Steven Wilson - Cover version
Kscope / Edel
VÖ: 27.06.2014
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Mal eben so
Dass Steven Wilson ein Faible für introvertierte Soundspielereien hat, dürfte hinlänglich bekannt sein: Allemal beruht seine komplette musikalische Laufbahn auf ersten Gehversuchen durch Schraubereien am väterlichen Tonbandgerät, deren Ergebnisse er einer damals fiktiven Band zuschrieb. Ebenso bekannt ist, dass jede Menge dieser Studio-Spielereien und Klangexperimente ihren Weg auf Tonträger gefunden haben und über Wilsons eigenes Label in streng limitierter Form veröffentlicht wurden. So entstand von 2003 bis 2010 die Reihe "Cover version", in der insgesamt sechs Singles mit einer lediglich als "Cover version x" betitelten Neuinterpretation als A-Seite und einer Eigenkomposition als B-Seite veröffentlicht wurden. Der Mantel über diesen vordergründig durchaus abseitigen Coverversionen wurde natürlich durch Wilson selbst längst gelüftet, und so ist es letztlich nur konsequent, diese Sammlung einer kleineren Remastering-Politur zu unterziehen und gebündelt zu veröffentlichen.
Und in der Tat ist die Auswahl der Fremdkompositionen angesichts Wilsons musikalischer Sozialisierung im Artrock der Siebziger durchaus verblüffend. Weniger verblüffend allerdings, dass Wilson diese Songs einer geradezu radikalen Abmagerungskur unterzieht, sich teils nur auf der Akustikgitarre begleitend. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Während "Thank you" noch fragiler wirkt als das Original von Alanis Morissette, wird ABBAs "The day before you came" von jeglicher Süßlichkeit der damaligen Zeit befreit. Und zeigt dadurch umso intensiver, eindringlicher, zu welch großartigen Melodien Björn Ulvaeus und Benny Andersson imstande waren. So richtig brillant ist allerdings Wilsons Interpretation von "A forest" von The Cure. Nun ist die Idee, diesen Song zu covern, so neu nicht; Waltari bauten daraus auf "So fine!" 1994 eine tanzbare Metal-Disco-Nummer. Bei Steven Wilson hingegen bekommt der Song statt des fluffigen New-Wave-Beats eine abgrundtief finstere Note, die Robert Smith selbst wohl damals nicht für möglich gehalten hätte. "Sign o' the times" von Prince hingegen ist für Wilsons Verhältnisse erstaunlich dicht am Original, während "The guitar lesson" von Momus vor allem durch die vordergründig skandalösen Lyrics aufhorchen lässt.
Und die Eigenkompositionen? Zunächst einmal ist allen eines gemeinsam: Sie zeigen auf eindrucksvolle Art und Weise, wie sehr Wilson in den letzten zehn Jahren als Solokünstler gereift ist. Ist "Moment I lost", wohlgemerkt von 2003, noch sehr von Pink Floyd beeinflusst und trotzdem von Porcupine Tree von damals schon weit entfernt, zeigt das abschließende, 2010 entstandene "An end to end" schon verdammt viel der atmosphärischen Tiefe, die Wilson mit seinem letzten Album "The raven that refused to sing" in solch meisterhafter Perfektion bieten konnte. Eine Ausnahme bildet da höchstens "The unquiet grave", das streng genommen keine Eigenkomposition ist, sondern auf einem englischen Volkslied aus dem 15. Jahrhundert basiert. Doch Wilson vermeidet jegliches Folk-Geklimper und transportiert das Lied mit seiner unfassbaren Melancholie in die Neuzeit – und zwar so großartig, dass es mit Mikael Åkerfeldts Vocals locker in das gemeinsame Projekt Storm Corrosion gepasst hätte.
Es ist wohl tatsächlich so, dass Wilson derzeit alles gelingen will. Auch wenn die Songs auf "Cover version" im Laufe einer Dekade aufgenommen wurden, wirken Fremd- und Eigenkompositionen wie aus einem Guss. Und lassen doch erkennen, wie der Brite über die Jahre immer mutiger im Songwriting wurde, wie sehr ihn der ruppige Stil der damals noch existenten Porcupine Tree eingeengt haben muss – auch wenn man dies jenen Alben kaum anmerken mag. "Cover version" ist weit davon entfernt, ein Abzocke-Album mit Stücken aus der Resterampe zu sein. Im Gegenteil: Bedenkt man, dass laut Wilson ein Gutteil der Songs in irgendwelchen Hotelzimmern entstanden ist, ist dies erneut das Manifest eines der derzeit kreativsten und beeindruckendsten Künstlers des Genres.
Highlights
- A forest
- The unquiet grave
- Sign o' the times
- An end to end
Tracklist
- Thank you
- Moment I lost
- The day before you came
- Please come home
- A forest
- Four trees down
- The guitar lesson
- The unquiet grave
- Sign o' the times
- Well you're wrong
- Lord of the reedy river
- An end to end
Gesamtspielzeit: 55:14 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Luc |
2015-03-17 15:53:19 Uhr
Ich verstehe nicht, wie man über The Day Before You Came und Coverversionen reden kann und dabei um die Erwähnung von Blancmange herumkommt.Meiner Meinung nach eine der genialsten Coverversionen aller Zeiten. Und statt des unerträglichen ABBA-Zuckergusses (ich mochte ABBA ja wirklich, aber ihre Version war einfach nur unterirdisch) dermaßen voll mit Ironie und Sarkasmus, dass beides nahezu schon aus den Boxen tropft. Die Wilson-Version gefällt mir auch ganz gut, aber an Blancmange geht nunmal nix vorbei. |
Ian |
2014-08-08 12:25:38 Uhr
Als PT/SW-Fan finde ich die 8/10 (Meisterwerk?) deutlich zu hoch gegriffen. Die Coverversionen sind gelungen, sie sind nett, aber sie sind nichts, was man unbedingt braucht. 6 Punkte hätten es auch getan. |
nö |
2014-08-08 09:21:50 Uhr
99 prozent der aktuellen veröffnetlichungen sind nichts als kitsch, so auch diese. |
disire in a mire |
2014-08-08 04:14:55 Uhr
colle cd, kaufe ich aber nicht |
Desare Nezitic Postings: 5406 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-08-08 04:06:52 Uhr
Das Cover von "A Forest" stirbt ja geradezu vor Langeweile.Der Rest klampft auch nur so dösig vor sich hin... |
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Referenzen
King Crimson; Yes; Genesis; Emerson, Lake & Palmer; Steve Hackett; Blackfield; No-Man; Porcupine Tree; Storm Corrosion; Riverside; Lunatic Soul; Richard Barbieri; Gazpacho; Nosound; OSI; Chroma Key; Demians; Amplifier; Oceansize; It Bites; North Atlantic Oscillation; Paatos; Anathema; Sigur Rós; Archive; Aereogramme; Antimatter; Quidam; Gentle Giant; Van Der Graaf Generator
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