Eno / Hyde - High life

Warp / Rough Trade
VÖ: 27.06.2014
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Wiederholungstäter
Schon wieder Eno / Hyde? Haben die nicht erst im Mai 2014 ihr Debütalbum "Someday world" veröffentlicht? Haben sie. Und Brian Eno und Karl Hyde hatten wohl so viel Spaß am gemeinsamen Musizieren, dass sie gleich im Studio geblieben sind. Das Ergebnis jener Überstunden hört auf den Namen "High life" und führt den Sound der Briten konsequent weiter. Während "Someday world“ allerdings eher songorientiert und auf Eingängigkeit getrimmt daherkam, ist "High life" experimenteller, ausschweifender und radikaler geraten. Vier der sechs Tracks sind länger als sieben Minuten, "Return" und "Lilac" knacken sogar die Neun-Minuten-Marke. Stücke mit simplem Strophe-Refrain-Schema sucht man vergebens. Mangelnder Mut kann den Herren also schon einmal nicht vorgeworfen werden, hätten sie doch auch auf Nummer sicher gehen können
Die auf dem Debüt unter der elektropoppigen Oberfläche versteckten Afrobeat- und Krautrock-Einflüsse stehen nun im Vordergrund. Bereits der nur um zwei offene Akkorde kreisende Opener "Return" geht diesbezüglich in die Vollen. Minutenlang schrammelt sich eine twangende E-Gitarre in einen wahren Rausch, während ringsum pompöses Spurenschichten betrieben wird. Auch der zweite Track "DBF" begnügt sich mit einer simplen melodischen Idee und stellt sich ganz in den Dienst der Polyrhythmik. Zwar sind die ganzen Schlenker und Stotterer, die Eno und Hyde ihren Instrumenten entlocken, durchaus gewitzt, wirklich mitreißen können sie jedoch nicht. Womit auch das große Problem von "High life" genannt wäre: Beinahe jedes Stück beginnt verheißungsvoll, verliert sich jedoch ziemlich schnell in repetitiven Dauerschleifen, denen ein paar Zurechtstutzungen nicht geschadet hätten. Dies wird besonders in dem an sich sehr lässigen "Time to waste it" offenbar: So nett der synkopierte Groove anfangs klingt, so fad wird er auch nach fünf Minuten. Daran können auch die gegen Ende einsetzenden Hintergrundchöre wenig ändern.
Dabei zeigt der stärkste Track "Lilac", dass eine einfache Grundidee durchaus auch über neun Minuten tragfähig sein kann. Das von Brian Eno gesungene Lied erinnert in Aufbau und Dynamik stark an das wunderhübsche "Who rings the bell" des Vorgängeralbums, geht jedoch in Sachen Opulenz noch einen Schritt weiter. Nach einigen Wiederholungen der einprägsamen Strophe entspinnt sich eine wilde Frickelorgie, die genau dann, als sie zu nerven beginnt, in einen herrlichen finalen Part mündet. Richtig wüst kommt dagegen "Moulded life" daher. Zu einem stolpernden Beat, der Erinnerungen an Bowies "Earthling"-Tage weckt, duellieren sich ein verzerrter Bass und eine kreischende Gitarre um die Vorherrschaft, ehe der Track mittels Endlosloop stilvoll an die Wand gefahren wird. Das ist anstrengend, aber im Gegensatz zu den etwas ziellos vorbeipluckernden Longtracks auch ziemlich aufregend.
Und dann ist es auch schon vorbei. "Cells & bells" trägt deutlich die Handschrift des Ambient-Meisters Eno. Nur wenige Klaviertupfer und einige filigran eingewobene Sphärenklänge genügen, um aus einer dahingehauchten Nichtigkeit einen würdigen Abschluss zu kreieren. Zurück bleibt dennoch eine gewisse Ernüchterung. "High life" enthält sechs Stücke - und fast jedes von ihnen will in eine andere Richtung. Dass dies dem Album nicht gut bekommt, scheint naheliegend. Dennoch flackert in manchen Momenten jene Grandezza auf, die schon "Someday world" zu einem besonderen Werk gemacht hatte. Diese Augenblicke sind jedoch ein wenig zu selten, als dass sie über die klaffenden Lücken, die im Songwriting auszumachen sind, hinwegtäuschen können. Nachvollziehbar wird "High life" am ehesten, wenn man sich die Herangehensweise der beiden Protagonisten als "work in progress" vergegenwärtigt. Endgültigkeit war sicherlich noch nie Brian Enos Stärke. Überraschungen sind also weiterhin möglich.
Highlights
- Return
- Lilac
- Cells & bells
Tracklist
- Return
- DBF
- Time to waste it
- Lilac
- Moulded life
- Cells & bells
Gesamtspielzeit: 43:31 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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PITCHIE, PITCHIE, PITCHFORK! |
2015-12-26 16:17:53 Uhr
PITCHIE, PITCHIE, PITCHFORK! |
Watchful_Eye User Postings: 2965 Registriert seit 13.06.2013 |
2015-12-25 20:23:57 Uhr
Ich hoffe zwar nicht, dass es daran liegt, aber "High Life" war BNM bei Pitchie, während "Someday World" eine ziemlich mittelmäßige Rezension bekommen hat. Könnte mir vorstellen, dass das auch einen gewissen Unterschied macht, auch wenn es das eigentlich nicht sollte. :x |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34412 Registriert seit 07.06.2013 |
2015-12-24 09:48:58 Uhr
Das war auch mein Gedanke. |
Demon Cleaner User und Moderator Postings: 5646 Registriert seit 15.05.2013 |
2015-12-23 22:51:57 Uhr
Finde ich auch interessant. "Someday World" eigentlich deutlich zugänglicher. Aber vielleicht ist "High Life" eher was für die Eno-Fangemeinde. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34412 Registriert seit 07.06.2013 |
2015-12-23 16:48:26 Uhr
Ist ja bei RYM deutlich über "Someday world". 3.05 vs. 3.32. |
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Referenzen
Brian Eno; Roxy Music; Karl Hyde; Underworld; David Bowie; The Bhundu Boys; Radiohead; Atoms For Peace; Blur; Fela Kuti; Femi Kuti; Seun Kuti; Tony Allen; Cymande; Osibisa; Sonny Okosun; Wizkid; Bola Abimbola; The Dublin Afrobeat Ensemble; Harold Budd; Neu!; John Cale; Massive Attack; Tricky; Philip Glass; Kraftwerk; Aphex Twin; Tim Hecker; Faust; Tangerine Dream; John Cage; Robert Fripp; David Byrne; Talking Heads; Laraaji; Autechre; Steve Reich; Peter Gabriel; XTC; Mike Oldfield; Wire; Boards Of Canada; New Order; Tortoise; King Crimson; Beacon; Digits; Can; Manu Dibango; Dele Sosimi; Kola Ogunkoya; Coldplay
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