Tony Bennett & Lady Gaga - Cheek to cheek
Interscope / Universal
VÖ: 19.09.2014
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Der neue Standard
Das Problem ist der Kniff. Viele Lady-Gaga-Fans dürften nach der Ankündigung dieser Platte fragende Emojis in ihr Handy getippt haben: Warum Jazz, wo sind die Beats, und wer ist dieser alte Mann, der mit ihr singt? Setzt sich nur jeder hundertste Gaga-Jünger mit der Musik auseinander, begehen Stefani Germanotta und Tony Bennett ein High-Five. Sie wollen Jazz-Standards einer jüngeren Generation näherbringen und mit ihnen durch das American Songbook blättern. Bennett versucht das schon seit geraumer Zeit mit seiner "Duets"-Reihe, in der er gemeinsam mit Paul McCartney, Billy Joel, Bono, Norah Jones, Amy Winehouse und etlichen anderen bekannten Show-Nasen Klassiker neu aufnahm.
So kam es auch zur Bekanntschaft mit Lady Gaga, die nach eigener Aussage seit frühester Kindheit Jazz singt und insbesondere Ella Fitzgerald liebt, davon bislang auf ihren Platten aber nie etwas hat hören lassen. Das 2011er Duett "The lady is a tramp" legte den Grundstein für "Cheek to cheek", auf dem der inzwischen 88-jährige Bennett in der Manier eines Gentlemans seine eigenen Hits außen vor lässt, und sich mit Gaga andere Spielwiesen sucht. Cole Porter, der auch schon via Robbie Williams in die Neuzeit gelangte, macht den Auftakt. "Anything goes" verliert zwar Porters Witz, ist aber 80 Jahre nach der Erstveröffentlichung auch nicht mehr für den Broadway gedacht – ein guter Einstieg, und eine Prophezeiung für die nachfolgende halbe Stunde: "We propose anything goes."
Es geht deshalb beinahe alles, weil Jazz-Standards zu interpretieren auch Improvisation bedeutet, wenn nicht sogar fordert. Deshalb liegen beispielsweise Welten zwischen "I can't give you anything but love", wie es hier mit Wurlitzer und Trompeten-Solo vorgetragen wird, und Fitzgeralds Version, in der sie sich immense stimmliche Freiräume erlaubt. Im Titeltrack, dessen Eingangszeile "Heaven, I'm in Heaven" wohl jedem geläufig ist, verliert die manchmal etwas überengagierte Gaga die Musik aus den Augen, aber schon für "Nature boy" hat sie ihr harmonisches Zusammenspiel mit Bennett wiedergefunden, umrankt von dominanter 70er-Jahre-Flöte und dem Kernvers "The greatest thing you'll ever learn is just to love and be loved in return."
Satte 60 Jahre unterscheiden beide Künstler. Dennoch fühlen sich die zwei gleichermaßen wohl zwischen Streichern und Bigband-Sound, swingen gemeinsam zu Schlusstrack und "I won't dance". Das alternierende Wechselspiel erlebt der Hörer übrigens auch noch auf andere Weise. In "Sophisticated lady" antwortet Bennett solo am Klavier auf Gagas formidablen Alleingang zuvor. Sie meistert Billy Strayhorns wahrlich nicht einfaches "Lush life". Ein Schlüsselmoment. Eingesungen von ihr, als sie schon keine Lust mehr hatte zu singen, wie sie kürzlich eingestand, und sich vom Pop-Business hintergangen fühlte. "There I'll be while I rot with the rest of those whose lives are lonely too." Lässt man bei den Zeilen und der Story alle Promo-Mystik beiseite und auch die Ansage, fortan jedes Jahr ein Jazz-Album zu veröffentlichen, eröffnet ihr "Cheek to cheek" dennoch eine neue Perspektive. Sie könnte in kleinen Bars singen – und es schiene ihr ernsthaft egal.
Highlights
- Anything goes
- Nature boy
- Lush life
- But beautiful
Tracklist
- Anything goes
- Cheek to cheek
- Nature boy
- I can't give you anything but love
- I won't dance
- Firefly
- Lush life
- Sophisticated lady
- Let's face the music and dance
- But beautiful
- It don't mean a thing (If it ain't got the swing)
Gesamtspielzeit: 34:42 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Castorp Postings: 2787 Registriert seit 14.06.2013 |
2014-10-06 00:41:24 Uhr
Stefanie singt klasse, aber dem alten Tony geht mittlerweile - leider, leider - die Luft aus.Mit 88 Jahren konnte ein Heesters aber besser trällern. ;-) |
Demon Cleaner User und Moderator Postings: 5646 Registriert seit 15.05.2013 |
2014-10-05 15:58:47 Uhr
Hm, ich fand "Artpop" auf lange Sicht doch recht gut. Halt ein recht chaotisches Album, nicht wirklich einladend, für ein Big-Budget-Mainstream-Album."Cheek To Cheek" hat bei mir das Problem, dass alle Swing-Alben haben. Für 2-3 Songs tönt es ganz gut, danach wird es mir schon langweilig. |
Stephan Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 992 Registriert seit 11.06.2013 |
2014-10-05 11:58:01 Uhr
"Artpop" war natürlich eher ein eher mieser Wurf, aber von einer "Popschlampe, nach der kein Hahn mehr kräht", ist sie dann doch meilenweit entfernt.Ich schließe mich da Pfzt an. So ein ggfs. ungehörtes Generalurteil mag sich mir auch nicht so recht erschließen. Wenn man sich darauf einlässt, kann man auch einfach mal darauf festhalten, dass Lady Gaga singen kann. Was jetzt auch keine Neuigkeit ist, hier aber im famosen "Lush life" auch mal ausgiebig zeigt. |
Kein Gaga-Fan, aber |
2014-09-28 07:59:09 Uhr
"Speechless" ist toll. |
xy |
2014-09-27 22:44:18 Uhr
In die erste Single hab ich mal reingehört. nicht schlecht aber nicht meins.Muss gestehen! "The Fame Monster" fand ich echt gut. Alles was danach kam, eher nicht mehr so wichtig. |
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Referenzen
Tony Bennett; Irving Berlin; Cole Porter; Bill Kenny; Billy Strayhorn; Ella Fitzgerald; Bobby Darin; Cy Coleman; Irving Mills; George Gershwin; Bing Crosby; Richard Rodgers; Nat King Cole; Jo Stafford; Chet Baker; Perry Como; Johnny Hartman; Cab Calloway; Tommy Dorsey; Louis Armstrong; Benny Goodman; Glenn Miller; Duke Ellington; Frank Sinatra; Dean Martin; Sammy Davis Jr.; Joey Bishop; Peter Lawford; Shirley MacLaine; The Rat Pack; Jamie Cullum; Michael Bublé; Robbie Williams
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