Bright Eyes - Lifted or the story is in the soil, keep your ear to the ground

Saddle Creek / Wichita / EFA
VÖ: 12.08.2002
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Neben der Spur
Conor Oberst ist nicht bloß irgendein Verrückter, der Mann liefert die ganze Palette. Paranoia. Größenwahn. Und Schizophrenie natürlich. Gehört sich schließlich so, wenn man zu Hause keine einzige Tasse mehr im Schrank stehen hat. Nun, so scheint es, hat wieder mal der Entfesslungskünstler in Conor Oberst das Kommando übernommen. Anders jedenfalls läßt es sich nicht erklären, daß er momentan nicht mit Schnuller im Mund und Zwangsjacke am Leib in einer gemütlichen Gummizelle weilt, sondern gerade mal fünf Monate nach seinem letzten dramatischen Anfall, schon wieder auf die Menschheit losgehen kann, um ausschließlich eines zu tun: jammern.
Waren Oberst und seine Desaparecidos noch ein wildgewordenes Irrenhaus-Orchester, daß aus verstimmten Krachmachern und ein paar lockeren Schrauben einen explosiven Molotowcocktail zusammenbraute, verzichten die Bright Eyes fast gänzlich auf die Kraft der E-Gitarre. Was freilich bleibt, ist der kräftige Knick in der Logik. "My compass spins. The wilderness remains." Verbeulte Blechbläser treffen giftige Geigen treffen Gitarren, die das Metronom nicht mal vom Hörensagen kennen. Und über allem diese Stimme. Verheulter als der schlimmste Schoßhund, zerbrechlicher als das billigste Ikea-Regal.
Bereits das eröffnende "The big picture" führt alle gängigen Regeln zeitgenössischer Musik ad absurdum. Eine Frau fährt Auto, hört Radio und trifft auf jenes große Bild. Sie findet gefallen und beginnt zaghaft mitzusummen, das Auto brummt derweil im Hintergrund. Oberst wäre aber nicht Oberst, würde er es sich nicht auch mit dieser Frau verscherzen. Mehr und mehr steigert sein Gesang sich in ein unerträgliches Gekreische und als er dann völlig am Rad dreht, tut es die Frau ihm gleich und wechselt den Sender. Das ist einerseits natürlich schwer krank, bringt Conors Seelenlage aber andererseits auch treffender auf den Punkt, als es ihm mit Worten wohl je gelingen würde.
So ist "Lifted or the story is in the soil, keep your ear to the ground" also ein vortreffliches Fest für Psychologen. Otto Normal ertappt sich hingegen das ein oder andere Mal beim verdutzten Kopfkratzen. Sicher sind schräge Country-Schunkler wie "Make war" oder das sinfonisch verschleppte "False advertising" brillant, aber muß der wirklich soviel heulen? Und kann der nicht mal eine Melodie zu Ende bringen? Kann er nicht. Natürlich nicht. Wer die Bright Eyes hören will, muß sich darüber im klaren sein, daß Conor Oberst ein Jammerlappen oberster Kajüte ist und daher ein dickes Trommelfell mitbringen. Mit ausreichend Hornhaut auf dem Hörorgan ist es dann auch gar nicht mehr so schwer, dem Trauerkloß seinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen. "It is all I want, to be loved."
Highlights
- The big picture
- Method acting
- False advertising
- Make war
Tracklist
- The big picture
- Method acting
- False advertising
- You will. You? Will. You? Will. You? Will.
- Lover I don't have to love
- Bowl of oranges
- Don't know when, but a day is gonna come
- Nothing gets crossed out
- Make war
- Waste of paint
- From a balance beam
- Laura Laurent
- Let's not shit ourselves (To love and to be loved)
Gesamtspielzeit: 73:08 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Affengitarre User und News-Scout Postings: 11355 Registriert seit 23.07.2014 |
2024-09-17 15:35:02 Uhr
Dank des Threads läuft das Album bei mir die letzten Tage wieder rauf und runter und hat bei mir kein Stück seiner Faszination eingebüßt, unfassbar gut und intensiv! |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34434 Registriert seit 07.06.2013 |
2024-09-10 13:00:00 Uhr
Für mich wird es immer das Outro von "Bowl" bleiben. Bei dem Album passiert das ja öfter (Opener, Closer). Am Ende ist es halt einfach ein Interlude, was an einen Track gepappt wurde. Am Ende egal, weil ich das Album sowieso nur am Stück höre. :) |
Arne L. Postings: 1633 Registriert seit 27.09.2021 |
2024-09-10 12:56:36 Uhr
Das ist natürlich absolut richtig, hilft mir bei Spotify aber leider nicht weiter. |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10470 Registriert seit 26.02.2016 |
2024-09-10 12:49:27 Uhr
Das Outro ist eigentlich das Intro zu "Don't Know When..." und so hab ich meine digitalen Files auch geschnitten. |
Arne L. Postings: 1633 Registriert seit 27.09.2021 |
2024-09-10 12:04:03 Uhr
Der Text von "Bowl of oranges" gehört für mich immer noch zum Besten, was Oberst geschrieben hat. Berührt mich ähnlich wie Miles Benjamin Anthony Robinsons "Buriedfed", weil es so direkt ist in der Sprache. Lediglich das laaaaange Outro macht den Song für Playlisten fast unmöglich. :D |
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Referenzen
Commander Venus; The Good Life; Boy Omega; An Angle; Toad The Wet Sprocket; Elliott Smith; Bonnie 'Prince' Billy; Kevin Devine; James Iha; Onelinedrawing; For Stars; Scott Garth; Neil Halstead; Michael Penn; The New Amsterdams; Dashboard Confessional; Kristofer Åström & Hidden Truck; The Reindeer Section; Gorkys Zygotic Mynci; Bob Dylan; Keith Caputo; Counting Crows; Wilco; (Smog); Desaparecidos; Cursive; Modest Mouse; Poems For Laila
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