Hatcham Social - Cutting up the present leaks out the future
O Genesis / Rough Trade
VÖ: 07.02.2014
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Blut ist dicker
Wenn der Chef singt, hat der Rest Pause. Das gilt nicht nur für die Plattentests.de-Weihnachtsfeiern, auf denen es traditionell hoch hergeht, sondern auch, wenn Hatcham Social einmal etwas anderes machen als liebenswerte Platten wie "You dig the tunnel, I'll hide the soil" und vor allem "About girls", die den diskreten Charme des Post-Punk atmen. So begleitete das Trio zuletzt Tim Burgess, Sänger von The Charlatans, als Backingband bei dessen Konzerten zum Album "Oh no I love you" und gehört inzwischen auch zum Programm seines Labels O Genesis Recordings. Mit Douglas Hart noch schnell den früheren Bassisten von The Jesus & Mary Chain als Videoregisseur verpflichtet, und schon ist zumindest hinter den Kulissen die Riege der alteingesessenen Pilz- und Wuschelköpfe komplett. Nun rücken Hatcham Social zwar nicht zu Gunsten von psychedelischem Brit-Rave und kreischenden Feedbackorgien nennenswert von ihrem "sexy punky pop" ab – beweisen aber auch, dass sie anders können.
"Ketamine queen" funktioniert direkt zu Anfang als Beleg für diese Wandlungsfähigkeit: ein zarter, akustischer Folk-Schmeichler, der ähnlich träge daherschleicht wie seine Heldin auf der erwähnten Substanz und sich erst gegen Ende von einem verhuschten Drumkit ein wenig aufscheuchen lässt. Und auch wenn die drei nur leise aufdrehen, beanspruchen sie die Aufmerksamkeit von Beginn an – sogar so sehr, dass David Claxtons roh abgesägte Gitarrenschläge den Hörer bei "All that I see is a gun" jäh aus allen Träumen reißen, die ihm Tobias Kidds zuweilen Roxy-Music-geschwängertes Crooning erst beschert hat. Schnittige Indie-Heuler wie "Lois Lane" oder "I look like a god when you dance with me" stehen diesmal also nicht zu erwarten, ganz bei der Sache sind die Londoner auf "Cutting up the present leaks out the future" trotzdem. Zumal dieses Album dank durchgehend analogem Grundrauschen wie am Stück aufgenommen wirkt – was so bei aller rauen Spontaneität im Sound natürlich nicht stimmen dürfte.
Schon das verführerisch funkelnde "To the moon (Is this the way man will survive)" und die sehnsüchtigen Licks von "Spirit of '45" werden mehr Feinarbeit beansprucht haben, als diese behutsamen, leicht angedreckten Songs vermuten lassen. Wiewohl sich die Briten ab und zu am Hit-Riemen reißen: "More power to live" probt mit frech krakeelenden Background-Vocals und schrill zerplatzenden Gitarren den Aufstand Richtung besseres Leben, während "Lion with a laser gun" die Kanone stecken lässt und sich bewölkt durch verbreakte Rhythmen und zauberhafte Riffs laviert. Da mag der Albumtitel noch so großspurig das Heute und Morgen verhandeln – eigentlich haben Hatcham Social ganz einfache Freuden. Und eher zähflüssige Leaks, denn "Stay true to your family" stellt klar, dass Blut dicker als Wasser ist. Am Ende heißt es zu einer kleinen Blues-Fingerübung: "We're gonna have fun tonight / Stick around, don't go to sleep." Nicht doch – lieber noch ein bisschen singen. Dürfen wir auch mal, Chef?
Highlights
- Ketamine queen
- All that I see is a gun
- More power to live
- Lion with a laser gun
Tracklist
- Ketamine queen
- All that I see is a gun
- Confessions of an English opium smoker
- To the moon (Is this the way man will survive)
- Spirit of '45
- More power to live
- Lion with a laser gun
- All in the Moscow ...
- Stay true to your family
- Don't go to sleep
Gesamtspielzeit: 39:55 min.
Referenzen
The Rakes; Eight Legs; Black International; Flashguns; Shed Seven; The Charlatans; Tim Burgess; Electricity In Our Homes; Joy Division; Warsaw; Girls Names; Cazals; Chikinki; Boy Kill Boy; Moving Units; Neonman; Frankie & The Heartstrings; Pete And The Pirates; Good Shoes; Correcto; Television; The Fall; XTC; Fire Engines; Josef K; Half Man Half Biscuit; Yeah Yeah Noh; Orange Juice; Roxy Music; Field Music; The Week That Was; Maximo Park; Duels; Mystery Jets; The Maccabees; Stellastarr*; Franz Ferdinand; Bloc Party; Klaxons; The Chavs; Ikara Colt; Gang Of Four; Talking Heads; Wire; Cold War Kids; The Jesus & Mary Chain; Brakes; Graham Coxon; The Libertines; Babyshambles; Little Man Tate; The Rifles; The View; The Futureheads; Young Knives; Dutch Uncles; The Bluetones; The Holloways; Dogs; Harrisons; Larrikin Love; The Films; Look See Proof; The Rocks; Pull Tiger Tail; Arctic Monkeys; Buzzcocks; Milburn
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- Hatcham Social (2 Beiträge / Letzter am 15.07.2009 - 08:52 Uhr)