Planningtorock - All love's legal
Human Level / Rough Trade
VÖ: 14.02.2014
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Geschlecht als Recht
Männlein oder Weiblein – manchmal gar nicht so einfach zu sagen. Und im Grunde auch uninteressant. Zumindest für Janine Rostron alias Planningtorock, die Britin mit dauerhaftem Wohnsitz in Berlin. Ihren Vornamen änderte sie für "All love's legal" sogar kurzerhand in Jam, um die Unterschiede zwischen den Geschlechtern endgültig ad absurdum zu führen. Doch Plattentests.de hat aufgepasst: Rostron ist und bleibt trotz bizarrer Maskerade mit gewaltiger Nasenprothese und wulstigen Augenbrauen eine Frau. Auch wenn das wie schon auf dem Opener ihres zweiten Albums "W" nichts zur Sache tut . Den konnte man trotz auf 45 Umdrehungen abzuspielendem Vinyl nämlich genauso auf 33 hören – außerirdischer wurde "Doorway" dadurch auch nicht mehr. Enthält "All love's legal" im Gegensatz dazu nun Liebeslieder? Gar nicht so einfach zu sagen.
Zunächst einmal liegt Rostrons Ziel in Kopfhöhe. Dort, wo Vorurteile, Diskriminierungsmuster und engstirnige Denkweisen entstehen, die dann in Schwachheiten wie Homophobie oder männlichem Alphatiergehabe resultieren. Doch Planningtorock hat auch ein Herz – ein verdammt großes sogar. Dieses kommt schon beim Titelstück zum Vorschein, das zu verhallt-pittoresken Streichern und tapsigen Minimalbeats das Anliegen von "All love's legal" klarstellt. Würde Antony Hegarty als Weißblech-Robocop von der Liebespolizei dem Hörer seine Rechte vorlesen, klänge es wohl ganz ähnlich. "Human drama" ist danach ein ebensolches: eine wehe Mini-Hymne für den gedrückten Dancefloor, bei dem der orchestrale Synthie eine aufmüpfige Androiden-Harfe immer wieder genauso sanft aus dem Bild schubst, wie Rostron steile Thesen auftischt.
Eine davon lautet: "Gender's just a lie" – na, wenn das mal die Wahrheit ist. Eine andere: "The personal is all political" – hört man da gar den Staatsfeminismus trapsen? Doch keine Bange. Weiter entfernt von der Vorherrschaft irgendeines, sofern überhaupt existenten, Geschlechts könnte dieses Album kaum sein. Ihre Statements zu Gender-Fragen verabreicht Rostron vielmehr in kleinen bedeutungstragenden Döschen, die nur selten in unversöhnliche Sätze wie "Patriarchy over & out" und "Misogyny drop dead" umkippen. Einfach gestrickte Menschen würden nun Dinge faseln wie "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen" – Planningtorock hingegen beruhigt die Gemüter meisterhaft. Mit so sparsamen wie infektiösen DFA-Schwitzkastengrooves, zauberhaft spielerischen Sequenzen und durchgängig ins Bizarr-Androgyne heruntergepitchten Vocals.
Sicher klopfen bei diesen ausnahmslos tollen, aufs Wesentliche reduzierten Songs ständig Geistesverwandte wie die New Yorker Light Asylum und Schwedens elektronische Poststrukturalisten The Knife an – Letztere schon deshalb, weil Rostrons Remix von "Full of fire" unter dem Namen "Let's talk about gender baby" zu neuerlichen Ehren kommt. Wo die Genannten jedoch zuweilen mit Aggressivität oder kryptischen Ausdrucksformen zu Werke gehen, verströmt "All love's legal" eine zwar klinisch saubere, aber zutiefst berührende Art von Soul. Und manchmal auch eine hinreißende Unbeholfenheit, sobald Rostron schief und scheel Keyboardmelodien nachsingt und das zwingend pumpende "Public love" bockig durchbuchstabiert. Aber so rechtmäßig alle Liebe auch ist – kämpfen muss man trotzdem um sie. Wie anfangs um dieses Album. Kopf hoch: Es lohnt sich.
Highlights
- Human drama
- Let's talk about gender baby
- Public love
- Patriarchy over & out
Tracklist
- Welcome
- All love's legal
- Human drama
- Answer land
- Let's talk about gender baby
- Words are glass
- Misogyny drop dead
- Beyond binary binds
- Steps
- Public love
- Purple love
- Patriarchy over & out
Gesamtspielzeit: 42:32 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MM13 Postings: 2453 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-02-13 20:28:01 Uhr
wird morgen gekauft,gefällt wirklich,kann ich musie nur zustimmen. |
musie Postings: 4010 Registriert seit 14.06.2013 |
2014-02-12 07:57:21 Uhr
gefällt. die kalten beats, und trotzdem wärmend. bei the knife fand ich den zugang nicht, hier schon. |
Engstirnig, misogyn, homophob und patriarchalisch |
2014-02-12 01:09:26 Uhr
Diese nervige Gendertussi soll weggehen. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27850 Registriert seit 08.01.2012 |
2014-02-11 21:22:30 Uhr
Mal wieder ein paar Threads zu frisch rezensierten Alben, die noch keinen haben.Eure Meinung hierzu? |
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Referenzen
Fever Ray; The Knife; Austra; iamamiwhoami; Light Asylum; Gazelle Twin; Bat For Lashes; Kate Bush; Antony & The Johnsons; Björk; Cherry Sunkist; Glasser; Metallic Falcons; Grimes; Bloodgroup; Marybell Katastrophy; Karin Park; Plankton Waves; Crystal Castles; Blouse; I Break Horses; Zola Jesus; Soap&Skin; Xiu Xiu; EMA; Emika; Inga Copeland; Paula Temple; Jessy Lanza; Rroxymore; Factory Floor; Yacht; Trust; Oh Land; Jenny Wilson; Hundreds; Fan Death; Telepathe; The Golden Filter; Shit Robot; Purity Ring; Laurel Halo; AlunaGeorge; FKA Twigs; Banks; Perera Elsewhere; Kelela; Anika; Gang Gang Dance; bEEdEEgEE; Julia Holter; Lucrecia Dalt; Monotekktoni; Chicks On Speed; Niobe; Kevin Blechdom; Vampire Rodents; Matmos; The Soft Pink Truth; Terre Thaemlitz; Chris Korda; Klaus Nomi
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