Colo - Ur

Ki / Rough Trade
VÖ: 07.03.2014
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Die Schichtarbeiter
Nick Smith und Ben Corr gehören zu jener Generation von elektronischen Musikern, die man auch gut und gerne als Schichtarbeiter bezeichnen könnte. Nein, natürlich wird hier nun keine Studie über die Arbeitsverhältnisse junger Künstler im 21. Jahrhundert vorgelegt. Vielmehr handelt es sich um ein Stilmittel, ein kreatives Konzept, das dem britischen Produzentenduo Colo für ihr Debut-Album "Ur" als Produktionsmaxime gedient hat und auf dem die beiden Soundingenieure ihre Liebe zu sphärisch anmutenden Klangtexturen und warmen Synthesizersounds offenbaren.
In Live-Sessions aufgenommenes Material wird im Nachgang zerstückelt, neu arrangiert und Schicht für Schicht überlagert. Frequenzen kollidieren, reiben sich und erzeugen so eine organische Wärme, die einen in die Weitläufigkeit des Downtempo entführen. Bereits beim Opener "Holidays" ist dies direkt zu spüren. In einer dumpfen, fast schon gespenstischen Atmosphäre, mit einem simplen Beat unterlegt, pulsieren analoge Klangwellen; die Stimme Nick Smiths hallt derweil so fragil durch den Raum, als ob jede zusätzliche Konturierung das behutsam erzeugte Gerüst nur zum Einstürzen bringen würde. "Take mine" traut sich da gleich schon mehr. Akzentuierte Percussions räumen den Weg frei für schärfer umrissene Vocals, die jedoch nichts an ihrem zerbrechlichen Charakter verlieren und zuletzt wohl nur bei Nicolas Jaar in solch einer Eindringlichkeit zu hören waren. Seine endgültige Entfaltung erfährt der Gesang bei dem mit Pop-Nuancen versehenen "The view from nowhere", bei der die einzige Kollaboration des Albums mit zwei befreundeten Musikern zu finden ist und dem Ganzen seinen mystisch-wehleidigen Charakter nimmt.
"A reluctant man" markiert einen kleinen Wendepunkt. Von nun an werden die Vocals stark zurückgefahren, erhalten höchstens noch einen den Soundteppich verzierenden Charakter ("Ur", "Salsa"). Beats und Sounddesign rücken in den Fokus, Abstraktion und Klangkunst breiten sich gemächlich aus. Der Titeltrack bewegt sich im Dunstkreis von Mount Kimbie und besticht durch entrückte Beats und ambienter Electronica. Insbesondere bei den vielschichtigen Instrumentaltracks der zweiten Albumhälfte wird das Talent der beiden Soundtüftler evident. "Ur" flattert, schwirrt, pocht. Das aber sehr behutsam. Einem luziden Traum gleich, gelingt der Spagat zwischen Illusion und Bewusstsein. Colo verstehen es, dichte Klangcollagen zu kreieren, bei denen das Hörerlebnis nun mal mehr als die Summe seiner Frequenzen ist.
Highlights
- Take mine
- Aubade
- The view from nowhere
- Ur
Tracklist
- Holidays
- Take mine
- Aubade
- Doorframe
- The view from nowhere
- A reluctant man
- Survivability inside the bubble
- Ur
- Salsa
- New machine sales
Gesamtspielzeit: 41:52 min.
Referenzen
Nicolas Jaar; Mount Kimbie; Last Magpie; Seahawks; 1991; Myrryrs; Trikk; Sohn; Faws; Fifty Grand; Vampire Slayer; Kane Ikin; Panabrite; Vektorid; Indian Wells; NeferTT; Jam City; Murcof; Hutton Drive; Two Dogs in a House; Dubatech; Scan 7; Joe Le; Vaghe Stelle; Mo Kolours Bon; AMyn; EPLP; Patten; Orcas; Vestals; Paleman; Paco Sala; Evy Jane