Mirel Wagner - When the cellar children see the light of day
Sub Pop / Cargo
VÖ: 15.08.2014
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
In der Dunkelheit des Tages
"Sub Pop. Muss reichen." Vier Worte im Beschreibungstext zu Mirel Wagner, mehr gab es nicht in der Rundmail, die der Chef einmal wöchentlich an alle Rezensenten verteilt. Es reichte. Obgleich "When the cellar children see the light of day" bereits das zweite Album der 26-Jährigen ist – ihr selbstbetiteltes Debüt erschien im Jahr 2011 –, ist sie nach wie vor ein Geheimtipp. Mit dem neuen Werk könnte sich das jedoch schneller ändern, als ihr womöglich lieb ist. Gut eine halbe Stunde braucht Wagner, um sich in die Herzen zu spielen; zehn Songs, die den Hörer so schnell nicht mehr loslassen. Wenn überhaupt.
Der ewige Kontrast, der sich in ihrer Musik unweigerlich widerspiegelt, prägte bereits früh ihr eigenes Leben: Eiseskälte gegen Herzenswärme, Besänftigung gegen Aufruhr, Liebe gegen Hass, Himmel gegen Hölle. Im heißen Äthiopien geboren, wurde sie mit eineinhalb Jahren adoptiert und wuchs daraufhin in Finnland auf, einem Land, das zumindest gefühlt kaum gegensätzlicher sein könnte. Vielleicht kommt aus diesen frühkindlichen Erfahrungen auch die Reife, die aus ihrer Stimme spricht. Die Abgeschiedenheit des Studios und daraus resultierende Isolation tun ihr Übriges; zwei Tage soll sie für die Aufnahmen gebraucht haben, und nicht mal Strom gab es in der Hütte, in der Wagner die Songs schrieb, so heißt es. Und man glaubt es. Dementsprechend finster, beinahe gotisch, klingt schon der Opener "1 2 3 4", der in etwas über zwei Minuten und nur mit einer Akustischen bewaffnet die Nackenhaare zum Aufstellen bewegt.
Doch auch hier geht es weiter, das Spiel mit dem Kontrast. Auch wenn sich ein Großteil der Songs anhört, als wäre Wagner der einsamste Mensch der Welt, der in seinem Leben nichts als Kummer erlebt hat, wuchs sie eigentlich behütet auf und durchforstete bereits früh die Plattenläden und Bibliotheken der Region, nicht selten mit der Gitarre ihres Bruders im Gepäck. Stellenweise schimmert sie durch, diese Melancholie der Vergangenheit, in "Dreamt of a wave" etwa, in welchem Wagner beinahe tranceartig über die minimalistischste aller Melodien singt. Oder im gespenstischen "Oak tree", nach welchem man trotz der Aufforderung "Dream, dream, dream / Sweet dreams" kein Auge zukriegt vor lauter Nervenflattern und Herzklopfen. Brauchte sie auf ihrem Debüt noch offen provokative Themen wie Nekrophilie, um für verzerrte, wirre Bilder im Kopf zu sorgen, schaffen die Songs auf "When the cellar children see the light of day" das auch ohne Probleme durch die durch sie entstandene Atmosphäre.
Erinnert Wagner sonst eher an andere, ähnlich düstere Gestalten, ist es in "In my father's house" tatsächlich eine gewisse Karen O, an die man denken muss während der Zeilen "We play our part / We know it by heart / The pictures on the wall / Never look into your eyes." In der Zwischenzeit baut sich eine beklemmende, ungemütliche Mauer auf, die schier unüberwindbar scheint, aber vom verzweifelten "What love looks like" wieder eingerissen wird. Bleischwer werden die Beine hier, tiefschwarz das Gemüt, das abschließende Wiegenlied "Goodnight" ist auch keine Erlösung, lässt aber zumindest kurz aufatmen. Bis man sich vor Augen führt, dass sie ja erst ganz am Anfang einer vermeintlich langen Karriere ist, diese Mirel Wagner. Und schon stehen die Nackenhaare wieder angesichts dieser Ehrfurcht – und der Vorfreude.
Highlights
- 1 2 3 4
- Oak tree
- In my father's house
- Goodnight
Tracklist
- 1 2 3 4
- The dirt
- Ellipsis
- Oak tree
- In my father's house
- Dreamt of a wave
- The devil's tongue
- What love looks like
- Taller than tall trees
- Goodnight
Gesamtspielzeit: 31:03 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Randwer Postings: 3295 Registriert seit 14.05.2014 |
2014-08-19 14:47:09 Uhr
Das Album gefällt mir sehr gut. Im Moment ist es neben EMAs "The Future's Void" und Diane Clucks "Boneset" das Highlight 2014. |
rgjj |
2014-07-30 20:06:02 Uhr
hab ich noch gar nicht gekannt. hab mir jetzt das debut angehört, sehr schön das! bin gespannt auf die neue |
wtf-liebeleit? |
2014-07-26 18:19:44 Uhr
Allerhöchstens Durchschnitt. 5/10 |
Pepe Postings: 444 Registriert seit 14.06.2013 |
2014-07-26 13:48:42 Uhr
Das erste Album war wirklich ein großer Wurf: habe selten erlebt, dass jemand nur mit Akustikgitarre so intensive Musik hervorzaubern kann. Das war mindestens eine 8/10 und das Album ist 2011 noch in die Top5 meiner Jahrescharts reingerutscht. Schade, dass es hier so untergegangen ist.Ich bin wirklich gespannt auf das neue Album. Persönlich kann ich mir kaum vorstellen, dass mich das nochmal genauso packen kann wie damals, aber wahrscheinlich ist das für mich auch gut so, wenn ich nicht mit allzu hohen Erwartungen dran gehen werde. |
Randwer Postings: 3295 Registriert seit 14.05.2014 |
2014-07-26 10:11:36 Uhr
Endlich mal ein Album der Woche, welches ich vollends begrüße.:)Auch wenn es ja noch 3 Wochen dauert bis es erscheint. Gleichzeitig erscheint übrigens das gemeinsame Werk der Norwegerinnen Jenny Hval und Susanna (Wallumrød) "Meshes of Voice" |
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Referenzen
Marissa Nadler; Jolie Holland; Angel Olsen; Emily Jane White; Tara Jane O’Neil; Neko Case; Sandy Denny; Meg Baird; The Baird Sisters; Vashti Bunyan; Joni Mitchell; Nico; Joanna Newsom; Emiliana Torrini; Isobel Campbell; Beth Gibbons & Rustin Man; Kate Bush; Natalie Merchant; Emily Wells; Shannon Wright; Rose Kemp; Laura Veirs; Martha Wainwright; Sharon Van Etten; Waxahatchee; Jessica Lea Mayfield; Jessica Pratt; Julia Holter; Julianna Barwick; Mazzy Star; PJ Harvey; Karen O; Feist; Tori Amos; Willis Earl Beal; Nick Cave; Jackson Scott; Leonard Cohen; Fionn Regan; Alasdair Roberts
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