EMA - The future's void

City Slang / Universal
VÖ: 04.04.2014
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Ins Netz gegangen
Die Zukunft ist nicht mehr das, was sie mal war. Findet zumindest Erika M. Anderson, die auf dem Cover ihres zweiten Albums mit einer Virtual-Reality-Brille posiert. Dabei weiß sie wohl selbst nur zu genau, dass die Wirklichkeit dadurch auch nicht besser wird. Die Aufmerksamkeit, die sie mit dem gespenstisch auf dem letzten emotionalen Loch krächzenden Noise-Folk von "Past life martyred saints" erregte, hatte nämlich unter anderem zur Folge, dass sich Anderson im Netz zusehends in die Ecke gebloggt fühlte. Folgerichtig bekämpft sie auf "The future's void" nach Kräften das kollektive Gedächtnis des Internets – mit Industrial-Gerüttel und schmatzenden Drummachines, überrissenem Post-Grunge und ätzender Selbstreflexion, Buntmetall-Percussion und traditionellen Klageliedern.
Schon die Noise-Feuerwalze des eröffnenden Elektroschockers "Satellites" brennt so eisig im Gehörgang, dass man fast verkennen könnte, zu was für einer erstaunlich vielschichtigen Stilübung in Popmusik sich hier donnernder Backbeat, voluminöse Streicher und kreischende Störsignale formieren. Und obwohl danach nur selten noch einmal so lärmig wird, folgt eine äußerst eindrucksvolle Dreiviertelstunde, in der immer wieder heißlaufende Stimmverzerrer und durchgeschmorte Verstärker die volle Distanz zwischen maschineller Agonie und Alternative-Schlieren durchmessen. Dazu betrauert Anderson ihre abhandengekommene Privatsphäre mit den Worten "Feel like I blew my soul out on the interwebs and streams / It left a hole so big inside of me" – und ist wild entschlossen, ebendieses mit jeder Menge Geräusch zu füllen.
Auch einsam tröpfelnde Pianofiguren erweisen sich lediglich als perfide Verschnaufpausen, nach denen dieses Album wieder in die Vollen geht. Der zuckende Stahltanz "Neuromancer" bezieht sich ebenso wie die Nine Inch Nails' "Something I can never have" heraufbeschwörende Moritat "3Jane" auf Cyberpunk und William Gibson, während das unheilvoll vorwärtsschiebende "Cthulu" den Horror der makabren Erzählungen von H. P. Lovecraft ins digitale Zeitalter verfrachtet: Riffs und Sequenzen kriechen wie ein böses Tentakelwesen durch alle Ritzen, bis entfesselte Vocal-Eruption und tosendes Drum-Finale die Tür vollends eintreten. Und wenn die grob gestrickten Halbakustikschunkler "So blonde" und "When she comes" ausnahmsweise einmal keine Tricks versuchen, ist der Hörer schon längst so misstrauisch wie Anderson.
Erst gegen Ende kommt dieser furiose akustische Shitstorm allmählich zur Ruhe: "100 years" packt eine zarte Klavierballade aus, fuchtelt aber im Hintergrund mit gereiztem Gecrunche herum, und "Dead celebrity" erinnert als desolate Orgelei zur jüngsten Promi-Bestattung eindringlich daran, dass sich auch hinter reißerischen Facebook-Links überaus tragische Schicksale verbergen können. Inklusive Zapfenstreich-Feuerwerk, das auch als Andersons persönlicher Internet-Exploder fungieren könnte, damit sie sich endlich wieder unbeobachtet fühlt. Zum Beispiel von dem Typ, der ihr online nahelegte, lieber bei McDonalds zu arbeiten. Blöde Idee – da wird man als weibliche Servicekraft schließlich auch nur dumm von der Seite angemacht. Und nimmt nach Feierabend sicher kein so brillantes Album wie "The future's void" auf.
Highlights
- Satellites
- 3Jane
- Cthulu
- Neuromancer
Tracklist
- Satellites
- So blonde
- 3Jane
- Cthulu
- Smoulder
- Neuromancer
- When she comes
- 100 years
- Solace
- Dead celebrity
Gesamtspielzeit: 43:31 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Demon Cleaner User und Moderator Postings: 5646 Registriert seit 15.05.2013 |
2016-02-09 10:50:21 Uhr
Naja, was "dagegen" hab ich nicht, aber die anderen Songs sind einfach besser. |
humbert humbert Postings: 2467 Registriert seit 13.06.2013 |
2016-02-06 16:08:51 Uhr
Weiß gar nicht was Demon Cleaner gegen 'When She Comes' hat. Toller Song. |
saihttam Postings: 2582 Registriert seit 15.06.2013 |
2014-09-16 03:11:20 Uhr
Ich war damals auch eher enttäuscht und hab sie dann erst mal liegen lassen. Irgendwie waren mir die Songs gerade zu wenig persönlich und wirkten kalt. Aber kann schon sein, das die Platte im Herbst besser kommt. Ich werd mich auf jeden Fall bis Jahresende nochmal damit beschäftigen. |
Leatherface Postings: 1652 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-09-16 01:50:20 Uhr
Ich hab die Platte auch klar unterbewertet. Sie ist zwar nicht so niederschmetternd persönlich und bewegend wie das Debütalbum, aber es gibt trotzdem viele ernsthaft berührende und mitreißende Momente hier und die aufgemotztere, knallende Produktion steht ihr gut zu Gesicht. Kein schwacher Track dabei. Vielleicht ist die auch einfach zur falschen Jahreszeit erschienen. |
Blackberry Postings: 364 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-08-25 22:20:44 Uhr
"Smoulder" ist so ein perfektes Stück Musik. Für mich ist das ein Song des Jahres Kandidat. |
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Referenzen
Gowns; Kirin J Callinan; Nine Inch Nails; Scott Walker; Xiu Xiu; Former Ghosts; Body/Head; Yeah Yeah Yeahs; Hole; Courtney Love; Ethyl Meatplow; Carla Bozulich; St. Vincent; Dirty Projectors; Pharmakon; Gaggle; Foetus; Perfect Pussy; Swans; Austra; Soap&Skin; Grimes; Glasser; Metallic Falcons; Braids; I Break Horses; Warpaint; Birds Of Passage; Grouper; Waxahatchee; Björk; Bat For Lashes; Imogen Heap; PJ Harvey; Scout Niblett; CocoRosie; Animal Collective; Avey Tare's Slasher Flicks; Majical Cloudz; Cant; Anna Von Hausswolff; Hydras Dream; Esben And The Witch; Chelsea Wolfe; Dillon; Julianna Barwick; Gazelle Twin; Julia Holter; Cat Power; Joan As Police Woman; Angel Olsen; Amps For Christ; The Mae Shi; Amen Dunes; Lou Reed; Nirvana; Sonic Youth; †††; Copeland; Lana Del Rey; Lady Gaga; 4 Non Blondes