Neneh Cherry - Blank project

Smalltown Supersound / Rough Trade
VÖ: 28.02.2014
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Therapie schadet nie
Die Angst vor dem komplizierten Ende einer Beziehung fasst Neneh Cherry im Titelsong in einfache Worte: "Leave me alone / But don’t leave me lonely." Was füllt die Leere, die bleibt, wenn die Liebe geht? Musik, lautet ihre naheliegende Antwort, ächzt der erweiterte Stammbaum der Schwedin doch förmlich unter dem Gewicht musikalischen Talents. Stiefvater Don ist eine Legende des Free-Jazz, Halbbruder Eagle-Eye landete mit "Save tonight" einen Welthit, Stiefsohn Marlon Roudette schuf mit Mattafix zeitweise große HipHop- und Ragga-Kunst, und Ehemann Cameron McVey steckte bereits mit Portishead und Massive Attack unter einer Decke.
"Blank project" ist so etwas wie eine Selbsttherapie, um persönliche Tragödien zu verabeiten", erklärt Cherry ihre Motivation, nach einer Unterbrechung von fast zwei Jahrzehnten mit eigenen Kompositionen ins Musikgeschäft zurückzukehren. Und das Klanggebilde, das ihr die in der Electro-Jazz-Szene als RocketNumberNine wohlbekannten Brüder Ben und Tom Page auf ihren Instrumenten gezimmert haben, nimmt diesen selbsttherapeutischen Ansatz auf. Grummelnd vor sich hin treibende Drumbeats, kühle Synthesizer, viel leerer Raum: Versöhnlich klingt anders. Was auch für die Texte gilt, in denen die Sängerin so ausführlich wie altersweise über Selbstfindung und Selbstbehauptung philosophiert.
Doch das arg reduzierte Soundkonstrukt ist der Wirkung des einzigen Instruments äußerst dienlich, das hier für Harmonien und Zugänglichkeit zuständig ist: Cherrys Stimme. Die mischt der als Produzent fungierende Kieran Hebden alias Four Tet derart markant in den Vordergrund der zehn Songs, dass mitunter ein prächtiger Kontrast zwischen warmen und kalten Klangfarben entsteht. Der bis auf einen träge klopfenden Beat komplett leergeräumte Opener "Across the water" verlässt sich noch völlig auf die beeindruckenden stimmlichen Qualitäten der 49-Jährigen, während im Titelstück die mächtigen Drumbeats erstmals arg zerstörerisch wüten.
Was in der Folge in fast jedem Song der Fall ist – und auf längere Sicht dann doch ein wenig nervt. Abnutzungserscheinungen, deren Ausprägung die aus diesem Konzept ausbrechende, samtgeschliffene Popnummer "Out of the black" in ihrer Wirkung noch verstärkt. Da zieht Cherry mit Gastsängerin Robyn nämlich einmal optimistisch und unbekümmert um die Häuser. Klingt nach Neuorientierung. Die ist – dem Fachmagazin "Brigitte" zufolge – die vorletzte Stufe einer erfolgreichen Trennungsverarbeitung. Nicht nur in musikalischer Hinsicht geht "Blank project" deshalb als Teilerfolg durch.
Highlights
- Across the water
- Blank project
- Out of the black (featuring Robyn)
- Everything
Tracklist
- Across the water
- Blank project
- Naked
- Spit three times
- Weightless
- Cynical
- 422
- Out of the black (featuring Robyn)
- Dossier
- Everything
Gesamtspielzeit: 48:46 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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cipo Postings: 47 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-10-25 09:09:01 Uhr
Ja, wirklich fantastisches und auch irgendwie zeitloses Album, höre es immer wieder gern. Aber die Massive Attack Referenz sehe ich ehrlich gesagt nicht. Unfinished Sympathy ist ein grandioser Song, aber mit seinem Hall und den Streichern ist er viel epischer und dramatischer angelegt als alles auf Blank Project. Das hier ist intimer, in vielen Songs gibt es nicht viel mehr als Nenehs unbearbeitete Stimme und (exzellent klingende) Percussion. |
Old Nobody User und News-Scout Postings: 3984 Registriert seit 14.03.2017 |
2024-10-24 21:57:15 Uhr
Mir gefielen bei einigen Stücken einfach die Melodien nicht aber an sich ne schöne Atmosphäre und 422 ist gigantisch |
Watchful_Eye User Postings: 2967 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-10-24 21:17:36 Uhr
Dieses Album ist Hammer. Es schwirrt aber irgendwie unter dem Radar. Lasst euch das nicht entgehen. All Killer, No Filler.Für Leute, die sich nichts darunter vorstellen können: Das Album klingt grob wie Massive Attack und vor allem wie "Unfinished Sympathy". Natürlich nicht ganz genau so, es hat schon einen eigenen Charakter. De Songs müssen sich vor dem Vergleich jedenfalls nicht verstecken. Was daran liegen dürfte, dass es Four Tet produziert hat. Es ist allerdings auch die einzige von annähernd 1000 CDs, bei der es mir bisher nicht gelungen ist, sie auf meinen Computer zu rippen. Da ist ein absurd effektiver Kopierschutz drauf. |
hellworm Postings: 20 Registriert seit 19.02.2014 |
2014-03-21 09:15:17 Uhr
Muss noch mal nachbessernAcross the water 9 Blank project 9 Naked 9 Spit three times 9 Weightless 8 Cynical 9 422 10 Out of the black (featuring Robyn)7 Dossier 9 Everything 10 Für mich bisher das beste Album in 2014. Unglaublich vielfältig und spannend. Kann mich kaum satthören. http://blog.rebellen.info/2014/03/19/verliebt-neneh-cherrys-wunderbares-neues-album/ Das trifft es sehr gut. Kann ich mich zu 100% anschließen. |
Stefan |
2014-03-10 10:51:36 Uhr
Hochinnovativer Kommentar. 10/10 |
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Referenzen
Tricky; Massive Attack; Robyn; Unkle; Archive; Portishead; Four Tet; RocketNumberNine; Lamb; Iyeoka; Erykah Badu; Hooverphonic; Morcheeba; Terranova; Moloko; Pati Yang; Red Snapper; Gus Gus; Thievery Corporation; Faithless; Blue Foundation; Smoke City; Morphine; Kosheen; Bonobo; Death In Vegas; Mandalay; South Rakkas Crew; Chemical Brothers; Elsiane; Halou; Asian Dub Foundation; Emika; Twelve Rounds
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