Sleater-Kinney - No cities to love

Sub Pop / Cargo
VÖ: 16.01.2015
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Im Kampfverband
Ein verwelktes Blumen-Arrangement auf dem Cover, die Bandphotos im existentialistischen Grau-Weiß und so einige Songtitel, die nichts weiter als Verneinung und Verweigerung im Namen tragen – wer gedacht hatte, dass Sleater-Kinney zu ihrer Rückkehr nach zehnjähriger Album- und neunjähriger Bühnen-Abstinenz eine kunterbunte Homecoming-Party feiern würden, sieht sich bereits auf den ersten Blick getäuscht. Nein, Corin Tucker, Carrie Brownstein und Janet Weiss bedienen zu "No cities to love" keinerlei Pauken, Trompeten oder Konfettikanonen. Mit Platzpatronen schießt ihr achtes Album deshalb aber noch lange nicht.
Sogar ganz im Gegenteil: "No cities to love", erneut betreut durch Langzeit-Produzent John Goodmanson sowie auf Sub Pop statt Kill Rock Stars, klingt sperriger, halsstarriger, ja wütender als jede Sleater-Kinney-Platte zuvor und damit gar unversöhnlicher als das Distortion-gefüllte Sub-Pop-Debüt "The woods". Denn obwohl kein einziger von ihnen die 4-Minuten-Marke sprengt, sind diese Songs solche der Haltung. Den schnellen Hit, ein "Jumpers", "Little babies" oder "Oh!", sucht der Hörer hingegen vergeblich. Stattdessen ist das hektische Treiben, das zustandekommt, wenn man wie Sleater-Kinney diverse Langversionen der Songs auf das Mindestmaß kürzt, ohne ihnen ihre Energie zu rauben, mehr als spürbar. Was keineswegs heißt, dass "No cities to love" mit Lieblings-Melodien und Mitwippern geizen würde. Allerdings hat die drei Olympianerinnen der Rock-Ehrgeiz hier derart gepackt, dass sie lieber draufhauen, solieren und verwirren, statt den Gassenhauer allzu unbeschadet aus der Nummer entkommen zu lassen.
Kurioserweise ergibt sich aus dieser Renitenz ein beinahe demokratisches Grundgefüge, das Sleater-Kinneys neuen Punch ausmacht. Weder Weiss' nach wie vor unerreichtes Beat-Regiment noch Tuckers durch den Tinnitus vibrierende Kehllappen sind die Ausstellungsstücke von "No cities to love", "Surface envy" oder "No anthems". Und auch Brownsteins selbst im Vergleich zu "The woods" nochmals gesteigerte Solo-Arbeit erhält zwar eine wesentlich prominentere Rolle als zuvor, letztlich bedeutet aber auch das lediglich die Herstellung von Egalität, auch auf dieser Ebene. Was "No cities to love" stattdessen auszeichnet, ist eine zwar kontrolliert, doch so wild wie irgend möglich durch ihre Songs schlagende Band, die einig klingt bei allem, was dabei so entsteht.
So werden die klickernden Akkordauflösungen von "Bury our friends" oder "Gimme love" kaum einmal von straightem Geschruppe gestört. Ohnehin ein seltener Ruhepol in ihren Arrangements, finden Sleater-Kinney auf "No cities to love" stets eine andere Lösung, um ihrem Tiger in die Flanken zu schlagen. Zumeist geht es dabei in Richtung Brit-Pop und Disco-Punk voran, aber es weht auch wesentlich mehr Sonic-Youth-Dissonanz durch diese Songs. Wie um das Gegenteil zu beweisen, poltert der Schlussteil von "Fangless" als eindeutiger Kopfnicker voran. Das abschließende "Fade" lädt hingegen erstmals doch noch ein wenig Melancholie auf "No cities to love", mit brummenden Akkorden und einem Post-Punk-Grundgerüst, das Tucker stimmlich bis zur Selbstaufgabe an die große Siouxsie Sioux heranführt. Und mehr kongenial verwuschelter Indie-Pop wie zu "A new wave" war auch eher selten. Nein, einfach zu packen waren Sleater-Kinney noch nie – hat sich nichts dran geändert und ist schön zu hören.
Auch sonst steht ihnen das dezente, doch lautstarke Schleifen ihrer Trademarks weitaus besser, als man befürchten konnte. Geblieben sind von diesen eindeutig die Gesangsmelodien zwischen Girl-Pop und Grrrl-Punk, also kurz vor cheesy und fünf vor Hörsturz – zum Titelsong einfach mal zu einem Madonna-Refrain als Zwischenpart zurechtkolportiert. Eingebettet werden sie nun aber eben in ein Songgerüst, das ähnlich schizophrenetisch daherkommt. Tuckers und Brownsteins Gitarren kommunizieren mindestens ebenso unablässig in Phrase / Gegenphrase wie ihr Gesang. Und Weiss' Schlagzeug hält den Laden gewohnt souverän, doch auch mit spürbar mehr Freigeist zusammen. Als derartige Einheit konnte Sleater-Kinney noch nie irgendwer irgendetwas. Ganz wunderbar, dass sie den Kampf wieder aufgenommen haben.
Highlights
- Fangless
- No cities to love
- A new wave
- No anthems
- Fade
Tracklist
- Price tag
- Fangless
- Surface envy
- No cities to love
- A new wave
- No anthems
- Gimme love
- Bury our friends
- Hey darling
- Fade
Gesamtspielzeit: 32:19 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
... |
2019-07-20 10:20:01 Uhr
Auf Surface Envy klingt die Gitarre wie bei Polizisten von Extrabreit |
keinBerliner |
2015-03-17 14:39:20 Uhr
ja, das dachte ich mir schon. aber sicher spannender als die berliner. |
Achim Postings: 6286 Registriert seit 13.06.2013 |
2015-03-13 10:03:08 Uhr
@keinBerliner: am besten irgendwo pennen gehen und am nächsten tag ausgeschlafen zurückfahren. die touri-horden aus spanien, italien, schweden sind jetzt nicht wirklich spannend.Achim. |
keinBerliner |
2015-03-12 22:02:58 Uhr
Anyone else?Hat jemand Tipps was man nach dem Konzert noch machen kann? Hab gehoert soll ein verschlafenes Kaff sein, aber irgendwo hat doch sicher noch eine Keller offen? |
@keinBerliner |
2015-03-12 20:58:51 Uhr
wenn du eine Frau bist: ich komme. |
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Referenzen
Corin Tucker Band; White Flag; Heavens To Betsy; Standard Fare; Magoo; Love Is All; Bratmobile; Bikini Kill; Hole; Team Dresch; Elastica; Ninetynine; Bif; Huggy Bear; L7; Daisy Chainsaw; Queen Adreena; The Delgados; Ted Leo & The Pharmacists; The Dentists; Chisel; The Cassettes; Kingmaker; Morrissey; The Smiths; The Libertines; Klaxons; Pixies; Bound Stems; The Breeders; Bats And Mice; Quasi; Weezer; OK Go; Barenaked Ladies; The Presidents Of The United States Of America; The Lemonheads; Teenage Fanclub; The Replacements; The Jam; Buzzcocks; World Party; Hot Club De Paris; The Cribs; I Heart Hiroshima; The View; The Young Knives; Little Man Tate; The Long Blondes; Hospitality
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