Rodrigo Amarante - Cavalo
Mais Um Discos / Indigo
VÖ: 02.05.2014
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10
Über alle Grenzen hinweg
Vielleicht sollte das gleich am Anfang klargestellt werden, bevor es zu Missverständnissen oder unnötigen Fragen kommt: Rodrigo Amarante ist kein Neuling. Im Gegenteil: Eigentlich ist er sogar ein alter Hase im Musikgeschäft. Der 37-Jährige macht bereits seit 1997 Musik, mal als Teil von Los Hermanos oder Orquestra Imperial, als Gast bei seinen Spezis Devendra Banhart und Adam Green, oder auch mit Little Joy. Das kleine Projekt, an dem auch Strokes-Drummer Fabrizio Moretti und dessen damalige Freundin Binki Shapiro beteiligt waren, sorgte 2008 in Form des Debüts "Little Joy" mit seinem sommerlichen LoFi-Flair für Herzklopfen bei einigen Indie-Fans, liegt seitdem aber auf Eis. Moretti ist schwer beschäftigt mit seiner Hauptband, Shapiro tourte mit Green durch die Weltgeschichte – und Amarante? Der nahm nach 17 Jahren der Musikmacherei mit anderen sein erstes Soloalbum namens "Cavalo" auf.
Thematisch dreht sich das Werk vor allem um Amarante und seine Sicht der Dinge in seiner neuen nordamerikanischen Heimat. Nicht unbedingt geplagt von sprachlichen Barrieren, waren es vor allem diverse moralische und persönliche Differenzen, die den Brasilianer bei seiner eher ungeplanten Ankunft in Los Angeles zum Grübeln brachten. Die Melancholie des Alten, gepaart mit der Euphorie des Neuen, das Anpassen an eine anfangs vermeintlich exotische Umwelt, all das besingt Amarante auf "Cavalo". Um die Fremde auch für den Hörer deutlich zu machen, mischen sich zu den englischen auch portugiesische Stücke und sogar ein französisches, deren wörtlichen Inhalt man nur anhand des Klanges erraten kann, wenn man der Sprache nicht mächtig ist. Das gehört zur Atmosphäre des Albums, etwa, wenn der Opener "Nada em vão" startet, was übersetzt "Nichts umsonst" heißt und mit seiner Leichtigkeit für einen angenehm ruhigen Beginn sorgt, ehe "Hourglass" aufs Gas drückt und wie eine Mischung aus den Strokes und Little Joy klingt.
"Cavalo" steht auch für Flucht und Freiheit, das deutet schon der Name an, der übersetzt "Pferd" lautet, gleichzeitig aber auch als das Alter Ego von Amarante fungiert. Und egal, wohin der Mensch flüchtet, an dem neuen Ort wird er stets zunächst der Fremde sein, wie er es auch in "Mon nom" feststellt, auf welchem niemand Geringeres als Moretti zu hören ist – wie auch noch auf ein paar anderen Songs. Ganz allein ist Amarante also nicht, das lässt auch das liebevoll-verträumte "Irene" durchblicken. Geradezu beklemmend wird es im düsteren Titeltrack, in dem immer wieder eine Frauenstimme zu hören ist, deren Laune kaum deutbar zu sein scheint. Viel entspannter gestaltet sich der Abschied von "Cavalo" mit dem finalen "Tardei", für dessen Backgroundgesang Amarante alte und neue Freunde verpflichten konnte: Neben Moretti, Banhart und Green leihen unter anderem auch die Schauspielerin (und mittlerweile ebenfalls ehemalige Freundin von Moretti) Kristen Wiig und der Multiinstrumentalist Josiah Steinbrick ihre Stimme. Damit zeigen sie, dass es im Grunde vollkommen egal ist, welche Sprache man spricht, aus welchem Land man kommt und ob man einander immer sofort versteht – am Ende sind wir ja doch alle gleich.
Highlights
- Hourglass
- Mon nom
- Tardei
Tracklist
- Nada em vão
- Hourglass
- Mon nom
- Irene
- Maná
- Fall asleep
- The ribbon
- O cometa
- Cavalo
- I'm ready
- Tardei
Gesamtspielzeit: 37:48 min.
Referenzen
Devendra Banhart; Los Hermanos; Orquestra Imperial; Little Joy; Adam Green; Adam Green & Binki Shapiro; Noah Georgeson; Albert Hammond, Jr.; Vetiver; The Strokes; Marcelo Camelo; Cícero; Wado; Castello Branco; Silva; Baleia; Do Amor; Apanhador Só; Vanguart; Gilberto Gil; Julian Casablancas; Silvio Rodríguez; James Taylor; My Morning Jacket; Iron & Wine; Castanets; Edward Sharpe & The Magnetic Zeros; Lee Hazlewood & Nancy Sinatra; She & Him; M. Ward; Christopher Owens; Girls; Beulah