Vanessa Carlton - Be not nobody
A&M / Universal
VÖ: 08.07.2002
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Soweit der Flügel trägt
Seit Wochen geschieht es immer wieder. Vornehmlich männliche Fans des bildhübschen Rock-Kükens Michelle Branch sitzen nichts ahnend vor der Glotze, zappen wenig hoffnungsvoll zu einem der Musiksender rüber und fallen dann fast vom Sofa, wenn sie dort eine junge Frau in die Tasten greifen sehen, die mit verzückender Stimme etwas von "A thousand miles" erzählt. Ja, auf den ersten Blick könnte Vanessa Carlton tatsächlich aus den feuchten Träumen eines Michelle Branch-Anhängers entstammen, der sich eine etwas bravere Zwillingsschwester seiner Favoritin gewünscht hat. Erst auf den zweiten merkt man dann, wie viel mehr Vanessa Carlton tatsächlich ist.
Der von den jungen Damen im Gleichschritt angetretene Siegeszug durch die Billboard-Charts und die verblüffenden optischen Parallelen laden freilich zu fröhlichen Vergleichen ein, die jedoch weder die eine, noch die andere tatsächlich nötig hat. Was Fräulein Branch auf dem Kasten hat, hat "The spirit room" gezeigt, und wer bei Miss Carltons "A thousand miles"-Video nicht nur verklärt ins hübsche Gesicht der Sängerin gestarrt hat, dürfte mitbekommen haben, welch Traum von einem Popsong die Nummer tatsächlich ist. Angefangen beim fesselnden Pianomotiv über behutsam eingesetzte Streicher bis zur bezaubernden Stimme der 21-jährigen stimmt hier schlicht und ergreifend alles. Daß Textauszüge wie "You know I'd walk a thousand miles / If I can just see you tonight" in Verbindung mit einem instinktweckenden Dackelblick ihr übriges tun, muß wohl nicht gesondert erwähnt werden.
Aber auch auf Albumlänge vermag Vanessa Carlton Köpfe zu verdrehen, wie sie nun mit ihrem Debüt "Be not nobody" unter Beweis stellt. Ein zweites "A thousand miles" sucht man hier - natürlich - vergebens, dafür gibt es aber einige handfeste Überraschungen zu bestaunen. Wer etwa den Rolling Stones-Klassiker "Paint it black" in ein schmissiges Pop-Gewand kleidet, ohne dabei aufs hübsche Näschen zu fallen und anschließend wieder am Klavier platz nimmt um sich herzzerreißend intensiv durch das beklemmende "Wanted" zu leiden, der hat eigentlich schon fast gewonnen.
Daß "Be not nobody" bisweilen nicht über gemächlich plätschernden Piano-Pop hinauskommt und die kleinere Geste manches Mal sicherlich den größeren Zweck erfüllt hätte - wer will es Vanessa Carlton schon verdenken? Andere Damen müssen sich mit 21 schließlich noch in S/M-Klamotten auf Motorrädern räkeln um Aufsehen zu erregen, oder heftig die Hüften kreisen lassen, damit sich überhaupt ein Hahn die Mühe macht, nach ihnen zu krähen. Ein solches Kasperletheater hat Vanessa Carlton nun wirklich nicht nötig, denn wer Schönheit, Scharfsinn und schnieke Songs so gekonnt zu kombinieren vermag, dem werden die Leute schon von alleine folgen. "A thousand miles". Mindestens.
Highlights
- A thousand miles
- Paint it black
- Wanted
Tracklist
- Ordinary day
- Unsung
- A thousand miles
- Pretty baby
- Rinse
- Sway
- Paradise
- Prince
- Paint it black
- Wanted
- Twilight
Gesamtspielzeit: 45:57 min.
Referenzen
Beverley Craven; Over The Rhine; Leona Naess; Tori Amos; Paula Cole; Never The Bride; Michelle Branch; Lisa Loeb; Jewel; Natalie Imbruglia; Ani DiFranco; Beth Orton; Natalie Merchant; 10.000 Maniacs; Fiona Apple; Beth Hart; Aimee Mann; Alicia Keys; Ben Folds; Bruce Hornsby; Marc Cohn; Train
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