The Vines - Highly evolved
Capitol / EMI
VÖ: 29.07.2002
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Edle Tropfen
Keine Lust mehr auf ein Leben als Durchschnittsfuzzi? Gelangweilt vom immergleichen Alltagstrott? Dann werden Sie noch heute ein Rockstar! Nie zuvor war es einfacher: Den nächsten Friseurtermin absagen, die Haare stattdessen allmorgendlich den Händen von Bruder Zufall überlassen, Papas abgewetzteste Jeans aus den Untiefen des Kleiderschranks hervorkramen und für ein paar kredible Augenringe den Alkoholkonsum bei gleichzeitiger Schlafhalbierung verdoppeln. Der Zustand geistiger Umnachtung - für den Rockstar von heute mindestens ebenso wichtig wie Gitarre, Baß und Schlagzeug.
Ja, so manch einer kann sich nur noch verwundert die Augen reiben, wenn er sich vor selbige führt, was in den letzten Monaten nicht schon alles die Rockmusik retten sollte, obwohl dies nicht einmal darum gebeten hatte. Die Vines sind da einerseits keine Ausnahme, andererseits aber doch. Zwar sehen auch sie aus, wie man momentan nun mal aussieht (Wer rettet eigentlich die Kamm-Industrie? Die hat's doch wirklich mal nötig!), und Sänger/Songschreiber Craig Nicholls ist gar die offensichtlichste aller Vereinigungen aus Julian Casablancas Milchbubi-Charme und - so liest man - Kurt Cobain'scher Geistesverwirrung. Und dann heißen die Vines auch noch fast wie der Lieblingalk aller Penner, die was auf sich halten. Ihre Songs indes haben trotzdem ihren ganz eigenen, klaren Kopf. Und darauf kommt's schließlich an.
Da wäre zum Beispiel die Single "Get free". Ein eigensinniger, schlechtgelaunter Brocken Punk Rock mit deutlichen Absichten, zusammengepreßt in äußerst enge 120 Sekunden: "She never loved me / Why should anyone?" quetscht Nicholls gequält aus seinen Stimmbändern heraus, während im Hintergrund die Gitarren brettern. Und dabei stellt er authentische Angepißtheit zur Schau, ohne an die ganzen Heulsusen und beleidigten Leberwürste unter seinen Kollegen zu erinnern. Ein erstaunlich herzhaftes und treffsicheres "Fuck you".
Die restlichen elf Songs auf der Debüt-EP der Australier stellen erstaunlicherweise nicht nur unter Beweis, daß Punk ohne Punkt und Komma lediglich eine Seite der Vines ist. Sie wildern auch so dermaßen rotzfrech in den Errungenschaften der letzten vier Jahrzehnte Popmusik herum, daß Schnellschüsse wie "Get free" am Ende neben lakonischen Beach Boys-Piano-Schmachtfetzen ("Homesick"), holpernden Garagen-Rumplern ("Outtathaway!") und ausufernden Psychedelik-Experimenten ("1969") stehen. Von den beatlesken Melodien ganz zu schweigen. So bleibt ein Debüt, das Kategorisierungen jeglicher Art einen fett gestreckten Mittelfinger entgegensetzt. Und dem riesigen Rummel um die Band gleich hinterher: "I just wanna have no place to go." Tja, daraus wird wohl so schnell nichts werden.
Highlights
- Outtathaway!
- Homesick
- Get free
- 1969
Tracklist
- Highly evolved
- Autumn shade
- Outtathaway
- Sunshinin'
- Homesick
- Get free
- Country yard
- Factory
- In the jungle
- Mary Jane
- Ain't no room
- 1969
Gesamtspielzeit: 43:20 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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fuzzmyass Postings: 17836 Registriert seit 21.08.2019 |
2020-09-03 20:02:04 Uhr
Ich habe auch winning days gehört - ebenfalls ein gutes album |
Mr Oh so Postings: 3233 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-09-03 19:23:04 Uhr
Dank an Machina fürs Hochholen des Threads. Bei mir läuft das Ding seit Wochen heiß. |
XTRMNTR Postings: 1276 Registriert seit 08.02.2015 |
2020-08-12 15:29:39 Uhr
Was ich an Liveaftritten von den Vines gesehen habe, fande ich eher immer grottig.Aber das Debüt werde ich immer in Erinnerung behalten...ich habe dazu nämlich die erste Tüte meines Lebens geraucht :D |
fuzzmyass Postings: 17836 Registriert seit 21.08.2019 |
2020-08-12 14:35:07 Uhr
Ha - in München hab ich sie damals auch gesehen, in der Muffathalle... lang ists her... |
NochEinTobi Postings: 277 Registriert seit 30.08.2019 |
2020-08-12 11:49:03 Uhr
Auch hier große Freude dass die Platte hier noch so gewürdigt wird! Hab die Band bis zuletzt verfolgt, auch wenn es einfach "nur" weitere Variationen vom Bekannten gibt. Dachte immer das liegt an der persönlichen Bedeutung der ersten Alben dass die mir so gefallen, aber ich bin ja doch nicht allein...schön! Eure Highlights kann ich bestätigen, war auch ein mitreißendes Konzert damals in MUC. |
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Referenzen
Sebadoh; Guided By Voices; My Vitriol; The Hives; The Flaming Sideburns; Mudhoney; Nirvana; Foo Fighters; The White Stripes; ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead; Pixies; Hüsker Dü; Redd Kross; The Dandy Warhols; Blur; Seafood; Idlewild; 3 Colours Red; Six.By Seven; Shihad; British Sea Power; Black Rebel Motorcycle Club; The Electric Soft Parade; Phantom Planet
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