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La Sera - Hour of the dawn

La Sera- Hour of the dawn

Hardly Art / Cargo
VÖ: 16.05.2014

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Beziehungsweise

Vor gut einem Fußball-Großturnier machten wir Katy Goodman einen Antrag, den sie eigentlich unmöglich ablehnen konnte. Goodman alias La Sera selbsttherapierte gerade auf ihrer zweiten Platte "Sees the light" das zweite Album in Folge ein paar Beziehungskisten, die nicht mehr zu kitten waren – und dann so ungelenk und unschön geendet sind wie ein Crashtest-Dummy, der gegen seinen Willen mit Tempo hundert gegen die nächste Wand gefahren worden ist. Alles war kaputt. Nix ging mehr. Nichts war mehr zu reparieren. Selbst dann, wenn irgendeiner der Geschädigten es so gewollt hätte. Geantwortet hat uns Kickball Katy auf unser eindeutiges Angebot nach all den ihr Herz bis zur Unkenntlichkeit deformierenden Techtelmechteln bis vor kurzem nicht, übrigens. Autsch. Dann schickte sie uns pünktlich zum nächsten Fußball-Großturnier ihre dritte Platte "Hour of the dawn" auf Stippvisite vorbei. Und sagt uns damit ziemlich direkt: alles nicht mehr so schlimm. Und alles längst wieder gut. Womit sie nicht nur ihr Herz gemeint haben kann. Sondern auch ihre Musik.

Selbst wer sie auf diesem Album nicht sucht, wird sie trotzdem finden: die schmerzhaft fotogenen Augenblicke, in die sich Goodman immer dann von ihrer Musik treiben lässt, wenn sie im Fluss mit sich selbst ist, ihre roten Haare für Dich schüttelt – und die nächste Strophe in Richtung ihrer Komfortzone nimmt. Überpünktlich zum zweiten Stück der Platte ist diese Zone selbst zwischen überall herumstehenden Eier- und Surfgitarren ausgekleidet mit allem, was bei Totalabsturz nicht allzu weh tut: reichlich Plüsch und Kuscheligem, in das sich Goodman fallen lässt, ihre Hörer bei der Hand nimmt und mit sich zieht, Widerrede zwecklos. Eine bemerkenswerte Vorsichtsmaßnahme ist das für eine Platte, die von vorne bis hinten festhält, dass sie kein Beziehungsmonster mehr ist. Trotzdem: Würde ein Künstler Goodmans Musik in Bildern festhalten wollen, er müsste immer noch vor allem sanfte Pastellfarben anmischen, mit viel Babyblau, Veilchenlila, Rosaartigem – und Feuerrot, natürlich. Und auf der ganzen Platte ist es ist es Goodmans dauerbesänftigte Sirene, die auch mit Ende zwanzig gut zehn Songs in Folge noch mädchenhaft klingen lässt, ohne die Jungs zu nerven. Oder zum Schreckgespenst der Mädchen in den klebrigen Klatschspalten der Young Miss fehlzulanden.

Dabei ist "Hour of the dawn" längst nicht mehr die gutartige Blumenkindermusik, mit der sich Goodman so lange selbst getröstet hat. Ihre Leib- und Magenband Vivian Girls ist vor einiger Zeit zum Glück etwas harmonischer dahingeschieden als einige von Goodmans Beziehungsgeschichten: Die Zeit war reif. Und das war's dann eben. Und so schüttet Goodman das dicke Plus an Liebe in ihrem übergroßen Herz jetzt vor allem an ihre beiden Haustiere – und in ihr Soloprojekt La Sera. Nichts auf "Hour of the dawn" dokumentiert das besser als eine Nummer, die nicht nur Jungs gut fünfzehn Minuten, sechs Tagträume und hundert Seufzer nach Startschuss der Platte die Schuhe auszieht. "Kiss this town away" heißt sie. Und sie etabliert Goodman als Songwriterin mit Kniff: Erst schmust sie sich von Refrain zu Refrain. Und wechselt dann Harmonien wie die Vivian Girls ein begrenztes Repertoire an Powerchords. Mannomann.

Unterm Schlussstrich steht für Goodman ein abgeschlossener Selbstfindungs-Prozess, ein Überschuss an Energie – und mehr vom wilden Punk, der sich auf "Sees the light" bestenfalls noch in der ein oder anderen Auskopplung herauslesen ließ. Bereits die erste Nummer des Albums fährt mehr Feedback und Krach auf als Goodmans Soloplatten zuvor zusammen. In der ersten Single "Running wild" bekamen Schaulustige bereits vorab Snares zu hören, die aneinanderschepperten wie die Kochtopfdeckel in einem Haushalt mit lebhaften Kindern. Und das Titelstück des Albums ufert gar in eine Jamsession aus, die das Stück auf für Goodman atypische fünf Minuten aufbläht. Im Warmup zum Promotion-Marathon für "Hour of the dawn" namedroppte Goodman zwischen dem üblichen Gedöns gar Black Flag, ja huch! Trotzdem sollte niemand der bisherigen La-Sera-Fans Berührungsangst vor "Hour of the dawn" haben. Denn spätestens Goodman entschärft wieder vieles davon: mit ihren Augen. Mit ihren wilden Haaren. Und natürlich mit ihrer mädchenhaften Stimme, die gut gelaunt klingt wie nie. Und mit der ein Wort wie "Kiss" nach einer unerreichbaren Verlockung klingt. "I can't live like this forever", singt sie im energetischsten Refrain des Albums. Auch wenn's uns schwer fällt, seufz: Wir haben verstanden, Katy.

(Sven Cadario)

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Highlights

  • Losing to the dark
  • Kiss this town away
  • 10 headed goat wizard

Tracklist

  1. Losing to the dark
  2. Summer of love
  3. Running wild
  4. Fall in place
  5. All my love is for you
  6. Hour of the dawn
  7. Kiss this town away
  8. Control
  9. 10 headed goat wizard
  10. Storm's end

Gesamtspielzeit: 30:02 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Yash
2014-05-09 17:11:20 Uhr
kommt jmd zufällig aus Karlsruhe und fährt am 20.5. zufällig nach Schorndorf :) (La Sera soll da angeblich auch da sein)

darf sich gerne bei mir melden

saihttam

Postings: 2359

Registriert seit 15.06.2013

2014-05-08 00:04:51 Uhr
Das letzte Album fand ich auch nicht mehr als nett. Aber wenn das hier Album der Woche wird, werd ich dem neuen wohl ne Chance geben.

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2794

Registriert seit 14.06.2013

2014-05-07 17:07:10 Uhr
"Losing to the dark" ist spitze! Fand den Vorgänger nicht so besonders nachhaltig, daher hatte ich das nun auch nicht auf der Rechnung. Hör' ich rein.

nörtz

User und News-Scout

Postings: 13851

Registriert seit 13.06.2013

2014-05-07 16:22:36 Uhr
oder dem albumstream bei pitchfork advance lauschen, den ich gerade entdeckt habe:

http://pitchfork.com/advance/426-hour-of-the-dawn/

nörtz

User und News-Scout

Postings: 13851

Registriert seit 13.06.2013

2014-05-07 16:16:54 Uhr
okay, das ist natürlich ein argument! bis in spätestens zehn tagen!
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