Elbow - The take off and landing of everything
Polydor / Universal
VÖ: 07.03.2014
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Einmal Himmel und nie zurück
"To be here and now / And who we are."
Es ist wahrlich eine schöne Aufgabe, wenn man vom Chef den Zuschlag bekommt, das neue Album einer der persönlichen Lieblingsbands zu rezensieren – und wenn es dann auch noch ein Werk wie "The take off and landing of everything" von Elbow ist, kann man getrost von einer Art Gewinnerlos sprechen. Nach der B-Seiten-Compilation "Dead in the boot" und dem Livealbum "Live at Jodrell Bank" war es auch endlich wieder Zeit für ein "echtes" Album, zumal "Build a rocket boys!" gefühlt viel älter wirkt, als es mit seinen gerade mal drei Jahren wirklich ist. Etwas undankbarer wird die Aufgabe, wenn eine Band bereits ein über allem schwebendes Meisterwerk abgeliefert hat, das in der Vergangenheit von einem Kollegen mit einer Bewertung versehen wurde, die man selbst für zu niedrig erachtet. Und auch wenn nicht bekannt ist, ob der geschätzte Ex-Plattentester Daniel Gerhardt jenem 2008er "The seldom seen kid" noch immer die 7/10 geben würde, muss sich "The take off and landing of everything" dem obligatorischen Vergleich stellen. Und hier wird die Aufgabe in der Tat knifflig.
"She and I won't find another me and her."
Dass Elbow in ihrer 17-jährigen Bandgeschichte bisher ohne einen einzigen Aussetzer ausgekommen sind, sagt schon viel aus über das Quintett um Sänger Guy Garvey. Überhaupt, dieser Garvey, ein etwas rundlicher, mittlerweile 40-jähriger Mann, den man scheinbar immer etwas unterschätzt, und dem man eigentlich nur mal richtig zuhören sollte, wenn sein tiefer Bariton seine beinahe poetischen Texte vorträgt. Angekommen fühlt man sich dann, zu Hause, beschützt, warm, gemütlich. Das ist auf "The take off and landing of everything" nicht anders als auf den Vorgängern, obwohl während der Aufnahmen Garveys langjährige Beziehung zu Schriftstellerin Emma Jane Unsworth in die Brüche ging und er sich wahrscheinlich genau gegenteilig gefühlt haben dürfte. Sein Schmerz und seine Trauer ist für die Fans jedoch ein Segen. Denn so tief, wie Garvey seine Hörer hier berührt und so nah, wie er sie an sich heranlässt, ist es, als säße er vor einem und würde seine Geschichten bei einer Tasse Tee erzählen. Oder einem Glas Whiskey. Oder zwei.
"The way the day begins / Decides the shade of everything / But the way it ends depends on if you're home."
"This blue world" beweist dann direkt einmal mehr, dass Elbow ein Händchen für grandiose Opener haben. Der Song entfaltet sich in seinen sieben Minuten Spielzeit langsam und stetig, hält den großen Ausbruch aber (noch) zurück. In Garveys Gesang schwingt die Melancholie mit, die der vertonte Rückblick auf die Scherben seiner Beziehung heraufbeschwört, aber auch das Fünkchen Hoffnung, das ihn und die Hörerschaft vor dem Untergang bewahrt. Und "Fly boy blue / Lunette", als erster Vorabsong bereits Anfang des Jahres veröffentlicht, führt eigentlich zunächst auf eine falsche Fährte. Beinahe monoton startet das Stück, ehe es sich gleich doppelt in einem wahnsinnigen Akt zwischen Gitarre und Bläsern verfängt und am Ende die Brücke zu "The seldom seen kid" schlägt. Da wusste es dann endgültig jeder: Elbow sind zurück. Und wie.
"Carry both of us or / Swallow her / Swallow me."
Aber auch, wenn Elbow schon immer eine Band für die großen Gefühle waren, beschränkten sich ihre Songs nie nur auf die Liebe zwischen zwei Menschen, zwischen Mann und Frau, oder Mann und Mann, oder Frau und Frau. In "My sad captains" erhebt Garvey sein Glas zu Ehren seiner Kumpels und singt für alle, die noch da sind und jene, die diese Welt schon verlassen haben, wie es auch schon "Friend of ours" auf "The seldom seen kid" getan hat, und gibt gleichzeitig eine Runde Gänsehaut für alle aus. "New York morning" hingegen setzt eine Schippe Euphorie drauf und dürfte zukünftig als neue große Stadion-Hymne bestens funktionieren. Dass sie nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Momente beherrschen, beweist hingegen "Real life (Angel)", dessen Rhythmus dem eigenen Herzschlag zu gleichen scheint und dessen letzte zweieinhalb Minuten mit dem sich wiederholenden "Angel"-Hintergrundgesang mit zu den besten in der Bandgeschichte gehören dürften.
"Perverse as it may sound I sometimes believe / The tip to my lips just reminds me to breathe."
Sollte es vorher noch nicht klar geworden sein, so verdeutlicht spätestens die zweite Hälfte von "The take off and landing of everything", dass sich Elbows Anspruch seit "Build a rocket boys!" verändert hat – was keine Wertung der Dinge sein soll. Vielmehr ist es bemerkenswert, dass sie den Songs viel Zeit zur Entwicklung geben – die Hälfte sprengt die Sechs-Minuten-Marke – und sie zwar nicht unbedingt minimalistischer, aber weniger bombastisch auslegen. Der Titeltrack etwa scheint anfangs auf ein großes Feuerwerk zuzusteuern, lässt auf den großen Höhepunkt im positivsten aller Sinne aber so lange warten, bis sicher ist, dass genau diese Warterei die eigentliche Klimax war. Ein ähnliches Muster prägt auch den Abschlusstrack "The blanket of night", nach dessen letzter Note sich der Körper des Hörers erwartungsfreudig verspannt und nach vorne beugt, nur um loszulassen und lange, erschöpft sowie vollkommen zufrieden auszuatmen. So, wie es auch Guy Garvey getan hat. Da kann man ihm nur gratulieren – oder sich bedanken.
"And a prayer to the take off and landing of everything / I'll say for you and I will for all time."
Highlights
- This blue world
- Real life (Angel)
- My sad captains
- The take off and landing of everything
Tracklist
- This blue world
- Charge
- Fly boy blue / Lunette
- New York morning
- Real life (Angel)
- Honey sun
- My sad captains
- Colour fields
- The take off and landing of everything
- The blanket of night
Gesamtspielzeit: 57:18 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 35498 Registriert seit 07.06.2013 |
2025-11-13 16:27:58 Uhr
Ja definitiv. Da wären schon ein paar Songs auf einer Best Of, aber dieses Album ist für mich eines vom Schlage "Das Ganze ist mehr als die einzelnen Teile". |
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Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10945 Registriert seit 26.02.2016 |
2025-11-13 16:18:54 Uhr
Ja. Wobei der Opener (wie so viele ihrer Opener) schon ein Top-Sog ist. Und "Fly Boy Blue" vielleicht auch. |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 35498 Registriert seit 07.06.2013 |
2025-11-13 15:57:49 Uhr
01.01.2020 - 19:20 UhrAm Stück und in der richtigen ruhigen Stimmmung höre ich es sogar am liebsten, auch wenn meine Song-Favoriten fast alle auf anderen Alben sind. Dies gilt weiterhin. Liebe auch den Fluss des Albums. |
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nörtz User und News-Scout Postings: 16931 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-06-24 14:51:57 Uhr
Ja, dann haut eure Listen doch bitte mal in den Bandthread. Ich will doch mal sehen, ob diese Bands nicht doch was für mich ist. |
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BibaButzemann Postings: 118 Registriert seit 15.06.2013 |
2020-06-24 14:40:51 Uhr
Das mach ich nachher noch, aber eher 2 Songs pro Album oder so, das repräsentiert die Diskografie irgendwie besser. |
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Referenzen
Doves; Now It's Overhead; Coldplay; Peter Gabriel; Nine Horses; David Sylvian; Japan; Get Well Soon; Radiohead; The Beta Band; Kashmir; The Divine Comedy; Mercury Rev; Anywhen; Talk Talk; Mark Hollis; Snow Patrol; Travis; Starsailor; U2; Lambchop; American Music Club; The Polyphonic Spree; Badly Drawn Boy; The Dears; The Czars; Athlete; I Am Kloot; Haven; Leaves; The Twilight Sad; Dark Captain Light Captain; Gravenhurst; Mew; Arid; Slut; Gomez; Mansun; Anathallo; Dredg; Savoy Grand; Archive; Pink Floyd
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