Ásgeir - In the silence

One Little Indian / Rough Trade
VÖ: 31.01.2014
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Aus den Federn
Was darf man von einem Musiker erwarten, dessen Name so nah am Aasgeier ist? Per Sturzflug ergatterte Beute jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil: Sein Debüt "In the silence" katapultierte Ásgeir von einem verschlafenen Nest aus direkt in die höchsten Höhen der isländischen Charts und hatte nach nur drei Monaten bereits Platin-Status erreicht. Anders ausgedrückt: Jeder zehnte Isländer besitzt das Werk. Auch hinsichtlich der Aneignung ihrer Beute gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen Ásgeir und dem vermeintlich verwandten Greifvogel: Während letzterer sich nach erfolgreicher Landung neben dem Objekt der Begierde ganz auf seine Klauen verlässt, krallt sich der 21-Jährige die Melodien direkt aus der Luft. Geklaut ist davon nichts.
Der Albumtitel der isländischen Originalfassung würde allerdings auch den gefiederten Freunden gefallen: "Die Herrlichkeit der Todesstille". Schließlich ist selbige für sie der Auftakt zur Gaumenfreude. Und Ásgeir tischt mit zehn Kompositionen zwischen Akustikgitarren-Filigranität und elektronischer Eloquenz ebenso ein wahres Festmahl auf. Dass nur die Musik aus seiner Feder stammt, ist zu vernachlässigen, denn die Lyrik bleibt in der Familie: Die im Original isländischen Texte hat Ásgeirs 72-jähriger Vater verfasst. Für die internationale Album-Version wurden sie behutsam ins Englische übersetzt – von keinem Geringeren als dem sympathischen Sprachgenie und nicht minder begabten Musikerkollegen John Grant.
"I lift my mind to the sky / And I let it take flight / The wind carries to my ears / Precious songs of life" – so lauten die ersten Worte auf "In the silence". Tatsächlich ist der Blick während der folgenden knapp 40 Minuten stetig gen Himmel gerichtet, die Herkunft der Klänge ein beinahe unerklärliches Naturschauspiel. Wie eine wundersame Zusammenkunft von einsamen Sternschnuppen und eiskristallinen Wolkenformationen, umhüllt von abendrotem Geysir-Nebel. Fürsorgliche Synthesizer empfangen die Eröffnungsbeats von "Higher" mit offenen Armen, einem Lammfellpullover und einer Tasse Tee mit Kandiszucker, um dann gemeinsam durch idyllische Melodiebögen zu schweben. Dass Ásgeir nur zufällig Musiker wurde, weil eine Verletzung seine knospende Karriere als Speerwerfer jäh beendete: Kaum zu glauben.
Der Titeltrack "In the silence" zeigt die folkloristische Seite des Isländers: Akustikgitarre, Klaviergeplänkel, marschierendes Getrommel und würdevolle Bläser. "Summer guest" präsentiert Ásgeirs Virtuosität an der Klampfe, während "King and cross" schon fast als Dance-Track durchgeht. Anschließend gibt es mit "Was there nothing?" eine melancholische Ballade und die Erkenntnis, dass Ásgeir der Wandelbarkeit der Natur in nichts nachsteht. Eine seiner Spezialitäten: Die harmonische Vervielfältigung seiner eigenen Stimme – ein erhabener Chorgesang schmückt seine Lieder wie edle Auslegeware. "In harmony" beginnt zurückhaltend, hat jedoch einen der opulentesten Refrains der Platte parat, und "On that day" klopft zum Finale Nick Drake und Simon & Garfunkel auf die Schultern. Wer sich das nicht ausmalen kann, möge zunächst mit dem isländischen Albumtitel beginnen, den wir an dieser Stelle zum Vergrößern, Ausdrucken und Kolorieren bereitstellen: Dýrð í dauðaþögn.
Highlights
- Higher
- In the silence
- Summer guest
Tracklist
- Higher
- In the silence
- Summer guest
- King and cross
- Was there nothing?
- Torrent
- Going home
- Head in the snow
- In harmony
- On that day
Gesamtspielzeit: 39:26 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
captain kidd Postings: 3750 Registriert seit 13.06.2013 |
2017-04-16 08:37:01 Uhr
Neues Album "Afterglow". Wohl etwas elektronischer noch. |
LLG |
2016-07-13 21:40:44 Uhr
Eben erst live gesehen. Guter Mann! |
captain kidd Postings: 3750 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-11-24 08:10:38 Uhr
hier jetzt beide versionen + 8 bonus-tracks:http://www.amazon.de/Silence-Deluxe-Asgeir/dp/B00NXVJKYK/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1416812878&sr=8-2&keywords=asgeir höre es noch immer sehr gerne. |
-dreamseller- |
2014-08-28 10:17:54 Uhr
Grossartiges Album. Wächst bei jedem Hördurchgang. Ein absolutes Highlight ist für mich "Ad grafa sig i fönn".Leider, leider kam die isländische Vinyl-Version ohne Downloadgutschein... weiss jemand wo ich das legal nachholen kann? iTunes bietet es scheinbar nur in Dänemark an, wo ich leider keinen Zugriff habe. |
Obrac Postings: 2553 Registriert seit 13.06.2013 |
2014-02-08 21:21:09 Uhr
Super Platte. Bon Iver in gut. |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Indians; Barbarossa; John Grant; James Blake; Moddi; Ben Howard; Bon Iver; Of Monsters And Men; Kings Of Convenience; Teitur; Brian Eno; Nick Drake; Simon & Garfunkel; Marius Ziska; Newton Faulkner; José González; Junip; Patrick Wolf; Múm; Sigur Rós; Perfume Genius; Aqualung; Simple Kid; Empire Of The Sun; Jack Beauregard; Jens Lekman; Maximilian Hecker; Patrick Watson; MGMT; Peter Broderick; Fionn Regan; Syd Matters; Hercules And Love Affair; The Postal Service; Underworld; Mount Kimbie; Thom Yorke; Atoms For Peace; Radiohead; Coldplay
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv



Threads im Plattentests.de-Forum
- Ásgeir - Time on my hands (5 Beiträge / Letzter am 29.10.2022 - 00:21 Uhr)
- Ásgeir - Bury the moon (3 Beiträge / Letzter am 09.02.2020 - 19:23 Uhr)
- Asgeir - Afterglow (9 Beiträge / Letzter am 10.05.2017 - 18:30 Uhr)
- Ásgeir - In the silence (28 Beiträge / Letzter am 16.04.2017 - 08:37 Uhr)