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All Tiny Creatures - Dark clock

All Tiny Creatures- Dark clock

Hometapes / Cargo
VÖ: 28.06.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Hip to be rare

Dass ein mit derart stichhaltigen Argumenten wie DIY, Experimentierfreude und Augenzwinkern ausgestattetes "Genre" wie Indie überhaupt in Verruf geraten kann, ist ja eigentlich kaum ausdenkbar. Dennoch partizipiert es seit geraumer Zeit am fraglos exorbitanten Facepalm-Potential von Hornbrillen zu Skinny-Jeans und Conehead-Wollmützen bei 35 Grad im Schatten. Thomas Wincek tut man damit nun ebenso Unrecht wie vielen anderen seiner Kollegen. Seit einem guten Jahrzehnt spielt er sich mit Collections Of Colonies Of Bees, Volcano Choir oder solo als Emotional Joystick durch die Indie-Landschaft. Im Viererpack von All Tiny Creatures hat er jedoch seine eigentliche Profession gefunden. Und die befindet sich zu ihrem Zweitwerk "Dark clock" erneut nicht eben fern von Pop, vor allem aber mitten im Indie – wie sich das also gehört.

Denn "Dark clock" benimmt sich, wie sich guter Indie-Pop benehmen muss: weniger als Stil-, eher schon als Jahrzehnte-Hopper; lieber als ein Harmonienmeer, das in multiinstrumentalen Konterrhythmen ineinanderwogt, statt als Hookline-Maschine; durchaus druckvoll also, vor allem aber mit einer Menge Spieltrieb; dabei nicht gar zu melancholisch, überkandidelt oder angefressen - aber doch mit genug von alledem, um ordentlich Leben in die Bude zu bringen. Winceks Stimme gibt es dazu ebenfalls nur in den Varianten Hall-zerschlagen, Vocoder-getrieben oder Background-falsettierend. Gleich beim Opener "Comets" präsentiert sich eben diese Stimme aber auch in einem erhabenen Erwecker-Modus, der über Flageoletts, Delay-Gitarren und großspurige Auftakte hinwegstreicht und dabei durchaus an (ehemals) The Soundtrack Of Our Lives' Ebbot Lundberg erinnert.

Den Grundbau der Songs bilden dabei häufig genug Kraftwerk-Pluckereien, die All Tiny Creatures wahlweise in Richtung Kreidler, Trans Am oder Electric President ausdifferenzieren. Dennoch kann sich "Impossible season" zunächst gar nicht recht entscheiden, wohin es zwischen all den tickernden Gitarren und Synthies als erstes tickern soll. Letztlich aber nehmen sich Schlagzeug und Riff-Auftakt ein Herz und führen den Song durch ein Cinderella-Wunderland, das vor Halluzinogenen nur so blinkert und blitzt. "Quickest cut" antwortet mit waschechtem Zeitreisen-Pop zwischen frühen Talk Talk, Beach-Boys-Gesängen und Jan-Hammer-Keyboards, während "A lone sound" und "All die out" ganz im Sinne der Mathpopper Minus The Bear durch allerlei 1980er- und Sci-Fi-Sounds hüpfen – wenn Minus The Bear etwas mehr wert auf den zweiten Teil ihre Genrebezeichnung oder gar auf die 1980er Jahre legen würden, versteht sich.

Einen "waschechten" Hit haben All Tiny Creatures dann aber doch auch im Angebot – allerdings eher im wörtlichen Sinne: "Chase lights" nutzt seinen Marimba-Eintakter vorrangig, um das Hörerhirn gründlich durchzuwaschen, während eben dieser seinen Restverstand darauf verwettet, dass sich der Basslauf sogleich zu The Cures "Close to me" öffnen wird. Doch das tut er selbstverständlich nicht. Lieber bleibt dieser Song eine Camouflage seiner selbst, dient dabei allerdings auch als hervorragende Souflage für diverse schnippende Hüftjackentänze. Und zwar: ganz gleich, ob mit oder ohne Pomade im Haar. Respektive: egal, ob die Finger auf Schulter- oder Hüfthöhe. Beziehungsweise: gleichermaßen für Popper und Greaser gemacht. Oder auch: selbst diese beiden Hipsterformen fürs Hosentaschenbillard freisperrend. Weshalb? Weil Indie eben doch mehr als Mode oder Haltung ist. Sondern die Unwucht im Altbekannten. All Tiny Creatures wissen das und erklären es ihren Hörern mit Vehemenz und erfreulicher Offenheit – wie sich das also gehört.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights

  • A lone sound
  • Quickest cut
  • Chase lights
  • Reunion

Tracklist

  1. Comets
  2. A lone sound
  3. Hypertext
  4. All die out
  5. Impossible season
  6. Quickest cut
  7. The book
  8. Chase lights
  9. Wave particles
  10. Reunion

Gesamtspielzeit: 43:18 min.

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