Owen Pallett - In conflict
Domino / GoodToGo
VÖ: 23.05.2014
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
In einem Land nach unserer Zeit
Es ist ein entscheidender Moment in Spike Jonzes Oscar-prämierten Film "Her", in welchem sich Joaquin Phoenix' Charakter Theodore in Samantha verliebt. An sich keine wirklich neue Geschichte, wäre da nicht der Umstand, dass es sich bei der von Scarlett Johansson gesprochenen Angebeteten um ein Betriebssystem handelt, mit dem sich Theodore lediglich über seinen Computer oder sein Handy austauschen kann. In jener denkwürdigen Szene liegt Theodore am Strand und hört über seinen Ohrstöpsel eine kleine Pianoballade, die Samantha für ihn geschrieben hat, als Ausdruck dafür, wie es sich für sie anfühlt, mit ihm an ebendiesem Ort zu sein. In den darauffolgenden Minuten erzählt er von seiner gescheiterten Ehe und seiner Ex-Frau, und während im Hintergrund leise Ton um Ton gespielt wird, macht der Film zum ersten Mal deutlich, dass es sich bei "Her" womöglich gar nicht um die verruchte Stimme aus den Kopfhörern handeln könnte, sondern um die nur allzu menschliche Frau, die einst an Theodores Seite war.
Das Stück, sinnigerweise "Song on the beach" betitelt, stammt natürlich weder von Samantha noch von Jonze, sondern von William Butler und Owen Pallett, die für ihre Arbeit am Score für einen Oscar nominiert wurden, aber gegen "Gravity" von Steven Pryce den Kürzeren zogen. "In conflict", Palletts viertes Album, fängt die Thematik von "Her" in gewisser Weise ein. Auch hier paaren sich scheinbar altmodische Gefühle mit futuristischen Klängen, auf die bekannte Gegenwart trifft die mystische Fremde. Daran ist sicher nicht zuletzt auch Brian Eno schuld, der auf dem Album an diversen Stellen aushilft. Dass sich die meisten der 13 Songs dabei anhören, als könnten sie eigene, kleine Soundtracks sein, kennt man bereits von Palletts letztem Werk "Heartland", wenngleich "In conflict" weniger episch und stellenweise trotz der vielen künstlich erzeugten Töne weitaus organischer klingt.
Der Titeltrack ist hierfür ein frühes Beispiel. Zwar präsentiert sich der Song anfangs als synthieuntermalter Gruß aus der Zukunft, entwickelt aber nach knapp zwei Minuten zu einer wunderbar modernen Popnummer, deren entspannter Rhythmus und luftiger Beat quasi zeitlos sind. Deutlich kühler und reservierter hingegen gibt sich das nur langsam in Fahrt kommende "The sky behind the flag", das ähnlich wie der starke Opener "I am not afraid" über eine verflossene Liebe nachzusinnen scheint. Jenes "I am not afraid" beginnt mit einem derart unheilschwangeren Geigenspiel, dass der blanke Horror eiskalt über den Rücken läuft, während Pallett die Worte "I'll never have any children / I'd bear them and eat them / My children" in die düstere Leere weint. Hitchcock lässt grüßen.
Dass Pallett "Heartland" mittlerweile verlassen hat und sich mit "In conflict" auf zu neuen Ufern begibt – zum ersten Mal seit dem Final-Fantasy-Debüt "Has a good home" übrigens ohne Gesamtkonzept –, beweist auch das bombastisch-prunkvolle "The riverbed", auf dem der Kanadier beinahe ausgelassen wirkt, während ihm Eno unter die Arme greift. Ein genauso gelungener Streich wie "The secret seven" mit seinem romantischen Anstrich, bei dem auch das Czech FILMharmonic Orchestra ausgeholfen hat. Gleichermaßen dramatisch wie verspielt kommt "On a path" daher, wohingegen "---> (1)" als bloßes Interlude zu "The riverbed" leider viel zu kurz ist. Ein Glück, dass "---> (2)" als letztes Stück nach dem komplett durchgedrehten "Soldiers rock" noch für ein beruhigendes Ende sorgt. Wer weiß, in welches Land Pallett seine Hörer als Nächstes führen wird – auf "In conflict" zumindest ist der Weg das Ziel.
Highlights
- In conflict
- The secret seven
- The sky behind the flag
- The riverbed
Tracklist
- I am not afraid
- In conflict
- On a path
- Song for five & six
- The secret seven
- Chorale
- The passions
- The sky behind the flag
- ---> (1)
- The riverbed
- Infernal fantasy
- Soldiers rock
- ---> (2)
Gesamtspielzeit: 49:43 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Quirm Postings: 479 Registriert seit 14.06.2013 |
2015-09-09 11:12:23 Uhr
Hab ich am letzten Wochenende in Essen im Rahmen der Ruhrtriennale gesehen. Da hat der einige neue Stücke zusammen mit dem Stargaze-Ensemble gespielt. War super das Konzert und die neuen Songs auch und der Mann kann wirklich singen. Wahnsinn. :-) |
AndreasM Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 743 Registriert seit 15.05.2013 |
2015-09-09 10:51:17 Uhr
Hier ein kleines Interview mit Owen Pallett - geführt von Charlotte Brandi (Me and my drummer):https://van.creatavist.com/owenpallett Da sagt er auch ein paar Sachen zu einem geplanten, neuen Album. |
schmidtvsschimmi |
2014-08-10 19:23:10 Uhr
Zu viele Töne, zu melodieverliebt. Nach drei Liedern von diesem Typen brauche ich drei Monate Stille. Dieses Album zu hören ist wie drei Schwarzwälter Kirschtorten auf einmal zu essen. Das erste Stück ist noch ganz lecker, aber dann... |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20086 Registriert seit 10.09.2013 |
2014-08-10 19:14:03 Uhr
The only Castorp I ever fell in love withtaught me how to copy & paste as if it needed to be taught. |
Castorp Postings: 2787 Registriert seit 14.06.2013 |
2014-08-10 17:51:22 Uhr
@Lichtgestalt:I have no statement for your benefit, old man - except this: we all live again, in the eyes of a Plattentestler. |
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Referenzen
Final Fantasy; Le Loup; The Kronos Quartet; Antony & The Johnsons; St. Vincent; Patrick Wolf; Andrew Bird; Jonny Greenwood; Her Space Holiday; Joanna Newsom; Broken Bells; The Hidden Cameras; Arcade Fire; Sunset Rubdown; Destroyer; Beirut; Dirty Three; Soap & Skin; Rachel's; Threnody Ensemble; Arvo Pärt; Terry Riley; Yann Tiersen; Ludovico Einaudi; A Silver Mt. Zion
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