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Haim - Days are gone

Haim- Days are gone

Vertigo / Universal
VÖ: 27.09.2013

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Große Schwestern

Perfektion ist ja per se ein Status, der eigentlich nie erreicht wird. Schließlich kann man immer noch einen drauf setzen: Ein noch schöneres Bild von schwimmenden und hüpfenden Delphinen in der untergehenden Pazifiksonne malen, noch mehr Punkte in der Bundesliga holen oder ein noch leckereres Vitello Tonnato zubereiten. Sapperlot, denkt man sich da, es ist wirklich eine Krux mit der Perfektion. Man kann es drehen und wenden wie man will: Des Nachbarns Garten ist eben immer grüner und man selbst in der Regel nicht in der Lage, da mitzuhalten. Da kann man schon mal zum verhängnisvollen Schlussfolgerungen kommen. Doch manchmal wird man diesbezüglich auch eines Besseren belehrt, denn drei junge Damen aus Los Angeles sind angetreten, um den Beweis popmusikalischer Perfektion zu erbringen. Este, Danielle und Alana Haim sind bekanntermaßen Schwestern, die bereits mit ihren Eltern in einer Band spielten, aber deswegen noch lange nicht mit der Kelly Family zu verwechseln sind. Ihre Musik speist sich aus den verschiedensten kontemporären Stilen, wirft aber auch einen Blick zurück in die 60er, 70er und 80er.

Mit "Days are gone" legen die drei bezaubernden Schwestern (plus Drummer) ihre Debüt-Platte vor, die in ihrer Verspieltheit, ihrer puren, ungefilterten Hymnenhaftigkeit letztendlich wohl nur den Leuten Spaß macht, die sich dem großmütigsten Pop nicht verschließen wollen. Haim agieren stets auf einer Ebene des Konkreten, ihre Stücke sind radiokompatibel und schmissig, sie laden zum Hüpfen, Tanzen und Knutschen ein und wollen eigentlich gar nicht mehr sein als Middle-of-the-road-Unterhaltung. Das liegt vor allem daran, dass sich Haim durch eine gut bestückte, aber wohl schlecht sortierte Musiksammlung sozialisieren ließen, in der Britney Spears, TLC und Aaliyah zwischen Tom Petty, den Eagles und Michael Jackson standen. Es herrscht also ein heilloses Durcheinander aus Mainstream-Pop, R'n'B, Classic Rock und New Wave, aus dem die drei Mädels die wichtigsten Zutaten für ihren Sound destillierten. "Days are gone" feiert nun diesen patchworkartigen Eklektizismus in elf unwiderstehlichen Nummern, deren Charakteristika die groß angelegten Pop-Refrains und die unheimlich raffinierten Arrangements sind, die sich manches Mal ganz offensichtlich bei den genannten Vorbildern bedienen, ohne aber auf dumpfe Weise zu "guttenbergen".

Die Platte startet mit dem furiosen Single-Dreier aus "Falling", "Forever" und "The wire" und macht so bereits zu Beginn unmissverständlich klar, dass man sich hier nicht mit Kleinigkeiten zufrieden gibt. "Falling" zelebriert beispielsweise zartschmelzenden R'n'B, der verlockender nicht sein könnte, ganz egal, ob man nun den dazugehörigen Videoclip kennt oder nicht. "I'm a slave to the sound" heißt es da, und ja, es stimmt, hier wird man zwangsläufig zum Untergebenen. Das folgende "Forever" ist nicht nur die Nummer, der wir den ganzen Hype verdanken, sondern natürlich nichts anderes als der schlüssigste Song, den man in jeder Lebenslage vor sich hin summen kann. "The wire" ist dann ein Eagles-infizierter Schlussmacher, der mit gezielten Tritten rosarote Brillen zu rosaroten Scherben verarbeitet. Doch nicht nur die bereits aus Funk und Fernsehen bekannten Stücke überzeugen: "If I could change your mind" ist zeitgemäßer Herzschmerz-R'n'B, der ohne die branchenüblichen Plattitüden und Nichtigkeiten auskommt.

In "Don't save me" hingegen klingen Danielle, Este und Alana wie Shania Twain auf drei Litern Tantrum und mit moderner Produktion: Folglich könnte also auch DEA-Agent Hank Schrader mit Haim glücklich werden. Der beste Song dieses sensationellen Debüts, "Go slow", ist ein langsamer, bittersüßer Schleicher, der das Tempo zunächst ganz rausnimmt, um im Refrain die großen Gefühle aufs Tablett zu bringen: "I just wanna go back / Hold on to the way that I was / Cause you took away all my young life / And I hate who I've become." Und trotz der dezenten Melancholie, die sich wie ein eleganter Schleier um einige der Songs legt, klingen Haim nie verzweifelt, sondern entschlossen jegliche Lethargie im Keim zu ersticken. "Days are gone" ist folglich der frisch gepresste Orangensaft am verhassten Montagmorgen. Der kräftig leuchtende Regenbogen nach einem heftigen Gewitter. Der passende Soundtrack für Menschen, denen ein gut gemachtes Pop-Album lieber ist als pseudointellektueller Diskursquark. So simpel, so perfekt.

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • Forever
  • The wire
  • Honey & I
  • Go slow

Tracklist

  1. Falling
  2. Forever
  3. The wire
  4. If I could change your mind
  5. Honey & I
  6. Don't save me
  7. Days are gone
  8. My song 5
  9. Go slow
  10. Let me go
  11. Running if you call my name

Gesamtspielzeit: 44:14 min.

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