Ulli Bomans - Riven

Shitkatapult / Indigo
VÖ: 27.06.2014
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Bilder einer Ausstellung
Modest Mussorgskis klassisches Werk "Bilder einer Ausstellung" deutete bereits im 19. Jahrhundert reale Kunstwerke in Musik um und machte die gemalten Stücke so auf eine andere, völlig neue Art erfahrbar. Vielleicht ist der russische Komponist damit Ziehvater der multimedialen Veranstaltungen, die heute verschiedendste Ausdrucksformen wie Malerei, Druck und Klang in erlebbaren Kunsträumen als Installationen nicht nur nebeneinander darstellen, sondern auch zusammenführen. Ulli Bomans, auch als Schieres und als ein Teil von Shrubbn! bekannt, defragmentiert mit "Riven" einen solchen, eigens geschaffenen, Komplex.
Denn "Riven" ist Begleiter und Soundtrack der Werkschau "Rivenway", die Bomans gemeinsam mit Malte Biehler derzeit in Hamburg präsentiert. Die Ausstellung funktioniert als Collage und setzt sich aus Fotofragmenten New Yorker Hauswände zusammen. Was andere überkleben und übersprühen, verdichtet Bomans zur Veranschaulichung von urbanem Wandel, der Gleichzeitigkeit von Verfall und Fortschritt. Die minimalistischen, elektronischen Soundlandschaften auf "Riven" arbeiten dagegen mit deutlich weniger Schichten und Überzügen, ergänzen bedacht düster-tanzbare Dynamiken, ohne zu überfrachten.
"Riven" wird dabei von einer städtischen, dystopischen Stimmung samt passiver, wenig greifbarer Bedrohlichkeit beherrscht. Empfindungen, die sonst beispielsweise rare Fotografien von den ansonsten abgeriegelten Hochhäuserzeilen Pjöngjangs auslösen. Der Schlagzeugbeat auf "Barbara" versetzt dem Track ständig Hiebe aus dem Hinterhalt und verkörpert eine Tortur, die sich auch in einem Folterkeller abspielen könnte. "$55" wird durch ein überwachendes Rotorenkreisen eingerahmt. Der zugehörige Helikopter überfliegt verlassene Industriebezirke, die Bomans' nomadischen Geräusch- und Beatkombinationen genügend Raum zum Weiterziehen bescheren.
Menschliches oder Organisches scheint in der auf "Riven" gezeichneten Welt keinen Platz zu haben. Selbst in "Dirty yoga", welches definitiv expliziter ist, als der Titel es zunächst nur andeuten möchte, stöhnt in seinen Schaltkreisen eher bionisch als fleischlich. In jedem Falle bleibt dieses Stöhnen die einzige vokale Lautäußerung des Albums. Die futuristische Erotik, das scheinbare Berühren im Halbdunkel, funktioniert gleichwohl erstaunlich lebhaft. "Missing ships", spult sich auf, beschwört ein verzerrtes Testbild und ist gleichzeitig Titel des Druckes, welcher das Cover ziert und ebenfalls Teil der eingangs besprochenen Ausstellung ist. "Spoilpark" lässt gedachte Stroboskope flackern, und "On Mars" schafft endgültig, durchaus extraterrestrische, Clubatmosphäre. Im Gegensatz zum durchaus klangfarbenvollen "Bilder einer Ausstellung" Mussorgskis, versieht Bomans seine städtische Hyperrealität trotzdem vor allem mit lichtlosen Betonwänden. Von grau in grau kann trotzdem keine Rede sein, denn "Riven" funktioniert als Einzelaspekt tadellos und erzeugt bereits ohne Ergänzungen der angeschlossenen, bildenden Kunst, genügend Fläche für eigene Projektionen.
Highlights
- Barbara
- Dirty yoga
- On Mars
Tracklist
- So what?
- Missing ships
- Barbara
- $55
- Curb your ego
- Dirty yoga
- Spoilpark
- On Mars
Gesamtspielzeit: 38:15 min.
Referenzen
Schieres; Subsonance; Shrubbn!!; T.Raumschmiere; Kyborg; The Exaltics; Dead Sound; Daniel Meteo; Cristian Vogel; Fenin; Autechre; Gescom; Peter Grummrich; Anders Ilar; Frank Bretschneider; Rechenzentrum; Oval; Tom Thiel; Phono.o; Rude 66; MonoInput; Dez Williams; Dark Vektor; Notic Nastic; Magnum 38; Trentemøller; Nicolas Jaar; Click Click; Sami Koivikko; Der Tante Renate; Rampue; Bodi Bill; Jon Hopkins; Glitterbug; Judith Juillerat; Modeselektor; Moderat; Apparat; Pantha Du Prince; Darkside; Burial