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Die Nerven - Fun

Die Nerven- Fun

This Charming Man / Cargo
VÖ: 07.02.2014

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Mit Sicherheit egal

"Das ist immer noch Dein Leben / Auch wenn Du selbst nichts mehr entscheidest", schmettern Die Nerven auf "Fun" dem Hörer um die Ohren und zeichnen ein dem Albennamen völlig entgegengesetztes Bild. Dabei skandiert das Stuttgarter Trio gewillt und lautstark – keine Spur von Resignation, stattdessen voller Stehaufmännchenmanier: Die Zeiten sind düster, also jetzt erst recht. "Fun" bewegt, ist ehrlich und klug und beendet mit einem Paukenschlag eine der leidigsten Diskussionen des Musikjahrzehnts. Mit ihrem frisch-frostigen (Post-)Punk mit 80s-Noise-Einflüssen beantworten Die Nerven die Frage, ob deutschsprachige Bands überhaupt noch derart aufwühlen können mit einem klaren Ja.

Der ganze Spaß eröffnet mit "Albtraum" im höchsten Maße furios: Angezählte Drums, acht explosive Gitarrenanschläge, Break, Zweivierteltakt. "Was auch immer wir jetzt lernen, ist mit Sicherheit nicht wichtig / Was auch immer wir jetzt lernen, ist mit Sicherheit egal." Tusch, bumm-bumm-peng, Überleitung zum Chorus: "Es ist mehr Albtraum als Traum." Sänger Julian Knoth resigniert nicht, nimmt geradezu überlässig zur Kenntnis, was ihm bevorsteht. Die Musik hingegen kocht zum Ende noch einmal sprudelnd empor. "Eine Minute schweben" schlägt in die gleiche Kerbe: "Alles wie gehabt / Nichts hat sich verändert." Das Trio zeichnet ein düsteres Bild vom Alltag, "Wer ich bin, ist nicht so wichtig / Hauptsache, man lässt mich in Ruhe", heißt es weiter. Kreischende Gitarren schreien der sozialen Überforderung entgegen, gipfelnd im Wunsch nach dem gesellschaftlichen Ausstieg, wenn auch nur für kurze Zeit. Ein Wahnsinnstrack.

Mit "Und ja" liefern die Schwaben ihr Meisterstück. Weniger wütend, dafür noch wüster. Angewidert und gelangweit wird ausführlich negiert. Eine schallende Ohrfeigen gegenüber Wichtigtuern und Proleten, ein in Stein gemeißelter Ausruf für die Nichtunterordnung. "Und ja, es geht mir besser als ich aussehe" ist die Quintessenz des Stücks. Die Sirenen heulen auf, das Trio lässt sich bereitwillig abführen und bleibt dabei doch auf der Siegerstraße. Was bleibt, ist ein wirres Feedback und ein Pfeifen aus der Tiefe. Verloren und doch gewonnen. Kurz vor Schluss bricht die Wut dann doch noch Bahn: "Nie wieder scheitern" hadert ganz offensiv mit dem Schicksal, verliert sich in der Gerechtigkeitsreflexion und kulminiert in gekränkter Unlust. "Wie ohrenbetäubend muss ich noch werden", keift Knoth, nie wieder will er scheitern in dieser "Welt aus Zellophan". Zur Hälfte zerberstet der Titel, der Gitarrensturm ist nicht mehr zu bändigen. Jetzt heißt es ducken, ein Gewitter zieht auf.

In der Tat, mit "Fun" hat das alles ganz und gar nichts zu tun, höchstens aus sarkastischem Blickwinkel. Doch in einer Welt wie dieser, wo findet man da noch herzhaftes Gelächter, wenn nicht im Makaberen, im nicht ganz Astreinen, wie ist das Schicksal noch zu akzeptieren, wenn man es nicht auslacht? Die Nerven sprechen für eine Generation in Gefangenschaft, gebunden durch die Unlust, überfrachtet von der Komplexität einer globalisierten Welt, in der Ungerechtigkeit und gespielte Wahrhaftigkeit so eng verwoben sind, dass jeglicher Versuch des Durchschauens zum Scheitern verdammt ist. "Fun" ist die gereckte Faust für die eigene Befindlichkeit, ein Leck-mich-am-Arsch an die Welt, welches der zu gewinnenden Freiheit vorauszugehen hat. "Was auch immer wir jetzt lernen, ist mit Sicherheit egal", scheiß drauf, was man Dir einzutrichtern versucht.

(Pascal Bremmer)

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Highlights

  • Albtraum
  • Eine Minute schweben
  • Und ja
  • Nie wieder scheitern

Tracklist

  1. Albtraum
  2. Eine Minute schweben
  3. Blaue Flecken
  4. Hörst Du mir zu?
  5. Und ja
  6. Angst
  7. Ich erwarte nichts mehr
  8. Rückfall
  9. Nie wieder scheitern
  10. Girlanden

Gesamtspielzeit: 36:04 min.

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User Beitrag

Old Nobody

User und News-Scout

Postings: 3656

Registriert seit 14.03.2017

2018-04-26 00:54:42 Uhr
Hab ich vor einiger Zeit mal versucht mich an 2-3 Songs ranzutrauen, war aber wohl in der falschen Stimmung. Jetzt in der richtigen, nämlich miesen, Stimmung wegen der durchaus starken Fake mal komplett Fun gegeben und ich muss sagen, dass mir das sogar besser gefällt. Hat sowas rohes und irgendwie ungefiltertes. Und vor allem,meine Fresse, was für Melodien dabei sind. Geh grad voll steil auf Nie wieder scheitern und Eine Minute schweben. Mist, wär ich doch am Montag mal lieber nach Köln gefahren
Nicht Armin
2018-04-15 22:30:12 Uhr
ja da singt der Bassist
Wer singt....
2018-04-15 21:15:03 Uhr
Wer singt eigentlich im Song Girlanden? Der Bassist?
Sind die auf Drogen?
2015-05-06 13:43:38 Uhr
nehmen die Drogen zu sich? Irgendwie sehen die so kaputt aus.

Dielemma

Postings: 472

Registriert seit 15.06.2013

2014-12-28 18:22:35 Uhr
heute in der taz Jahresliste (von pt geteilt) entdeckt und finde das Album ziemlich gut, mal bisschen was anderes.
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