Darkside - Psychic

Matador / Other People / Indigo
VÖ: 04.10.2013
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Die Versager
"Ich dachte, ich würde eine Dance-Platte machen", sagte Nicolas Jaar. "Ich dachte, ich würde eine Rock-Platte machen", sagte Dave Harrington. "Wir haben beide versagt."
Weniger denken, mehr handeln! Nicht selten bereuen es Menschen, diesen Grundsatz allzu ernst genommen zu haben. Private SMS an den falschen Empfänger geschickt? Nur mal kurz vor die Tür gegangen und sich selbst ausgesperrt? In Ruhe nachdenken kann einige unangenehme Momente ersparen - fällt einem nur meistens zu spät ein. Nicolas Jaar und Dave Harrington dagegen sollte die Welt dankbar sein, dass sie einfach losgelegt haben, ohne sich vorher einen Plan zurechtzulegen.
Wenn ein Electro-Shootingstar und dessen Live-Gitarrist mit Jazz-Schwäche planen, neue musikalische Wege zu gehen, klingt das vor allem unberechenbar. Wer versucht, sich ein Ergebnis vorzustellen, dürfte von "Psychic" ebenso überrascht sein wie die beiden Protagonisten selbst, deren Erwartungen offenbar enttäuscht wurden. Zum Glück! Das Album ist nicht nur gänzlich anders als alles, was Jaar und Harrington bis dato veröffentlicht hatten. Diese Mischung von Ambient, IDM und Techno auf der einen und Indie, Blues und Psychedelic-Rock auf der anderen Seite dürfte um ein Vielfaches spannender sein als alles, was sich die beiden im Vorhinein hätten ausmalen können. Versagen kann so schön sein.
Den längsten Track der Platte haben Darkside an den Anfang gestellt. Das könnte man mutig nennen, ist im Kontext des Albums aber eigentlich bloß konsequent. In mehr als elf Minuten spielt "Golden arrow" den Fremdenführer, der jeden Winkel seiner labyrinthischen Großstadt längst erforscht hat. Eine gefühlte Ewigkeit baut sich ein unförmiges Konstrukt aus Orgelklängen, Gitarrentönen und jeder Menge Hall auf, bevor der erste unterschwellig wummernde Bass einsetzt. Zwischen Synthesizer und jaulende Saiten gesellt sich eine Snaredrum, Harringtons Gitarrenspiel wird selbstbewusster und plötzlich durchdringt eine Stimme den Nebel, die nicht viel Menschliches an sich hat.
Was hier an Entwicklung passiert, ist enorm. Am Ende existiert tatsächlich ein Metrum, ein Rhythmuspattern, eine Melodie. Den quälend langen Weg dorthin haben Jaar und Harrington einmal in jeder Einzelheit festgehalten, um die einzelnen Stationen im weiteren Verlauf der Platte immer wieder anzusteuern: Die fließenden Klanglandschaften in "Greek light", das vertrackte Spiel zwischen Stimme und Bluesgitarre in "Paper trails" und den psychedelischen Indie im großartigen "Heart". Das abschließende "Metatron" vermag beim konzentrierten Hören eine gewisse innere Anspannung auszulösen. Das Stück ist ein Spiel mit Spannungsbögen und Intensität, das Darkside nach ihren ganz eigenen, wirren Regeln spielen und das gängige Songstrukturen nicht nur ignoriert, sondern angestrengt dagegen anzukämpfen scheint.
Generell ist es aber schwer, klare Einzelideen in der Musik des Duos herauszustellen. Die Stücke gehen fließend ineinander über und leben nicht von einprägsamen Hooks oder simplen Dance-Beats. Im Gedächtnis bleiben Momente, die besonders überraschend, kontrastreich oder schlicht klanglich interessant sind. Die Unterteilung des durchgehenden Soundereignisses "Psychic" in einzelne Tracks wäre kaum nötig gewesen. Spaß macht vor allem, auf der ganzen Länge zu hören, wie sich Jaar und Harrington gegenseitig als Inspiration benutzen, aufeinander aufbauen, sich mal in den Vordergrund drängen und mal den Anderen ins Rampenlicht treten lassen. Das funktioniert anscheinend vollkommen intuitiv und sollte auch beim bloßen Zuhören nicht mit zu viel Denken verfälscht werden. Beim Handeln kann in diesem Fall zum Glück nicht viel schiefgehen.
Highlights
- Golden arrow
- Heart
- Paper trails
Tracklist
- Golden arrow
- Sitra
- Heart
- Paper trails
- The only shrine I've seen
- Freak, go home
- Greek light
- Metatron
Gesamtspielzeit: 45:22 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10347 Registriert seit 26.02.2016 |
2020-12-21 22:41:01 Uhr
Hat einen eigenen Thread verdient. |
Watchful_Eye User Postings: 2940 Registriert seit 13.06.2013 |
2020-12-21 20:03:34 Uhr
Uh, sehr schön. Die erste "Darkside" war klasse. |
smrr Postings: 436 Registriert seit 02.09.2019 |
2020-12-21 19:37:13 Uhr
Offiziell zurück: https://www.youtube.com/watch?v=jIoakzQKtvoAlbum im März via Matador. Single knüpft schon mal nett an alte Taten an. Gesangsabmischung finde ich etwas dumpf, aber mal schauen, wie das später auf Vinyl klingt. |
Jennifer Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 4716 Registriert seit 14.05.2013 |
2019-11-10 17:25:13 Uhr
Offiziell pausieren sie. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 34186 Registriert seit 07.06.2013 |
2019-11-10 17:22:57 Uhr
Haben die sich offiziell aufgelöst? |
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Referenzen
Nicolas Jaar; Dave Harrington; Daftside; Forest Swords; Valentin Stip; Thundercat; Nikita Quasim; Boards Of Canada; King Krule; Flying Lotus; Airhead; Massive Attack; Four Tet; Eric Clapton; Soul Keita; Mount Kimbie; The Haxan Cloak; Fuck Buttons; Braids; Acid Pauli; Vondelpark; Gonjasufi; FKA twigs; The Flaming Lips; Dean Blunt; Ricardo Villalobos; Factory Floor; Sampha; Julia Holter; The Knife; MonoInput; Balam Acab; Jessy Lanza; Just Friends; Will Epstein
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