Moby - Innocents
Little Idiot / Embassy Of Music / Warner
VÖ: 27.09.2013
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Imperfect harmony
Frust und Lust trennen oft Welten, bei Richard Melville Hall aber auch oft nur Nuancen. Sein elftes Album unter dem Alias Moby könnte kaum besseres Zeugnis davon sein. Der 48-Jährige blickte unlängst in einem Interview auf die vergangenen Jahre seiner Karriere zurück und bezeichnete den Schöpfungsprozess zu "Play", seinem bisher erfolgreichsten und wohl auch besten Album, als den frustrierendsten. Das war 1999. 14 Jahre später erlebte der gleiche Mann mit "Innocents" seine bisher entspanntesten, stressfreiesten Aufnahmen und schlussfolgerte daraus, dass das Resultat nur ein kompletter Fehlgriff werden kann. Er lag falsch: "Innocents" ist Mobys beste Platte seit "18", vielleicht sogar seit "Play", was nicht zuletzt daran liegt, dass beide Alben sehr viel gemeinsam haben.
Schon "Play" war ein emotionsgeladenes Lo-Fi-Album im Kontext elektronischer Musik, und "Innocents" ist nicht groß anders. Hier rumpelt und leiert es aus analogen Geräten, die teilweise schon kaputt oder erst mit einem gepflegten Schlag aufs Gehäuse wieder in Gang gesetzt wurden. Eine ideale Einführung ins Instrumentarium bietet das leicht eiernde Tastatur-Getänzel im starken Opener "Everything that rises". Moby umarmt das Unperfekte. Immer wieder. Den versemmelten Ton im Zusammenspiel mit Wayne Coyne, dem Frontmann der Flaming Lips, galt es folglich auch nicht auszubessern, sondern als gegeben zu akzeptieren. Jenes Duett, "The perfect life", ist ein ungewohnt euphorischer Song geworden, eine Lebensbejahung, die auch aus dem Albumkontext emporragt. Im Video schlendern Moby und Coyne, die sich seit ihren Auftritten im Vorprogramm der Red Hot Chili Peppers Mitte der neunziger Jahre kennen, in Mariachi-Kostümen umher und begegnen einem vermeintlichen König sowie einem komplett in Latex gehüllten Mann, der mit einem Band Rhythmische Sportgymnastik betreibt. Weirdos unter sich.
Man führe sich ein Amalgam aus "Porcelain" und "Natural blues" vor Augen – und hat die Grundstimmung von "Innocents" schon fast erwischt. Mobys Downbeat-Ambient-Poptronica hat Stadionformat, ist voller synthetischer Streicher, voller Melancholie und voller Gastsänger, die helfen, das salbungsvolle Bild zu vervollständigen. Allen voran Al Spx alias Cold Specks: Sie könnte natürlich auch die Ingredienzien von Hustensaft vorsingen, nutzt ihre dezent verletzliche Stimme aber weise für den Soul von "A case for shame" und "Tell me". Zwei Volltreffer. Mark Lanegan klingt einmal mehr so, als esse er genüsslich kleine Mobys zum Frühstück, knurrt aber stattdessen über einen an "Streets of Philadelphia" erinnernden, elektronischen Untergrund. Damien Jurado gastiert in Bon-Iver-Manier auf dem elegischen "Almost home", und am Ende greift Moby bei "The dogs" noch einmal selbst zum Mikrofon und singt vom Gleichklang des Weinens und vom Bellen ausgesperrter Vierbeiner. Und auch wenn "Innocents" oft auf andere Stücke aus Mobys Diskographie verweist, vielleicht auch zu großgestig angelegt ist, fügt sich auf diesem Album alles prima zusammen. Wer wie der Rezensent Moby schon abgeschrieben hatte, kann ihn nun wieder aufschreiben.
Highlights
- Everything that rises
- A case for shame (with Cold Specks)
- Almost home (with Damien Jurado)
- A long time
Tracklist
- Everything that rises
- A case for shame (with Cold Specks)
- Almost home (with Damien Jurado)
- Going wrong
- The perfect life (with Wayne Coyne)
- The last day (with Skylar Grey)
- Don't love me (with Inyang Bassey)
- A long time
- Saints
- Tell me (with Cold Specks)
- The lonely night (with Mark Lanegan)
- The dogs
Gesamtspielzeit: 64:27 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33160 Registriert seit 07.06.2013 |
2017-02-14 00:47:12 Uhr
Balsam, das Album. |
thatzawes |
2016-08-31 14:44:27 Uhr
"the last day" neu entdeckt! wunderbarst! |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33160 Registriert seit 07.06.2013 |
2016-08-31 13:23:17 Uhr
Die Stimmung, die Stimmen, die Harmonien, die Sounds. Wunderbar. |
musie Postings: 3872 Registriert seit 14.06.2013 |
2016-08-31 09:54:20 Uhr
Dann hast du es ja erfasst: Moby's Musik IST zu einem grossen Teil zum Gähnen... ;-)Man siehe zum Beispiel die neuen Tracks calm.sleep., welche man kostenlos auf seiner Homepage laden kann. Das sind dann bloss noch gutartige Traumfrequenzen. Bei Innocents gehe ich aber einig, hatte das Album lange Zeit im Auto am Laufen und finde es wohl sein Bestes seit Play. |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10004 Registriert seit 26.02.2016 |
2016-08-31 08:58:21 Uhr
Müsste ich mir noch mal anhören. Fand die beiden Alben davor auf jeden Fall zum Gähnen, das hier hatte einen besseren Eindruck gemacht. |
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Referenzen
Goldfrapp; Röyksopp; Air; Imogen Heap; Róisín Murphy; Hooverphonic; Zero 7; William Orbit; M83; Sébastien Tellier; Rob Dougan; Chicane; Deep Dish; Groove Armada; Massive Attack; Pet Shop Boys; Cold Specks; Miike Snow; Brian Eno; De Phazz; Kosheen; Trentemøller; Inyang Bassey; Faithless; Enigma; Delerium; Arms And Sleepers; Broken Bells; Thievery Corporation; Coldcut; Basement Jaxx; Chemical Brothers; Damien Jurado; Bon Iver; The Flaming Lips; Skylar Grey; Mark Lanegan