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Audio88 - Der letzte Idiot

Audio88- Der letzte Idiot

Analog Alpha / hhv.de
VÖ: 17.10.2014

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Boshaft statt bosshaft

Natürlich gab und gibt es im deutschen HipHop genügend MCs im Untergrund, die mehr als Beef im Sinn haben: Der Berliner Audio88 beispielsweise – die nicht ganz unverfängliche "88" steht für HipHop – besticht seit Jahren durch konstanten Output von Mixtapes, EPs und Kollaborationsalben. Mit "Der letzte Idiot" begibt er sich auf Solopfade, wobei sich inhaltlich wenig an seiner grundsätzlichen Ausrichtung geändert hat: Die Welt ist schlecht, die Menschen falsch. Und das gilt es bloßzustellen. Mit Nachdruck.

Audio88 verzichtet fast vollständig auf die Verwendung reiner Reime. Durch Assonanzen und geschickte Rhythmisierung fällt dies jedoch nicht negativ ins Gewicht – im Gegenteil: Die an Prosagedichte erinnernden Texte überzeugen durch Wortgewalt und Sprachwitz, wenngleich die zwischen Wut und Weinerlichkeit pendelnde Stimme des MCs nicht Jedermanns Sache sein dürfte. Der Audio88-Intimus Yannic produziert elektronisch-karge Beats, eingängige Grooves und Hooks vermeidet er ganz bewusst. Dissonanz wird groß geschrieben, wobei die Beats aus technischer Sicht nicht gänzlich staubfrei daherkommen. Besonders die Sounds einiger Leadsynthies könnten etwas mehr Politur und Biss vertragen. Dennoch passt die wüste Kulisse zu den wütenden Botschaften des Künstlers.

Zynische Seitenhiebe auf HipHop-Kollegen wie Kool Savas und Olli Banjo finden in "Mach kaputt" ebenso Platz wie eine geschickte Anspielung auf den muskelbepackten Nihilismus, dem Rapper wie Kollegah oder Massiv anheim gefallen sind. "Was ist HipHop?" lautet hierbei die Grundfrage: DJing, Writing, Rap, Breakdancing und "ein Shake aus Proteinen"? Die lapidare Antwort: "Jeder kriegt, was er verdient." Audio88 kreist dabei um das ewige Schlingern zwischen Selbstpositionierung und Emanzipation, das den HipHop schon immer geprägt und bestimmt hat. Dass sich derlei Gedankenspiele jedoch nicht nur auf das Rap-Game beschränken, liegt auf der Hand: "Der gute Deutsche weiß, man nimmt die Frau nicht mit nach Thailand. / Wenn Du ins Berghain willst, ext Du das letzte Bier ja auch vorm Eingang."

Die Hipster, die Emporkömmlinge, die selbsternannte Bohème – alle kriegen ihr Fett weg. "Und weil man sich an den letzten Urlaub nicht erinnern kann / Bereut man es plötzlich, dass einem Houellebecqs Bildband damals bei Amazon zu teuer war", höhnt der Berliner in "MWDEDW". Wer dazugehört, fällt nicht auf – selbst wenn er sich dabei wie "Der letzte Idiot" benimmt. "Fusionbändchen" thematisiert gekonnt die amoralische Scheinheiligkeit jener Gewissensberuhiger, die kein Problem damit haben, T-Shirts aus Kinderarbeit zu kaufen, solange sie fair gehandelt wurden.

Das Album kulminiert im bitterbösen "Schicksalsschlägereien", dessen finale Verse nicht nur das Zeug zum Bonmot haben, sondern auch das Dilemma ihres Schöpfers offenlegen. "Die Zeit heilt alle Wunden ist ein schöner Satz / Man sollte ihn auf Tretminen schreiben", bellt er, während ringsum die Maschinen kreischen. Wider die Oberflächlichkeit der Beschäftigungsgesellschaft soll es gehen, nur wofür genau muss offen bleiben. Ist die Koketterie mit der eigenen Nicht-Angepasstheit nicht auch nur eine weitere Geste der Affirmation? Und meint der das überhaupt ernst? Genau diese nicht aufzulösende Spannung ist es, die "Der letzte Idiot" trotz kurzer Spielzeit und instrumentaler Durchhänger zu einer aufregenden Angelegenheit werden lässt. "Die Wahrheit kann keinen beleidigen / Nur bloßstellen". Darüber lässt sich streiten. Zum Glück.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • MWDEDW
  • Fusionbändchen
  • Schicksalsschlägereien

Tracklist

  1. Anfang
  2. Arbeit essen Seele auf
  3. Mach kaputt
  4. MWDEDW
  5. Totmacher
  6. Der letzte Idiot
  7. Fusionbändchen
  8. Kirmes
  9. In Sekunden
  10. Schicksalsschlägereien
  11. Ende
  12. Anfang (Instrumental)
  13. Arbeit essen Seele auf (Instrumental)
  14. Mach kaputt (Instrumental)
  15. MWDEDW (Instrumental)
  16. Der letzte Idiot (Instrumental)
  17. Fusionbändchen (Instrumental)
  18. In Sekunden (Instrumental)
  19. Schicksalsschlägereien (Instrumental)

Gesamtspielzeit: 57:15 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
antifa
2015-01-11 21:49:50 Uhr
88? Ich witterte Antis.emitismuseinself
Joaaa
2015-01-11 19:40:20 Uhr
kann man sich anhören.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27519

Registriert seit 08.01.2012

2015-01-06 20:38:55 Uhr
Frisch rezensiert.

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