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Cortez - Phoebus

Cortez- Phoebus

Get A Life / Irascible
VÖ: 15.11.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Elementarveilchen

Die erste Schrei braucht etwas Anlaufszeit. Gute zwei Minuten plustert sich JR auf, sammelt sich, holt Luft, lässt seinen Brustkorb auf den Umfang einer Tuba anschwillen - und nutzt diese Vorlaufzeit, um seine Gedanken in impulsive Kurzschlüsse umzuwandeln. Dann macht es "rumms". Und Cortez, die Band, in der JR schreit, ist wieder mittendrin im Schlamassel - und irgendwie doch nicht immer dabei. Bis sich "Temps-mort", der Eröffnungssong zur neuen Platte "Phoebus" im letzten Spieldrittel entlädt, bleiben Cortez laut, aber verwundbar. Und so flüchtig, dass sie auch ein Jägermeister nie ganz zu fassen kriegen würde. Eigentlich paradox: Auf der einen Seite spielen Cortez lauteren Noise, Metal und Postcore, als ihn der Onkel Doktor erlaubt. Auf der anderen steckt hinter dem Gebrüll spürbar keine Stärke. Sondern Verletzlichkeit.

Das muss einen Grund haben, den Cortez wie an Depression erkrankte Spitzensportler ihrer Öffentlichkeit auf "Phoebus" nicht mitteilen. Vielleicht hat ihnen ja jemand irgendetwas angetan, das schlimmer sein muss als Körperverletzung, vorsetzlicher Elternmord, 30 Tage bei Helene Fischer und trocken Brot zusammen. Vielleicht auch nicht. Unterm Strich stehen jedenfalls Songs, die sich selbst zu zerlegen scheinen, in sämtliche Einzelteile und Grundelemente. Die optische Ästhetik im Clip zu "Arrogants que nous sommes" bedient oberflächlich Stilbilder und Erwartungshaltungen von Metal- und Hardcorefans: Ein Kameramann fängt in flott geschnittenen Bildern Musiker ein, die posen, die rocken, die Krach machen. Doch die Musik will nicht immer zu den Bildern passen. Statt Männerschweiß umweht die kaputten Takte des Songs der Duft von Tod, von Blut - und der süßliche Gestank von Verfall.

Trotz unüberhörbarer Parallelen zu den lautmalerischsten Momenten später Converge- und The-Dillinger-Escape-Plan-Platten stürzen Cortez immer wieder komplett ab, fahren ihre Gitarren runter, stimmen ihren Schreihals tiefer - und nichts geht mehr, überhaupt nichts. Die Nummer "Sulfure" ist der Song gewordene Blutsturz: immer wieder mal so laut gespielt, dass die minutenlangen Absacker, die ihn durchziehen wie die dicken Venen die Arme eines Greises, nur umso krasser hervortreten. Wüsste man es nicht besser, man könnte vermuten, "Phoebus" sei das Vermächtnis einer Band, die sich noch während den Aufnahmen zur Platte auflöste: puff! Und Schluss.

All das ist eine bemerkenswerte Wutprobe für Freunde von Musik, die The Locst für Mädchenmetal und The Plot To Blow Up The Eiffeltower für Pussykram halten. Dabei sind Cortez keineswegs so wild wie alle in diesem Text bisher Genannten - bloß so selbstzerstörerisch in ihrer Art, dass sich selbst ihre Platte nach zwölf Durchläufen wahrscheinlich selbst zersetzt. Am Ende spielen Cortez nichts weiter als Synkopen, die alles aus dem Rhythmus bringen: Song, Takt, Herz, Musik. Was hat sie bloß so herrlich ruiniert?

(Sven Cadario)

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Highlights

  • Arrogants que nous sommes
  • Idylle

Tracklist

  1. Temps-mort
  2. Transhumance
  3. Au delá des flots
  4. Arrogants que nous sommes
  5. Un ledemain sans chaine...
  6. L'autre estime
  7. Sulfure
  8. Los souvenirs errants
  9. Idylle
  10. Borrelia

Gesamtspielzeit: 50:24 min.

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