Kejnu - Centillion

Popup / Cargo
VÖ: 30.01.2015
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10

In der Genre-Krise
Die Band Kejnu aus der Schweiz, das ist in erster Linie Noél Schoch, denn Text, Musik und Produktion sind allein seine Sache. Um den Wust an Einflüssen einzuordnen, gehen Künstler, Rezeption und Plattenfirma weite Wege: Irritierend ist von "Alternative Poprock" die Rede, von Heavy Metal und Trip-Hop oder Electronica und Lo-Fi. Im Rahmen eines Nonsens-Interviews grenzt die Band ihre Stilrichtung in "pfirsich-farbener fuzzy ambient Rock 'n' Roll mit Gläserfront" ein und fischt in halbwegs klaren Gewässern. Genau dann, wenn "Gläserfront" nicht verintellektualisierte Nerd-Brille meint, sondern der Anspruch auf Weitsicht und große Themen gelegt wurde. "Ambient" könnte auf das Subtile und Lässige hinweisen, während "Rock 'n' Roll" einfach die Gitarre-Schlagzeug-Bass-Basis von Kejnu hervorhebt.
Immer wieder flammen auf "Centillion" Radiohead-Reminiszenzen auf. "What I deserve" und die zurückgelehnten Rock-Songs wie "There there" aus "Hail to the thief"-Zeiten passen wundersam zueinander. Das verschwommene "Taciturn" hingegen zeichnet das Schwärmerische und Verträumte von "In rainbows" nach. Das Drumming konkurriert mit den Kapriolen von The Nationals Bryan Devendorf, so effizient reichert es den Gesamtsound mit Fills und unkonventionellen Takten an. Hohe, im Hintergrund schwelende Gitarren in "Boxus / Hood" driften sogar in erhabene Postrock-Sphären, bevor zum Ende die Ruppigkeit ausbricht. Der Beginn von "Høst" erinnert an die kühle Ästhetik eines Tracks von James Blake.
Die Texte geben bei allen deprimierenden Tendenzen Anlass zur Hoffnung. Hintergründig oder direkt geht der Blick in die Zukunft. "Mountaineers" kritisiert den (digitalen) Fortschritt der Menschheit und die Vernachlässigung der Kultur, da all das notgedrungen die Unsicherheit des Einzelnen steigere. Der Verfasser ist sich aber in einem sicher: Trotz der Unzulänglichkeit, die sich im menschlichen Miteinander verbirgt, und der Unsicherheit in modernen Zeiten, gibt allein die direkte menschliche Interaktion Anlass zur Hoffnung; selbst wenn es eine Zentillion Jahre dauert, wie der Albumtitel suggeriert.
Der aufgeführte Reigen an stilistischen Querverweisen darf nicht über die zugrundeliegende Qualität des eineinhalbstündigen Aggregatszustands von Kejnu im Jahre 2015 hinwegtäuschen oder dazu verleiten, die Band als Rip-Off von Band XY zurückzustufen. Erstens: Das Projekt findet seinen Ursprung im Jahr 2005. Die Verfeinerung in Nuancen, die Kejnu im Laufe der letzten zehn Jahre durchlaufen haben, entzöge sich dann den meisten "Klingt wie"-Vergleichen. Bereits das Zweitwerk "Companion" überragt durch feinsinnige Kompositionen. Der Thron auf dem 2008 erschienenen Album gebührt "Subterra", eine sehnsuchtsvolle Hymne ohne Refrain, dafür mit eingestreuten Taktwechseln, die eine dynamische, progressive Richtung einschlagen. Zweitens: Gerade im "test of time" gilt, dass auch die musikalischen Einflüsse, derer Kejnu sich als Sprungbrett bedienen, um einen eigenen Sound zu kreieren, sich abnutzen. Kejnu haben nun neue Bretter angefertigt und aus einem passendem Holz präzise verarbeitet, sodass ein Furnier aus Bewährtem und Innovativem entsteht, ohne dass das eine vom anderen aufgerieben wird.
Highlights
- Stormy eyes
- Taciturn
- Mountaineers
- What I deserve
Tracklist
- CD 1
- Egocentrix
- Boxus / Hood
- Stormy eyes
- Taciturn
- Candelabra
- November
- From the bones
- Hexa
- The droning
- Amber beach
- CD 2
- Høst
- Mountaineers
- Inner / outer
- Silhouettes
- The reaper fears you
- Handyman
- Halo
- Red giant goatman
- What I deserve
- Duiker
Gesamtspielzeit: 90:47 min.
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User | Beitrag |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34411 Registriert seit 07.06.2013 |
2015-01-23 15:41:50 Uhr
Ich muss deshalb schon mal reinhören, weil ich auch nach der Rezi keine Ahnung hab, wie das klingen soll. |
Jennifer Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 4716 Registriert seit 14.05.2013 |
2015-01-20 21:55:53 Uhr
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Patrick Watson; Wild Beasts; Efterklang; Get Well Soon; Iron & Wine; These New Puritans; The Antlers; The National; Benoit Pioulard; Grizzly Bear; The Notwist; The Weakerthans; Feist; Radiohead; Midlake; Sufjan Stevens; Dire Straits; Local Natives; Bon Iver; Fleet Foxes; Okkervil River; Alt-J; Phoenix; The Shins; Sparklehorse; PJ Harvey; Woven Hand; Nada Surf; TV On The Radio; Menomena; Foals; Sun Kil Moon; The Decemberists; James Blake; The Low Anthem; Neutral Milk Hotel; Seachange; Portugal. The Man
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- Kejnu (1 Beiträge / Letzter am 08.09.2008 - 13:01 Uhr)