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Mutter - Text und Musik

Mutter- Text und Musik

Clouds Hill / Rough Trade
VÖ: 12.09.2014

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Reindeutig

Mutter ist eine der wenigen Gruppen in diesem Land, die dessen Befindlichkeiten vollkommen wertfrei festzustellen vermag – seit annähernd 30 Jahren, auf dem nunmehr zwölften Album. "Text und Musik" strotzt indes vor klanglicher Milde und entfacht vermutlich sämtlichen in den Hintergrund gerückten Lärm erst auf offener Bühne. Als jedermanns Liebling taugt es trotzdem nicht. Dafür singt Max Müller immer noch zu vorbehaltlos ungelenk, dagegen sprechen seine grundehrlichen Texte: "Am Abend gehen wir aus und sehen die anderen wie uns selbst." Was natürlich niemand hören will.

Das unzureichende Bild, das sich demnach ein jeder von der Welt und von den Menschen macht, kann aber nur sein eigenes bleiben, der Spiegel seines Inneren, seiner Unzulänglichkeiten. Was ich bei anderen nicht ertrage, hat vor allem mit mir selbst zu tun, weil ich es mir vielleicht nicht eingestehen möchte oder kann. Erkenntnisse, die in dem nivellierenden Gruppenzwangsgewitter vergehen, dem wir uns als Gesellschaft unterworfen haben. Stattdessen treten bizarr sinnfreie Aktionen wie Eiswasser-Duschen als virulenter Ablasshandel zu Tage oder es werden schlimmstenfalls die üblichen Sündenböcke durchs Dorf getrieben. Nur dass Mutter diese Dinge eben nicht partout ändern, sondern vielmehr die Wahrnehmung ihrer Zuhörer dafür schärfen wollen, auf dass sie solcherlei Zusammenhänge überhaupt erkennen und die für sich richtigen Schlüsse aus ihnen ziehen können. Mündigkeit als echte Alternative, nicht bloß als trügerische Pose.

Trotz mehrerer Umstellungen im Bandgefüge sind die Berliner ihrem grundsätzlichen Klangspektrum treu geblieben, bieten Diskurs-Rock mit sachten Noise-Unterfütterungen und manch alterspunkigem Dorn im Ohr. Allein die musikalischen Aszendenten haben über die Jahre ihre Positionen getauscht, weg vom Krach früher Sonic Youth sowie dem Zuviel an elektronischen Sperenzchen, hin zum organischen Pop der neueren Blumfeld und wieder zurück. Das Ergebnis klingt verführerischer, aber deshalb keinen Deut weniger irritierend. So erinnert "Ihr kleines Herz" an eine Indierock-Miniatur der Sterne, inklusive prägnantem Funk-Gitarrenlick. Letzteres mag dem betörenden "So viel Platz" wiederum fehlen, aber die eingeschlagene Nähe zu Frank Spilkers Liedern wird zunächst beibehalten, um im Finale "Ich will nicht mehr als das" dann unter der Devise "Selbstbeschränkung aus" noch einmal in eine doomige Post-Punk-Starre zu verfallen, als sei vorher nichts gewesen.

Dabei bedient sich "Text und Musik" auch sonst einer Vielzahl von Einflüssen zwischen geläuterten Schweisser und der Eindringlichkeit eines Rio Reiser, sei es nun bewusst oder eher zufällig. "Qui?" überrascht gar als siebenminütiges Versprechen einer Kante-Meditation, die auf einen imaginären Höhepunkt zustrebt, ihn aber nie erreicht, weil keiner weiß, wer bei diesem herrlichen Stück Frühlingserwachen überhaupt singen soll. Dennoch hallt es als einziges Instrumental gewaltig nach, mit seinen akustischen Gitarrentupfern und einer Querflöten-Begleitung wie zu uralten Kraftwerk-Zeiten: scheinbar sinnlos, weil ohne echte Dramaturgie, aber zugleich voller aufmunterndem Trost. Eben diese Dualität ist es schließlich, die Mutter ausmacht. Hier werden Makel und Fehler nicht einfach ausgesperrt, sondern als Teile des Ganzen begriffen, die man für sich akzeptieren und annehmen muss, will man zum Kern aller Antworten vordringen. Wobei es sicherlich förderlich wäre, überhaupt erst einmal die richtigen Fragen stellen zu können. Wer Mutter häufiger zuhört, kann ein eigenes Gespür dafür entwickeln. Die reine Lehre der vielschichtigen Eindeutigkeit, sozusagen. Meine Hochachtung, Dozent Müller.

(Andreas Knöß)

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Highlights

  • Wer hat schon Lust so zu leben
  • Qui?
  • Ihr kleines Herz

Tracklist

  1. Früher oder später
  2. Wer hat schon Lust so zu leben
  3. Qui?
  4. Am Abend
  5. Land der freien Waffen
  6. Fehler
  7. Ihr kleines Herz
  8. So viel Platz
  9. Ich will nicht mehr als das

Gesamtspielzeit: 42:24 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Hansi
2014-09-20 23:56:46 Uhr
So viel Dummheit beim Gespräch über eine so umdumme Band? Schande über alle, die hier so wenig Respekt zeigen!
J. Wigger
2014-09-10 11:50:55 Uhr
Platte des Jahres, ihr Maden!
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2014-09-07 17:32:07 Uhr
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2014-09-06 14:26:41 Uhr
Max Goldt hat ein Sohn?
krasser Punk
2014-09-06 13:27:01 Uhr
Vorbildlich!
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