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Alcest - Shelter

Alcest- Shelter

Prophecy / Soulfood
VÖ: 17.01.2014

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

In anderem Licht

Menschenfeind oder verliebter Melancholiker? Das war schon 1666 die Frage, als der französische Dramatiker Molière das Bühnenstück "Le misanthrope ou L'Atrabilaire amoureux" schrieb, dessen Protagonist ausgerechnet Alceste hieß. Bei Stéphane Paut alias Neige, Mastermind der fast gleichnamigen Ein-Mann-Band aus Avignon, stellt sich diese Frage jedoch nicht – spätestens nicht mehr nach den schwermütigen Elegien seines letzten Albums "Les voyages de l'âme". Unbeholfene Stilzuschreibungen müssen ob dieser gleichzeitig entrückten und voluminösen Seelenwanderung zwischen Shoegaze, Postrock und orchestraler Wucht allerdings versagen – und auch der mit Hinblick auf Pauts Black-Metal-Vergangenheit aus der Taufe gehobene Begriff "Blackgaze" erweist sich als so hilflos wie irreführend.

Man muss sich nur einmal das Cover von "Shelter" ansehen. Das ist nämlich genausowenig schwarz wie der Schnee im Künstlernamen des Franzosen. Doch nicht nur das Artwork präsentiert sich lichtdurchflutet, auch musikalisch agiert Paut hier fernab jeglicher metallischer Querverbindungen. Stattdessen zog es ihn nach Island – genauer gesagt zu Produzent Birgir Jón Birgisson, der das vierte Alcest-Album im Sigur-Rós-eigenen Sundlaugin-Studio in Szene setzte. Und betrachtet man die jüngste Entwicklung von Alcest, verwundert es nicht allzu sehr, dass sich eine Platte wie "Kveikur" dank beständigen Knirschens und Zerrens im Nachhinein tatsächlich als härter herausstellt als "Shelter" – sofern Härte innerhalb solch entgrenzter Sphären überhaupt eine gültige Kategorie sein darf.

Auf "Shelter" reserviert Paut ähnlich wie bei "Les voyages de l'âme" den Beginn für die griffigeren Stücke. Etwa für "Opale", die Single mit dem kunterbunten Video, oder für "La nuit marche avec moi", das sich zu glockenhellen Riffs und selig-cleanem Gesang behutsam und prachtvoll entblättert – ein ätherischer Popsong, der zur Sonne strebt, obwohl er die Finsternis verehrt. Erst ab dem spitzfindig verfeinerten Gezwirbel von "L'éveil des muses" erreichen die aufgeschichteten Gitarrenmassive allmählich monumentale Dimensionen, bis das Titelstück behutsam auf ewigen Harmonien, schwach glühendem Piano und entschleunigtem Stakkato daherwalzt. Und plötzlich stehen gedanklich tatsächlich Sigur Rós oder die Italiener Klimt 1918 im Raum – und sind im nächsten Moment wieder verschwunden.

Doch das schadet nichts, denn Verweise auf – wiewohl berufene – Kollegen hat Paut auf diesem wunderbaren und mitunter tief berührenden Album einfach nicht nötig. Er kann sich sogar den Luxus leisten, Neil Halstead von den für Alcest seit jeher prägenden Slowdive das englischsprachige "Away" singen zu lassen. Ironischerweise eins der etwas blasseren Stücke, weswegen niemand in Ehrfurcht erstarren muss. Stattdessen dreht "Shelter" beim Finale "Délivrance" noch einmal um so eindrucksvoller auf und lässt himmlische Chöre auf ein Breitwandarrangement treffen, das trotz allen Bombasts mehr Gefühl in den Fingerspitzen hat als andere in ihrem breiten Allerwertesten. "Wenn's nicht arscht, isses für'n Rock", mögen beleidigte (Schwarz-)Metaller dagegenhalten – doch ihr unheiliger Zorn ist längst nicht so überzeugend wie dieses Album.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • L'éveil des muses
  • Shelter
  • Délivrance

Tracklist

  1. Wings
  2. Opale
  3. La nuit marche avec moi
  4. Voix sereine
  5. L'éveil des muses
  6. Shelter
  7. Away
  8. Délivrance

Gesamtspielzeit: 45:34 min.

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User Beitrag

Mainstream

Postings: 1864

Registriert seit 26.07.2013

2015-07-28 14:42:47 Uhr
@andere Seele
Und was würdest Du tun, wenn er gerade nicht zubeißt?
andere Seele
2015-07-28 14:28:28 Uhr
ja geht mir auch so! muss da immer dran denken, wie ich nem schlafenden arbeitskollegen mein erigiertes gleid in den mund schiebe. habe aber imemr angst, dass er dann gerade zubeißt! ó_ò

musie

Postings: 3751

Registriert seit 14.06.2013

2014-05-15 01:33:30 Uhr
immer noch sehr gutes album. wackeliger Gesang, sonst alles perfekt
jenniferine
2014-05-14 18:01:34 Uhr
alcest ist genau das richtige für frauen, weinerliche frauenmusik

Mainstream

Postings: 1864

Registriert seit 26.07.2013

2014-05-14 15:33:19 Uhr
Ich habe einer befreundeten Künstlerin ein Bild in Auftrag gegeben. Das Motiv dazu ist mir beim Hören des oben erwähnten Liedes eingefallen. Geht es irgendeiner anderen Seele auch so?
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