Karen O - Crush songs

Cult / Kobalt / Rough Trade
VÖ: 05.09.2014
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Leak mich doch
"Bitte lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt." Ein immer wieder ungern, aus Angst vor terroristischer Bedrohung im öffentlichen Raum allerdings häufig gehörter Satz. Dass man aber auch im privaten Bereich immer ein Auge auf seine Habseligkeiten haben sollte, erfuhr David Andrew Sitek vor acht Jahren am eigenen Leib. Bei einem Umzug ließ der Mastermind von TV On The Radio zwei Koffer in seiner alten Wohnung zurück – in einem davon befand sich ein Demo mit Heimaufnahmen von Karen O, das ihm die Yeah-Yeah-Yeahs-Sängerin einmal geschenkt hatte. Als die CD-R dann einem Fan in die Hände fiel und der die Songs ins Internet stellte, war das Geschrei groß – vornehmlich von Seiten Siteks, worauf sich der unbedarfte Übeltäter nachträglich kleinlaut entschuldigte. Auch Sitek ruderte bald zurück, die Sache war ausgestanden. Fast.
Denn die Songsammlung namens "KO at home" wirft ihren Schatten bis hin zum ersten Soloalbum der Frontfrau, die mit vollem Namen Karen Lee Orzolek heißt. Einerseits dürfte der Leak dafür verantwortlich sein, dass ihr Debüt von der Plattenfirma bis zuletzt ähnlich geheimgehalten wurde wie das Coca-Cola-Rezept, andererseits verweisen die 15 Stücke deutlich auf den spartanischen Charakter von "KO at home" – nur dass "Crush songs" eine noch radikalere Lo-Fi-Ästhetik bemüht als die fragilen Folk-Miniaturen aus dem Jahre 2006. Und selbst die wurden lediglich von Akustikgitarre, Schellenkranz und gelegentlichem Getröte zusammengehalten. Strokes-Sänger Julian Casablancas ist als Labelmacher jedenfalls "freudig erregt und stolz, das Glück zu haben, an einem solchen Klassiker beteiligt zu sein". Ganz Unrecht hat er nicht.
Zwar ist selbst Orzoleks verspielte "Where the wild things are"-Filmmusik gegen das analoge Rauschen und die nicht vorhandene Produktion von "Crush songs" pure Soundvöllerei. Doch hat man sich an die Zurückgenommenheit gewöhnt, entfaltet dieses Album einen knöchernen Charme und macht mitunter großen Spaß. Auch wenn sich dieser für die Künstlerin selbst oft in engen Grenzen hält: Das Verknalltsein im Titel erweist sich wie auf dem Vorabtrack "Rapt" stets als schmerzvolles Vergnügen, das sie mit einem lapidaren "Love's a fucking bitch" kommentiert. Schon besser gelaunt: das 94-sekündige Geklimper "King", das dem verstorbenen Michael Jackson die Ehre erweist – verbunden mit Orzoleks Wunsch, sich nicht allzu bald zu ihm gesellen zu müssen. Und am Ende kann sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Letztlich jedoch bleibt "Crush songs" in nicht einmal einer halben Stunde so flüchtig wie die Liebe selbst: Das Doppel "Comes the night" und "NYC baby" etwa schafft es zusammen nur mühsam über die 120-Sekunden-Grenze, und dass es sich bei "Indian summer" um eine The-Doors-Coverversion handelt, fällt fast gar nicht auf. "Visits" und "Native Korean rock" hingegen erinnern sich wohlig der Zeit, als Young Marble Giants eine rudimentäre Beatbox und sparsames Fingerpicking für gute Songs reichten. Und wenn Orzolek bei "Body" ihre Stimme mit einem Staubsaugereffekt belegt und "Singalong" eine treffend benannte Ballade auftischt, haben wir es schon mit den elaborierteren Stücken eines Albums zu tun, das sich allen großen Gefühlen zum Trotz ironischerweise wie ein durch vorsintflutliche Bandmaschinen gejagter Internet-Leak anfühlt. Aber immerhin wie einer, der keinen Ärger macht.
Highlights
- Rapt
- Visits
- Body
- King
- Native Korean rock
Tracklist
- Ooo
- Rapt
- Visits
- Beast
- Comes the night
- NYC baby
- Other side
- So far
- Day go by
- Body
- King
- Indian summer
- Sunset sun
- Native Korean rock
- Singalong
Gesamtspielzeit: 25:44 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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hallogallo Postings: 197 Registriert seit 03.09.2018 |
2019-03-18 19:06:51 Uhr
Zu dem Neuen: Teilweise ist es mir ein wenig zu gefällig, aber insgesamt ein prima (hahaha) Album.Die Produktion ist typisch Danger Mouse, an einer Stelle erinnerte es mich sogar an Massive Attack. |
Prima Lux |
2019-03-17 21:32:40 Uhr
Alleine die Streicherelegie mit dem so voluminösen, viel zu dick aufgetragen schmalzigen Chor in „Drown“ ist wunderbar. |
Perlchen |
2019-03-17 12:44:03 Uhr
Neues Album: Lux prima Ministry, cooler Song: https://youtu.be/-n-VKaTMmkU |
realDonaldTrump Postings: 569 Registriert seit 30.01.2017 |
2017-06-22 09:28:06 Uhr
The Dems want to stop tax cuts, good healthcare and Border Security.Their ObamaCare is dead with 100% increases in P's. Vote now for Karen H |
humbert humbert Postings: 2472 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-11-09 20:34:08 Uhr
Schade, dass das Album hier so untergegangen ist. Höre ich doch immer noch sehr gerne.Hier kann man sich eine Liveversion von meinem Albumfavoriten Body anhören. Auf dem Kanal gibt es noch mehr Lieder von der Session. |
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Referenzen
Yeah Yeah Yeahs; Emily Haines & The Soft Skeleton; Kimya Dawson; Beth Gibbons & Rustin Man; Natalie Merchant; Michelle Shocked; Neko Case; Willis Earl Beal; Feist; Cat Power; PJ Harvey; Tara Jane O'Neil; Christina Vantzou; Carla Bozulich; Sonic Youth; The Velvet Underground; Nico; Sandy Denny; Fairport Convention; Fotheringay; Martha Wainwright; Karen Elson; Holly Miranda; Lia Ices; Wye Oak; Young Marble Giants; Glass Candy & The Shattered Theater; She & Him; Pete Yorn & Scarlett Johansson; Emily Wells; Amy Millan; Nina Nastasia; Regina Spektor; Bat For Lashes; Lykke Li; Goldfrapp; Nadine Shah; Imogen Heap; EMA; Julianna Barwick; Waxahatchee; Laura Veirs; Marissa Nadler; Sharon Van Etten; She Keeps Bees; Shannon Wright; Mirel Wagner; Angel Olsen; Bosnian Rainbows; Christine And The Queens; Celebration; Big Deal; Garbage; The Kills; Deap Vally; Metric; Howling Bells; Scanners; Noisettes; Pretty Girls Make Graves; Love Of Diagrams; You Say Party!; The Pack A. D.; Too Tangled; The Duke Spirit; David Lynch
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