Paolo Nutini; Gisbert Zu Knyphausen; Max Prosa; Justin Balk; Tilman Rossmy; James Blunt; Tom Liwa; Gregor Meyle; Matt Costa; Pur
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