All The Luck In The World - All The Luck In The World
Barfilm / Haldern Pop / Rough Trade
VÖ: 31.01.2014
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Glückeswagen?
Folk ist als Gattung eine der ursprünglichsten in der heutigen durchtechnisierten Musikwelt. Zudem hält sie unmittelbaren Kontakt zum Herzen. Es gibt keine unnötigen Overdubs, keine effekthaschenden Sperenzchen und keine falschen Gefühle. Folk ist gelebte Emotion, die auf dem Weg vom Sender zum Empfänger kaum lästigen Verfremdungen ausgesetzt wird. Wie glücklich darf sich also derjenige schätzen, der sich auf seinem Instrument oder mittels der eigenen Stimme im Sinne dieses einenden Lebensgefühles locker und flockig auszudrücken vermag? Ebendas müssen sich auch All The Luck In The World gedacht haben, als sie sich vor mehr als zwei Jahren zusammentaten, um in der heimischen Umgebung frei nach Schnauze drauf los zu musizieren. Da war die Namensfindung naheliegender, als Frau Google nach unvergebenen Flussnamen zu befragen. Und noch keinerlei Rede davon, dass einem Song von ihnen so etwas absonderlich Neumodisches wie "virales Marketing" widerfahren könnte.
Seltsam? Aber so ist es geschehen - neulich erst, auf der Videoplattform YouTube und per zugeschaltetem TV-Werbefilmchen für die Urlaubsbeschaffungs-Webseite Trivago. Und das, wo die unterlegte Single "Never" bereits über ein Jahr in den hinteren Regalen der Händler ungehört vor sich her dümpelte. Doch es kam, wie es in solchen Geschichten immer kommen musste, wir sind ja schließlich nicht im Kintopp: Irgendein Weisungsbefugter dachte sich frei nach Helge Schneider "andere Melodie, anderen Text" und schickte die drei Jungens postwendend ins Studio zum Nachsitzen. Und höre da! Das überarbeitete Ergebnis gefiel der Fangemeinde umso besser. Seither werden die Iren als der nächste heiße Scheiß am Netzhorizont geklickt. Demnächst also garantiert auf Ihrer Festwiese in Haldern! Je nach Erfolg später gerne zusätzlich in Hückeswagen, Köln-Bilderstöckchen oder Lübeck-Buntekuh, eventuell... Moment! Wie hieß das doch gleich? Glückeswagen?
Lange Rede, kurzer Unsinn. Noch im alten Jahr hatten sich Neil Foot, Kelvin Barr und Ben Connolly gleichfalls zur Produktion ihrer ersten gemeinsamen Langspielplatte durchgerungen. Diese ist nunmehr seit dem Spätherbst digital erhältlich und folgt alsbald in haptischer Version auf CD und Vinyl. Elf Stücke lang begnügt sich das Trio dabei streng genregetreu mit dem sporadischen Einsatz von Streichern, niederohmiger Stromgitarre oder sachter Perkussion und lässt vornehmlich die Akustische sprechen, wozu ein dezent klagender Gesang seine tragischen Figuren zeichnen darf. Die wiederum das spiegeln, was frischgebackenen Twentysomethings so auf der Seele liegt - Beziehungswehwehchen in Form eines Minidramas namens "Your fires", das Gewicht der Welt im zartbitter-cremigen "Conquer" und zwischenmenschlicher Driss bei der besagten, schaurig-schönen Kopplung "Never". Dabei wagt sich die Musik zuweilen aus der fragilen Nacktheit von Bright Eyes, Elliott Smith und einem voller Inbrunst von seiner Wolke aus "Halleluja" schmachtenden Jeff Buckley hervor und tastet sich zittrigen Herzens hin bis zur elegischen Getragenheit von Get Well Soon oder Beirut, ohne deren Üppigkeit auch nur im Ansatz zu streifen. Um im nächsten Moment gleich wieder scheu zu Schusters Leisten zurückzuschnellen. Man weiß ja nie.
"All the luck in the world" ist demnach kein Klassiker geworden, das muss es auch gar nicht. Dafür klingt es bisweilen noch zu uniform und spannungsarm, gerade was die Variationen des Gesangs betrifft. Es deutet aber ohne jeden Zweifel erste Talente einer neuen Generation Folk an, die sich ihren dauerhaften Erfolg in der Welt erst erspielen muss. Und die dabei vermutlich ihr Glück finden wird. Vielleicht sogar in Hückeswagen.
Highlights
- Conquer
- Your fires
- Never
Tracklist
- Low beams
- Conquer
- Your fires
- Haven
- Flight, in the oaks
- Never
- Away
- Settle
- Dark eyes
- Knots
- Beaching
Gesamtspielzeit: 42:10 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Peter Silie |
2014-12-05 17:12:25 Uhr
Schade, dass die Band insgesamt so sehr unter dem Radar fliegt. Ich höre das Album immer noch und sehe es in meinen Top5 des Jahres. |
Peter Silie |
2014-08-20 10:02:29 Uhr
Auf dem Haldern hat mich die Band ziemlich be und gerührt. Ich habe die Platte erst im Anschluss gehört und sehe sie auch mindestens bei einer 7/10, wenn nicht sogar bei einer 8/10.Sehr schöner Folkpop, komplett abseits des aktuell grassierenden Feelgood-Folks. |
htappert |
2014-06-09 13:10:54 Uhr
Yep, unterbewertet.Tolle Platte. Sehr schönes Konzert in Neustrelitz. Slainte |
Sunshine Postings: 27 Registriert seit 16.06.2013 |
2014-02-15 22:36:40 Uhr
Ich mag das Album auch ganz gerne. Meiner Meinung nach in der Rezi ein wenig unterbewertet. Ne 7/10 ist das schon. Mein Favorit ist "Settle" (vor allem ab ~2:00). |
Chehalis Postings: 332 Registriert seit 23.08.2013 |
2014-02-15 15:33:13 Uhr
Das hat ja nicht so gut geklappt...Your Fires: http://www.youtube.com/watch?v=soC-Iy8Anso Never: http://www.youtube.com/watch?v=Pdw6xA0pIFw |
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Referenzen
Bright Eyes; Elliott Smith; Daughter; Eva & Manu; Mighty Oaks; Great Lake Swimmers; Clannad; Fleet Foxes; Gordon Lightfoot; Scott McKenzie; Simon And Garfunkel; Bruce Cockburn; Joni Mitchell; Joan Baez; Mumford & Sons; Iron & Wine; Bon Iver; The Decemberists; Red House Painters; Noah And The Whale; Jeff Buckley; Band Of Horses; Beirut; Leonard Cohen; Bob Dylan; John Denver; Emmylou Harris; Neil Young; Okkervil River; Get Well Soon; 17 Hippies; The Byrds; Crosby, Stills, Nash & Young; The Hooters; The Mamas And The Papas; Knut Kiesewetter; Hannes Wader; Werner Lämmerhirt; Franz-Josef Degenhardt; Zupfgeigenhansel; Liederjan; S.T.S.; Die City Preachers; The Chieftains; The Men They Couldn't Hang; Oysterband; The Pogues; The Dubliners
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