In Flames - Siren charms

Epic / Sony
VÖ: 05.09.2014
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Haken dran
Die Metal-Szene gilt gemeinhin als tolerant und offen. Zumindest, so lange die stilistische Ausrichtung der Lieblingsbands unangetastet bleibt. Wenn nun also die bevorzugte Combo, die man im Zweifel natürlich schon aus Demo-Zeiten kennt, die Unverschämtheit begeht, sich vom rumpeligen Kellersound zu ambitionierteren Klängen zu entwickeln, kann der Metaller böse werden. Sehr böse. Ein wunderbares Beispiel für das "Früher war alles besser"-Syndrom sind In Flames. Irgendwann beschlossen die Schweden, dass der klassische Melodic Death von Alben wie "The jester race" für sie ausgereizt ist. Und seither wird im Grunde genommen jede neue Veröffentlichung von Kommentaren wie "kommerziell!", "angepasst!", "Das ist kein Metal!" oder eben "Früher waren die halt besser!" begleitet. Und jetzt, im Vorfeld von "Siren charms", tauchten auch noch Fotos auf, die Frontmann Anders Fridén mit Kurzhaarfrisur zeigen. Kurzhaarfrisur?! In den Achtzigern war das gar ein Grund für vollständigen, endgültigen Liebesentzug.
Für den konservativen Fan ist also Skepsis angebracht, was "Siren charms" angeht, während der objektivere Beobachter gespannt ist, ob die Schweden den Weg, der 2011 auf "Sounds of a playground fading" eingeschlagen wurde, noch konsequenter fortsetzen. Was nämlich hieße: Noch eingängiger, noch mehr Fokus auf Fridéns Klargesang statt rüpelnder Death-Growls. Und richtig: "In plain view" beginnt mit einem feisten Riff und arbeitet ansonsten intensiv mit Dynamikwechseln zwischen bedächtiger Strophe und explodierendem Refrain. Ruft hier jemand "Nu Metal"? Klar, nicht wenige Bands dieses Genres nennen In Flames als Inspirationsquelle – und so deutlich wurde selten klar, warum das so ist. Ein gelungener Auftakt, dessen Eindruck durch den rasenden Beginn von "Everything is gone" noch verstärkt wird. Die deutlichste Blaupause für die Modernisierung des Sounds ist allerdings "Paralyzed" – gespickt mit elektronischen Spielereien, fetten Riffs und hübschem Spannungsbogen zum Refrain. Danach allerdings wird die Toleranz der Fans auf eine harte Probe gestellt. "Through oblivion" wirkt trotz düsterem Beginn zahnlos, und die Bon-Jovi-Hook, die "With eyes wide open" unterfüttert, sorgt auch eher für Erschrecken denn für wohlige Gänsehaut. Besser klappt das Zusammenspiel zwischen Melodie und Ausrast-Potenzial beim Titeltrack und beim darauf folgenden "When the world explodes", auch wenn der Bruch durch den weiblichen Gesangspart im Mittelteil grenzwertig ist.
Bei aller Qualität, die In Flames ohne Zweifel vorweisen können und auch hier oft genug unter Beweis stellen: "Siren charms" dürfte in der Diskographie der Schweden das Album mit dem höchsten Diskussionsbedarf sein. Das liegt nicht zwingend an der sperrigen Vorab-Single "Rusted nail", die für teils entsetzte Reaktionen gesorgt hat, die jedoch jede Menge Experimentierfreude aufweisen kann. Nein, das Kernproblem dieses Albums ist schlicht, dass die teilweise bärenstark aufgebauten Spannungsbögen zu oft keine Erfüllung finden – man möchte ausrasten, aber der Song lässt es nicht zu. Und plötzlich drängen sich Parallelen zu einer anderen Band auf, die als Death-Metal-Truppe gestartet ist, um in einer Alternative-Rock-Phase viel Reputation zu verlieren. Die Rede ist von Paradise Lost. Im Unterschied zu den Briten ist dies jedoch keine Orientierungslosigkeit, sondern der erklärte Wille von Bandchef Anders Fridén. Das mag man akzeptieren oder nicht. Dass die Schweden ihr Handwerk verstehen, zeigen Kracher wie "Monsters in the ballroom" überdeutlich. Der Mittelteil der Platte jedoch verweigert sich dem Festkrallen im Ohr. Und dieses ständige Einsteuen von Hooks um der Hook Willen birgt tatsächlich die Gefahr der Nickelbackisierung von In Flames. Das möge der Metal-Gott tunlichst verhüten!
Highlights
- Everything is gone
- Paralyzed
Tracklist
- In plain view
- Everything is gone
- Paralyzed
- Through oblivion
- With eyes wide open
- Siren charms
- When the world explodes
- Rusted nail
- Dead eyes
- Monsters in the ballroom
- Filtered truth
Gesamtspielzeit: 45:05 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Doc |
2014-09-12 09:25:15 Uhr
Da muss ich allen Kommentaren leider zustimmen und frage mich echt, was das sein soll das ich da gerade gehört hab. Und Kritiker überschlagen sich ja fast mit Lobeshymnen auf diese musikalische Entwicklung... Neuer Stil und Weiterentwicklung? - Jedem sein Ding, aber bitte nicht unter diesem Namen. Für mich als Fan der ersten Stunde jetzt leider definitiv der Abschluss mit dieser Band |
hubschrauberpilot Postings: 6755 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-08-29 21:59:17 Uhr
oh man, was habe ich in flames früher geliebt, aber schon bei reroute to remain nahm das unheil seinen lauf. ich habe nichts gegen eine neudefinition des eigenen sounds oder eine "weiterentwicklung" hin in richtung pop, aber bei in flames verlief es leider zum negativen hin. die musik wurde belanglos. |
Who's your daddy? |
2014-08-28 14:41:17 Uhr
Jup, hört sich scheiße an. Vielleicht wird die Neue von Emergency Gate besser. |
Ich bin nur ein Postings: 20 Registriert seit 02.03.2014 |
2014-08-28 14:11:04 Uhr
Und im Falle von In Flames stimmt es sogar wirklich |
Ich bin nur ein Postings: 20 Registriert seit 02.03.2014 |
2014-08-28 14:09:50 Uhr
Früher war alles besser! |
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Referenzen
Soilwork; Dark Tranquillity; Trivium; Sonic Syndicate; Killswitch Engage; Raunchy; As I Lay Dying; Arch Enemy; At The Gates; Caliban; Children Of Bodom; Insomnium; Darkest Hour; Entombed; Hell Within; Opeth; Shadows Fall; Fear Factory; God Forbid; Lamb Of God; Heaven Shall Burn; Chimaira; Probot; The Haunted; Bleeding Through; The Great Deceiver; Atreyu; Diecast; The Agony Scene; The Red Chord; The Black Dahlia Murder; Misery Signals; Machine Head; Pantera; Sepultura; Norma Jean; Unearth; Passenger; Meshuggah; Mastodon; Conducting From The Grave; Five Finger Death Punch
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