Cher - Closer to the truth
Warner
VÖ: 04.10.2013
Unsere Bewertung: 2/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Was ist Wahrheit?
Man war ja eigentlich davon ausgegangen, alles gesehen zu haben, was Photoshop so kann. Aber das Cover von Chers 25. Album ist das Kapitalverbrechen aller bisherigen Bildbearbeitungsexzesse. Da räkelt sich eine 67-jährige Frau halbnackt vor einem grellen Weiß auf einem anderen grellen Weiß, die eine Hand in der platinblonden Mähne, während der BH-Träger des anderen Arms ihr über die Schulter gerutscht ist. Und das Obszöne an daran ist, dass sie aussieht wie höchstens Ende 20. So richtig kann man das angesichts der Wagenladung Weichzeichner nicht erkennen. Inwieweit hier irgendwas "Closer to the truth" sein soll, ist schon zu Beginn ein Rätsel.
Die ekelerregend sterile Zeitlosigkeitsperfektion setzt sich nämlich nahtlos vom Optischen ins Akustische fort. Gleichsam wie die Photoshop-Cher auf dem Cover schweben die Songs von vorne bis hinten in einem grellen Vakuum, fernab von allem Greifbaren. Die ersten vier Songs sind eine kaum unterscheidbare Mischpoke aus billigen Eurodance-Keyboards, verhallten sowie melodiefreien Refrains und mehr Autotune als gesund sein kann. Geradezu hilflos sucht Cher hier und da nach Anknüpfungspunkten in der aktuellen Popmusik. Mit dem Hintern wackeln und die Zunge rausstrecken will sie wohl nicht mehr, also blitzen hier und da ein paar schlecht getarnte und blutleere Lady-Gaga-Zitate wie in "Red" hervor.
Alle Abwechslung, die die Platte zu bieten hat, ist nicht nur oberflächlich und aufgesetzt, sondern auch dermaßen halbherzig umgesetzt, dass es einem das Hirn verstopft. "I walk alone" tut allen Ernstes so, als wäre es eine Art Country-Song. Irgendwer spielt da vielleicht sogar Gitarre. Aber noch vor dem ersten Refrain kleistern die Plastik-Synthies wieder alles mit dem unbedingt tanzbaren Rhythmus zu, dass man gerade noch Shania Twain verfluchen kann, bevor man sich die Ohren zuhält.
Dass Cher diesen schwer erträglichen Mist selbst produziert hat, ist nur konsequent. Völlig ohne Korrektiv sind schon ganz andere Künstler im Studio untergegangen. Und dieses Urteil kommt nicht aus einer Ist-sowieso-alles-Scheiße-Einstellung gegenüber Mainstream-Pop. Cher hat nicht nur mit Sonny Bono, sondern auch später ein paar ziemlich gute Popsongs aufgenommen. Und ihr Engagement für Homosexuelle ist mehr als ehrenwert (und ganz sicher nicht aufgesetzt). Aber "Closer to the truth" ist schlicht und ergreifend Mist. Ohne Ausnahme und ohne Lichtblick. Da hilft weder Photoshop noch Autotune.
Highlights
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Tracklist
- Woman's world
- Take it like a man
- Dressed to kill
- Red
- Lovers forever
- I walk alone
- Sirens
- Favorite scars
- I hope you find it
- Lie to me
- I don't have to sleep to dream
- Pride
- You haven't seen the last of me
Gesamtspielzeit: 53:46 min.
Referenzen
Madonna; Sandra; Jennifer Rush; Cyndi Lauper; Kim Wilde; Samantha Fox; Belinda Carlisle; Anastacia; Kate Ryan; Medina; Agnes; Kylie Minogue; Danii Minogue; Desireless; Tina Turner; Céline Dion; Lady Gaga; Donna Summer; Jennifer Lopez; Mariah Carey; Whitney Houston; Bette Midler; Shania Twain; Janet Jackson; Christina Aguilera; Britney Spears; Katy Perry; Dolly Parton; Bonnie Tyler; Spice Girls; Nicole Scherzinger; P!nk; Gwen Stefani; Girls Aloud; Toni Braxton
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