Tori Amos - Unrepentant geraldines
Mercury / Universal
VÖ: 09.05.2014
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Das Leuchten alter Farben
Tori Amos setzt alles zurück auf Null. Zumindest gefühlt. Denn mit ihrem 14. Studioalbum nähert sich die nicht selten eiskalte Sängerin ihrem Debüt "Little earthquakes" von 1992 an und zeigt mit "Unrepentant geraldines", was man mit zeitgenössischem Piano-Pop heute noch so anstellen kann. Da kommen Beatles-Rhythmen und Drama-Pop zusammen, visuelle Kunst trifft hier auf Literatur, Paul Cézanne auf Diane Arbus. Amos steckt hier alles rein, was ihr zuletzt bei den Kompositionen ihrer klassisch inspirierten Alben abgegangen ist. Das Resultat ist ein beschwingter Ritt durch die gesamte Spannkraft ihrer beeindruckenden Musikalität.
Gleich mit dem ersten Song, mit "America", macht Amos klar, wie die Pinsel malen: Ein bisschen romantische Verklärtheit, ein bisschen Feenzauber und Melodien, die im Kopf explodieren. Das Album ist keine drei Minuten alt, da ist man dieser Sängerin einmal mehr verfallen. Und das ist eine gute Nachricht, schließlich war sie zuletzt mit "Night of hunters" und "Gold dust" in jene undurchsichtigen Gefilde vorgedrungen, in die man der Songwriterin nur mit Gewaltandrohungen folgen wollte. "Unrepentant geraldines" ist zutraulicher und wickelt den Hörer in Windeseile um den Finger.
Im Zentrum dieses knapp 60-minütigen Wunderwerks steht der jazzige Electro-Pop von "16 shades of blue", in dem Amos als Geschichtenerzählerin auftritt, sich von den geheimnisvollen Bildern Paul Cézannes leiten lässt. Das Klavier ist hier nicht mehr als ein schüchterner Sidekick, und dennoch wirbelt die Nummer wie ein körperloser Geist durch die Luft. Es zischt und quietscht, und Amos gibt sich als Femme fatale. Wahnsinn. Das beschwingte "Giant's rolling pin" erinnert ein paar Umdrehungen später an den Beat von McCartneys "Maxwell's silver hammer" und zieht die Laune nach oben. Große Kunst, über die man sogar lachen kann.
Hinten raus wird's schauriger, eigenartiger, intensiver, zerbrechlicher. Und das kann man manchmal kaum aushalten, wie etwa im zerspringenden "Promise". Da muss man schon mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, um nach diesen vier Minuten noch mit beiden Beinen auf dem Boden stehen zu können. Das traurige, dramatische Piano-Perlenspiel "Invisible boy" macht dann Schluss mit dieser intensiven Art-Platte, die sich zwar nicht so schnell ergründen lässt, die dafür aber wieder an die Heldentaten der Sängerin von vor rund 20 Jahren erinnert. Was für ein Glück!
Highlights
- America
- 16 shades of blue
- Promise
Tracklist
- America
- Trouble's lament
- Wild way
- Wedding day
- Weatherman
- 16 shades of blue
- Maids of Elfen-Mere
- Promise
- Giant's rolling pin
- Selkie
- Unrepentant geraldines
- Oysters
- Rose Dover
- Invisible boy
Gesamtspielzeit: 58:47 min.
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Vive Postings: 822 Registriert seit 26.11.2019 |
2024-07-20 06:12:34 Uhr
Scarlets Walk wird ja durch den Song Gold Dust abgeschlossen, der die Situation rückblickend irgendwie auch gut beschreibt. „Then we’ll understand we held gold dust in our hands“ Ich habe auf folgenden Alben noch zB „Reindeer King“ gefunden (Night of Hunters oder?) aber für jeden Versuch, mich neuem Material zu näheren, bekomme ich the great divide zwischen früher Tori und später Tori eingebläut. Ich frage mich, ob das wirklich die Musik ist, die sie jetzt machen will, so unfassbar middle of the road pop, wo sie doch früher experimentell unterwegs war. Corristo, das mit den Gesangsmanirismen hast du gut beschrieben, das ist mir auch sehr wohl aufgefallen. Jedenfalls habe ich verschwindend geringe Hoffnung, dass sie je wieder an das Genie von früher anknüpfen kann. Das macht mich wahnsinnig traurig, denn früher war sie ein Monster an kreativer Wut in meinen Ohren, von einem Kaliber wie Björn, Fiona oder gar Kate Bush. |
Corristo Postings: 1142 Registriert seit 22.09.2016 |
2024-07-19 20:23:56 Uhr
Höre sie seit einigen Jahren auch nur noch eher selten, obwohl ich mal großer Fan war. Bis einschließlich Scarlets Walk könnte ich mir aber alles jederzeit wieder anhören und wäre immer noch begeistert. Ab da war das Niveau dann unterschiedlich, sie hatte sich dann leider auch diesen nervigen Manierismus angeeignet, die Vokale seltsam zu betonen und in die Länge zu ziehen und klang allgemein oftmals etwas zu routiniert. Trotzdem hatte sie immer noch solide bis gute Alben und bei einzelnen Songs erreicht sie schon noch manchmal das alte Niveau. Fan wäre ich wegen einem Alben wie diesem hier aber nicht mehr geworden. Eigentlich ein typischer Werdegang von Musikern, die sehr lange aktiv sind. |
Vive Postings: 822 Registriert seit 26.11.2019 |
2024-07-19 08:41:16 Uhr
Grad nochmal reingehört, unerträglich |
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Referenzen
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