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Passenger - Whispers

Passenger- Whispers

Embassy Of Music / Warner
VÖ: 06.06.2014

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Schreiendes Flüstern

"Seele ist erwacht, flüsternd wird beklagt: nichtig ist die Nacht, Feuer ist der Tag" schrieb Arthur Rimbaud einst. Seine Verse sind Aufmarsch, der Blick nach vorn: "Aufbruch voll Gefühl und Geschrei - neu!" Ist es zu gewagt, die lyrischen Zeilen eines Protosurrealisten, Expressionisten und Symbolisten auf "Whispers", das neue Werk von Mike Rosenberg zu beziehen? Schon ein kurzer Blick auf die Betitelung seiner elf neuen Songs scheint den Bezug zu gestatten: so beispielsweise "Heart's on fire", "Thunder", "Rolling stone", "Start a fire" und "Scare the dark away". Wenn Rosenberg als Passenger dann im selbigen Lied mit seiner charaktervollen Stimme Zeilen intoniert wie: "Well, sing, sing at the top of your voice, love without fear in your heart. / Feel, feel Ilke you still have a choice / if we all light up we can scare the dark away." Zeilen, die der Albumtitel mit "Whispers" tatsächlich Lügen zu strafen scheint. Geflüstert wird hier gar nichts. Vielmehr geht es um Gefühl und Geschrei: "We want something more not just nasty and bitter / We want something real not just hash tags on Twitter." Klare Ansagen erfordern klare Maßnahmen. Rosenberg ist bereit.

Alles der Reihe nach. Passenger spielte sich 2013 mit "Let her go" an die Spitze etlicher Charts, hat auf Facebook etwa 1,9 Millionen Fans, sein grandioses, zugleich herzzerreißendes Album "All the little lights" verkaufte sich millionenfach. Der ehemalige Straßenmusiker Rosenberg ist auf dem Zenit. Wie soll diese Erfolgsgeschichte weitergeschrieben werden? Wenn man alles hat, sollte man singen. Schon Samuel Beckett wusste um eine therapeutische Wirkung des Stimmbänder-in-Bewegung-Setzens: "When you're up to tour neck in shit, the only thing left to do is sing." So weit, so gut. Wenn man aber nicht in der Scheiße sitzt? Dann sollte man flüstern.

"Whispers" ist stilistisch nicht weit entfernt von "All the little lights". Und doch ist einiges anders. Die Instrumentierung ist satter, die Kompositionen sind opulenter und die Arrangements ausgefeilter. Lyrisch wird Authentizität in fordernden Worten geboten. Es geht um einfache Menschen mit einfachen Gefühlen in einfachen alltäglichen Situationen. Rosenberg schärft seinen Scharfsinn weiter und blickt sarkastisch, ironisch und verschmitzt, doch niemals arrogant auf unsere Umgebung - medial wie sozial. Irgendwie geht es immer um zwischenmenschliche Vereinsamung, den Verlust von Kommunikation und Gefühl in einer mcdonaldisierten Wegwerfgesellschaft. Wo steht dort das nach Rosenberg interpersonale Wahre, das ausgehandelt wird? Wo das Gefühl von Liebe und Zuneigung, wenn jeder die Partner wechselt wie massenangefertigte Unterhosen von H&M? "If my true love's gone / I will surely find another." Traurig, aber wahr. Eitelkeitstillendes Rüberrutschen nach Partyevents kann jeder, was aber ist mit Verantwortung, sich mit jemanden den Härten des Zusammenlebens stellen? Dazu gehört eine gehörige Portion Selbstreflexion: "I know those eyes and I know that touch / I don't have many and I don't have much", singt Rosenberg in "Heart's on fire". Ist es wichtig, im richtigen Moment schlicht das Falsche zu tun? Ein definitives "Ja" von Seiten Passengers. Diese Nachrichten verpackt der Brite in grandiose Großartigkeiten von Songs wie das nach vorn preschende "27", das groovige und trompetenlastige "Thunder" oder die wunderschöne Ballade "Riding to New York" (die um ein hundertfaches besser ist als beispielsweise der Publikums-, jetzt Radioliebling "Calm after the Storm" aus den Niederlanden vom diesjährigen ESC).

"Whispers" ist ein ruhiges Album. Es muss ja auch nicht immer laut zur Sache gehen, um unschöne Tatsachen anzukreiden. Mike Rosenberg mag flüstern. Und ein Flüstern kann lauter sein als jedes Gebrüll. Rosenbergs Flüstern ist ein Aufbruch, pures Geschrei und "Whispers" ein wichtiges Album.

(Peter Somogyi)

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Highlights

  • Coins in a fountain
  • 27
  • Riding to New York
  • Scare the dark away

Tracklist

  1. Coins in a fountain
  2. 27
  3. Heart's on fire
  4. Bullets
  5. Golden leaves
  6. Thunder
  7. Rolling stone
  8. Start a fire
  9. Whispers
  10. Riding to New York
  11. Scare away the dark

Gesamtspielzeit: 42:22 min.

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