Jamie T - Carry on the grudge

Virgin / EMI / Universal
VÖ: 26.09.2014
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

The walking undead
Pausen sind bei Jamie T wohl unmittelbar wie unfreiwillig mit Drama verbunden. Zwischen "Panic prevention" und "Kings & queens" ging es ihm persönlich nicht gut und er kämpfte sich aus der Schlappheit empor, die ihn heimsuchte als Folge des unentwegten Tourens. Dann eine erneute Pause. Fünf Jahre. Ein Stopp habe sich richtig angefühlt, führte Jamie Treays im Interview mit BBC Radio 1 aus, und, so ergänzte er, seine Eltern waren erkrankt. Klingt nicht nach Schnupfen. Aus dieser Stille lugte die quasi zur Null-Aktivität erlahmte Homepage mit einer handgeschriebenen Notiz des 28-Jährigen hervor: Es sei wohl an der Zeit, noch einmal ein paar Konzerte zu spielen. Die wiederum waren im Handumdrehen ausverkauft – denn abgesehen von Cosmo Jarvis ist da kaum jemand in Großbritannien, der Ts Stellung ausfüllen will oder kann. Auch nicht Sleaford Mods, deren mit Ironie zersetzte Dauer-Pöbeleien sich ob der musikalischen Limitierung erst noch langfristig beweisen werden müssen.
Kaputte Leben und Lieben, Alkohol in Hand und Rachen, Schlägereien, Probleme, und der Regen als Symbol des Fortfließens: An Treays' innerlichen und äußerlichen Beobachtungs- und Erzählgabe hat sich über die Jahre auf dem Weg zu "Carry on the grudge" nichts geändert. "Who knows where your limits lie / You give in while you're giving / Now the giver must die", zieht der Brite im Opener eine Schmerzgrenze. Wie konnte man nur "Mary Lee" gehen lassen, fragt er an anderer Stelle – und findet eine hilfreiche Antwort sicher nicht bei Aggro-Typ "Peter", der selbstzerstörerischen und alles negierenden Stimme im Hinterkopf.
Die Upbeat-Stellung von "Sticks 'n' stones" auf "Kings & queens" übernimmt unter anderem "Zombie". Thematisch böte sich dafür eher der Joe-Strummer-Pistolero "Trouble" an, aber die ernüchternde Feststellung, mit Mitte 20 noch die gleichen Sorgen zu haben wie zur Jugendzeit, lässt Treays auf den Spuren der Untoten durch die Straßen waten: "I'm a sad, sad post-teen / Caught up in a love machine / No dream, come clean / Walking like a Zombie." Dem Twee-Ska-Indie-Popper stellt der Londoner im zweiten Upbeat-Track, "Rabbit hole", teils lässig ausgeschüttelte Indie-Rock-Gitarren zur Seite – das wird live ein Fest.
Jamie T war seit jeher sound- und sampelfreudig. Auf seinem dritten Album geht er vermehrt klassischeren Songstrukturen nach, hier haben Rap und HipHop kaum noch und Reggae gar kein Gewicht mehr. Gerade wenn Treays sich zurücknimmt zu kargeren Songs wie "Murder of crows", an dessen Krähenfüßen sinistre Streicher hängen, wirkt das gar schwach auf der Brust. Das Gefühl verbreitet zunächst auch "The prophet" mit seinen verquerten Yeah-Ausrufen, wird auf inhaltlicher Ebene durch einen taumelnden Treays aber aufgelockert. Nachdem "They told me it rained", dargeboten mit weiblicher Begleitung, ausgeklungen ist, spielt das aber nur noch eine marginale Rolle – erst recht mit Blick auf den Beginn von "Carry on the grudge".
Das überragende "Limits lie" eint Surf-, E-, Akustik-Gitarre, verschraubt sie mit auferlegten Effekten und unterfüttert die verwaschenen Drums mit kanonischem Gesang. "Turn on the light" bietet nach drei Minuten repetitivem Rhythmus ein befreiendes, öffnendes Ende. Dazwischen schultert der bislang wohl ungewöhnlichste Jamie-T-Track, "Don't you find", 90er-Depeche-Mode-Synthiestränge auf dem Weg an den Rand der achtziger Jahre. Famos. Für das Singer-Songwriter-Kleinod "Love is only a heartbeat away" lässt Treays dann Streicher frei: "A heart full of love / But I'm only here to kill her." Keine Frage: Jamie T wird gebraucht. Weil er die Sprache der unteren Mittelklasse spricht, analysiert aber nicht belehrt, und weil seine Zahnlücke immer noch Platz lässt für Humor und Liebe.
Highlights
- Limits lie
- Don't you find
- Rabbit hole
- Love is only a heartbeat away
Tracklist
- Limits lie
- Don't you find
- Turn on the light
- Zombie
- The prophet
- Mary Lee
- Trouble
- Rabbit hole
- Peter
- Love is only a heartbeat away
- Murder of crows
- They told me it rained
Gesamtspielzeit: 45:51 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Tinfoil Boy |
2016-07-01 12:42:59 Uhr
http://www.nicorola.de/neuer-song-von-jamie-t-tinfoil-boy/Neuer Song, da nicht wirklich klar ist, ob es dabei bleibt oder ein Album kommt erstmal hier. |
Blablablubb Postings: 493 Registriert seit 20.04.2014 |
2015-04-07 11:19:57 Uhr
Solide EP würde ich meinen. Das Ende von "Magnolia Melancholia" ist ziemlich cool.Bis jetzt hat der gute Herr meines Erachtens nach noch keine Grütze abgeliefert. :) |
Stephan Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 983 Registriert seit 11.06.2013 |
2015-04-06 21:12:17 Uhr
Und hier den tollen Titeltrackhttps://www.youtube.com/watch?t=11&v=ExV3fm6DEnU |
Blablablubb Postings: 493 Registriert seit 20.04.2014 |
2015-04-05 10:16:07 Uhr
Und "Marilyn Monroe" kann man hier schon hören:https://www.youtube.com/watch?v=gH9iFp62JfY |
Blablablubb Postings: 493 Registriert seit 20.04.2014 |
2015-04-05 10:13:58 Uhr
Für alle Interessierten:Kommenden Montag kommt eine EP mit dem Namen "Magnolia Melancholia" raus. :) |
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Referenzen
Cosmo Jarvis; Beans On Toast; Rat Boy; Graham Coxon; Kid Acne; Jack Peñate; Dan Le Sac Vs. Scroobius Pip; The King Blues; Billy Bragg; Joe Strummer & The Mescaleros; The Clash; Peter Doherty; The Cribs; Arctic Monkeys; Babyshambles; T. Rex; The Mitchell Brothers; Badly Drawn Boy; Jesper Munk; Beck; The Specials; The Kinks; The Stone Roses; Sleaford Mods; Jake Bugg; The Jam; Breton; Razorlight; The Last Shadow Puppets; Madness; Miles Kane; Paul Weller; King Krule; The Libertines; The Rifles; The Crookes; The Streets; Rizzle Kicks; Kate Tempest
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