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Thomas Azier - Hylas

Thomas Azier- Hylas

Caroline / Universal
VÖ: 25.04.2014

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

An die große Glocke

Ausgefallene Klänge dringen aus einer alten Fabrikhalle irgendwo in Berlin-Lichtenberg. Ein junger Mann klopft erst auf antiquierten Maschinenresten herum, dann jagt er Synthesizer-Sounds durch den Raum, dass die Wände wackeln. Aber das alte Gemäuer ist das gewohnt – laut war es hier schon zu DDR-Zeiten: Trabi-Ersatzteile und Glocken für den Moskauer Kreml kamen aus der ehemaligen Gießerei. Heute beherbergt sie ein Studio. Thomas Azier hat sich hier eingenistet, nachdem er mit 19 Jahren aus der niederländischen Provinz in die deutsche Hauptstadt zog. Er kam, um seinen Platz in der Kreativ-Metropole zu suchen – und um festzustellen, dass der nicht so leicht zu finden ist.

Denn was Azier mit dieser Stadt musikalisch vorhatte, wird dort gerne belächelt: Zu wenig Techno, zu wenig Post-irgendwas, stattdessen Pathos, Romantik und Pop-Getriefe. War so was jemals hip? Egal. Das war nun mal sein Ding: Selbstbewusster Breitwand-Pop zwischen Hurts, Depeche Mode und M83, so in etwa zumindest. Sein Publikum musste sich der Schmalzlockenträger erarbeiten. Er begann sich zu zeigen, wo er konnte. Früh morgens noch ein Slot frei nach der Minimal-Party? Na los. Dann kurz schlafen und im Studio weiterschrauben.

Berlin hat Azier angezogen wie die Nymphen den Hylas in der Griechischen Mythologie. Und die Stadt hat ihn verändert. Inzwischen ist er 26, hat Woodkid auf Europa-Tour begleitet, für Stromae produziert und mit Casper an "Hinterland" gearbeitet. Seine eigenen EPs "Hylas 001" und "Hylas 002" erschienen schon 2012. Es hätte eigentlich eine Trilogie werden sollen, das letzte Drittel wuchs aber plötzlich zum Album heran – umso besser. "Hylas" nun macht deutlich, dass sich Aziers Wahlheimat auch in seiner Musik niederschlägt. Von einer "Ghostcity" singt er da: "Cause we are / The only one alive in this town / When everything is going down / We’re becoming ghosts as well." Nein, zufrieden war er zunächst nicht mit dem neuen Zuhause.

Die Musik zu diesen düsteren Bildern haut meistens ziemlich auf die Zwölf. Wirklich zuviel wird's trotzdem nur selten und das ist die Kunst dahinter. Nur eine Winzigkeit platter angegangen und Aziers Idee von intensivem Pathos-Pop wäre in Gefälligkeit gescheitert. Aber viele Songs sind gut, der Sound ist noch besser und irgendwie passt alles zusammen. Interessant auch: Der Klang von "Hylas" verdankt seine Breite vor allem besagter Fabrikhalle. Mit unzähligen Mikros hat das ehemalige Dorfkind hier den reinen Natur-Hall aufgezeichnet, nichts ist digital simuliert. Drumcomputer-Sounds der alten Schule, flächige Synthies und klagende Gesänge haben sich tief in das Gemäuer gefressen.

Aziers makellose Stimme suhlt sich in 80er-Reminiszenzen und erst jetzt scheint der Moment gekommen, an dem diese Sorte frühen Elektropops überhaupt wieder im Mainstream funktioniert. Nicht einfach so wohlgemerkt, sondern weiterentwickelt und ins Jetzt gehievt – Retro sein will er nicht. Auf die gleiche Weise einen Trabi wieder cool zu machen, dürfte ungleich schwieriger werden. Insofern ist das Studio wohl die aktuell beste Verwendung für Aziers wiederbelebte Fabrik. Die alten Maschinen sind in fast jedem Song irgendwo versteckt. Und in "Angelene" hört man sogar Glocken.

(Konrad Spremberg)

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Highlights

  • Hylas
  • Verwandlung
  • How to disappear
  • Sirens of the citylight

Tracklist

  1. Hylas
  2. Ghostcity
  3. Verwandlung
  4. Rukeli's last dance
  5. Red eyes
  6. Angelene
  7. How to disappear
  8. Futuresound
  9. Shadow of the sun
  10. Yearn yearn
  11. Golden wave
  12. Sirens of the citylight

Gesamtspielzeit: 46:03 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Steff
2014-05-07 21:03:00 Uhr
Grandioses Album ... 80er ohne Ende! Aber cool gemacht ... wenn man einen Hang zur Nostalgie und Pathos besitzt. Ich finde es klasse und hätte ihn gern mal mit woodkid gesehen ...dahinter noch M83 ...perfect setting!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26281

Registriert seit 08.01.2012

2014-05-06 22:24:33 Uhr
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