Dels - Petals have fallen
Big Dada / Rough Trade
VÖ: 31.10.2014
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10
Dunkle Bilder
Spätestens als 2011 in London, Liverpool und Manchester Lagerhallen und teure Autos angezündet wurden, war selbst dem Uninformiertesten klar, dass auch in den westlichen Zivilisationen unter der Oberfläche ein enormes Unruhepotenzial brodelte. Die Jugendlichen, die sich an den Krawallen beteiligten, stammten oftmals aus sozial schwächeren Familien, doch das allein greift als Erklärung wie immer zu kurz. Das Gefühl, nichts mehr verlieren zu können, gepaart mit einer Perspektivlosigkeit, die sich rasch in existenzielle Zukunftsangst transformiert, kann als Katalysator wirken und unterschwellige Aggressionen zu Tage fördern. Popmusikalische Entsprechung fand dieses unheilvolle Brodeln im Sound junger Musiker wie Speech Debelle und Dels, ohne dass diese sich auf irgendeine Seite schlugen. Vielmehr sezierten sie mit ihren Texten die gesellschaftlichen Missstände und zeichneten dabei ein eher dunkles Bild unserer Gegenwart.
Nun sind diese Geschehnisse schon über drei Jahre her und "Lebbe geht weider", wie Hobby-Philosoph Dragoslav Stepanovic sagen würde. "Lebbe" bleibt aber auch für viele Menschen gleich beschissen, weswegen also auch in der Zeit nach den Aufständen noch Musik wie diese richtig und wichtig ist. Dieser Meinung ist wohl auch der Londoner Rapper Dels, der im bürgerlichen Leben Kieren Gallear heißt, und nun mit "Petals have fallen" sein zweites Album veröffentlicht. Soundtechnisch hat sich nur wenig verändert, nach wie vor sind die Beats minimalistisch und düster-atmosphärisch, ab und zu mischt sich ein Piano in die schattige Szenerie, aber viel Licht sehen seine Songs nicht, ohne jedoch in vollkommene Tristesse zu versinken. Gerade der Beginn der Platte ist bei aller Schwermut äußerst gelungen: Im mauergrauen "Limbo" murmelt sich der Brite durch zweieinhalb konzentrierte Minuten depressiver Lässigkeit, wie es sonst nur der große Ghostpoet kann: "Just like you, I'm in the dark."
In seinen besten Momenten rappt Dels mit der ihm ureigenen lakonischen Nonchalance über Soundcollagen, die mit größtmöglicher Finesse vor sich hin tröpfeln und blubbern, als stammten sie direkt aus dem Beat-Fundus von Baths. Und das ist eine der besten Referenzen, die man sich heutzutage vorstellen kann. "Pulls" nimmt dann all jene tröstend in den Arm, die The Streets vermissen. Der reduzierte Beat klimpert sympathisch vor sich hin, Dels' Duettpartnerin Kerry Leatham kontrastiert den hypersonoren Sprechgesang des Rappers mit ihrer feinen R'n'B-Stimme. Auch im weiteren Verlauf von "Petals have fallen" baut der 29-Jährige immer wieder auf weibliche Vokalunterstützung, wodurch die drohende Monotonie stets durchbrochen wird und die Songs eine gewisse Lockerheit gewinnen. Eine Lockerheit, die aus der Anspannung geboren wurde und die letztlich wunderbar darstellt, wie man sich seiner Sorgen auch entledigen kann: im kreativen, nicht im destruktiven Rausch.
Highlights
- Limbo
- House of Commons
- Pulls (feat. Kerry Leatham)
Tracklist
- Limbo
- Fall apart
- House of Commons
- Pulls (feat. Kerry Leatham)
- You live in my head (feat. Elan Tamara)
- Burning beaches (feat. Rosie Lowe)
- Pack of wolves
- RGB
- Bird milk (feat. Bila)
- Lost for words
- Petals have fallen (feat. Tirzah)
Gesamtspielzeit: 46:00 min.
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27219 Registriert seit 08.01.2012 |
2014-12-21 00:33:59 Uhr
Frisch rezensiert! Meinungen? |
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Referenzen
Wiley; Dizzee Rascal; Micachu; Ghostpoet; Baths; Hot Chip; The Streets; Bang On!; Aesop Rock; Speech Debelle; Roots Manuva; Roll Deep Crew; Antipop Consortium; Young Fathers; Lethal Bizzle; Akala; Wretch 32; King Midas Sound; Spaceape; Dälek; Saul Williams; Tricky; Mos Def; Professor Green; Björk; DJ Shadow; Q-Tip; Kano; Gorillaz; One Inch Punch; Lady Sovereign; Ty; Wookie; Sway; The Mitchell Brothers; El-P; Killer Mike; Run The Jewels