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Tocotronic - >20<

Tocotronic- >20<

Buback / Indigo
VÖ: 07.08.2013

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der Talk im Ersten

Willkommen bei "Hart aber fair" mit dem heutigen Thema "20 Jahre Tocotronic – Lebende Legenden oder selbstgefällige Wichtigtuer?" Meine Gäste heute hier im Studio: Thees Uhlmann, erfolgreicher Indie-Musiker und Autor des Tocotronic-Tourtagebuchs "Wir könnten Freunde werden" und Florian Pühs, Ex-Leadsänger der Neo-Krautrock-Kombo Herpes. Weiterhin im Studio: Kevin Holtmann, der für Plattentests.de die letzte reguläre Scheibe der Hamburger, "Wie wir leben wollen", unter die Lupe nahm. Als speziellen Gast darf ich Tocotronic-Frontmann Dirk von Lowtzow begrüßen. Gleich zu Beginn der Faktencheck: 20 Jahre Bandbestehen, zehn Studioalben, mit der vorletzten Platte "Schall & Wahn" die erste Topplatzierung in den Albumcharts. Anlässlich ihres zwanzigjährigen Jubiläums veröffentlichen die Hamburger Feuilleton-Lieblinge nun eine Compilation namens ">20<". Zwei Picture-Vinyls, welche die Gesichter der vier Kollegen zeigen, sowie eine CD randvoll mit Liveaufnahmen, Remixen und Mitschnitten aus dem Proberaum. "Bitte oszillieren Sie" – und dann drehen sich von Lowtzow, Müller, Zank und McPhail um die eigene Nasenspitze.

Die Zusammenstellung enthält neben vier weiteren Songs aus Zeiten des Erstwerks "Digital ist besser" das großartige "Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein", live aus Amsterdam mit englisch gesungener Strophe und rasend-schrammelig vorgetragen. Herr von Lowtzow, gibt es frühe Stücke, die Sie heute nicht mehr live spielen? Von Lowtzow holt tief Luft und parliert munter. "Alles, was man erlebt in dieser wichtigen Phase zwischen 22 und 25, 26, das muss reingeholt, aufgekocht und sofort wieder ausgeschüttet werden. Und so etwas verliert dann natürlich irgendwann an Aktualität." Und weiter... "Wer denkt schon darüber nach, was er mit 42 macht?" Zu Beginn von "Aus meiner Festung", aufgenommen in der Berliner Columbiahalle, erschallt eine typische Tocotronic-Parole: "Hau weg den Körperpanzer! Aus meiner Festung!" Die ausufernd-sabbernde Gitarre steht hier im Gegensatz zur Studioaufnahme im Vordergrund. Auch das angezogene Tempo steht dem Track gut zu Gesicht und fordert zum Tanz respektive Pogo auf.

Der pianolastige Remix von "Pure Vernunft darf niemals siegen" verleiht dem Stück ein Vielfaches seiner ursprünglichen Düsterkeit; von Lowtzows pathosgeladene Stimme taucht in den hallend-verschlingenden Äther der Inszenierung. "Wir sind so leicht, dass wir fliegen", erschallt berührend und lässt den Song voller Behaglichkeit enden. Herr Pühs, Sie bezichtigten auf dem 2011er Herpes-Album "Symptome und Beschwerden" von Lowtzow mit den Worten "prätentiöser Dirk von So wie So" der Wichtigtuerei. Inspirierte Sie letztlich nur das Fröhnen Ihres inneren Krawallklaus' zu dieser Aussage? Pühs nickt verschämt. "This boy is Tocotronic" – heute müsste es vielmehr "This man..." lauten, einige der Bandmitglieder sind bereits deutlich ergraut. Die Live-Aufnahme des Songs aus dem Jahre 2002 eröffnet mit lauten Drums und der bekannten fahrigen Gitarrenline, klappert lässig durch seine Zeilen und klingt so, wie Tocotronic am besten immer klingen sollten. Herr Uhlmann, was verbinden Sie heute noch mit diesen Wochen auf der "K.O.O.K."-Tour? Der Wehmut darüber, dass diese Zeit bereits so lange zurückliegt, ist Uhlmann deutlich anzumerken. "Es war die beste Zeit meines Lebens."

Herr Holtmann, wie ist Ihre Meinung zu 20 Jahren Tocotronic? "Wer mit so viel Stil und Grazie altert, der hat eigentlich ewiges Leben verdient." Vielen Dank für Ihre Einschätzung. Unsere Zuschauer verabschiede ich mit einem Pendikel-Zitat: "Es ist egal und sie sind wichtig, irgendwie / ... / Alles wird gut, wenn jeder weiß / Dass ich auf Tocotronic scheiß." Schließlich aber gesteht Carsten Sandkämper aber doch "überhaupt bin ich nur neidisch / Alle Argumente weibisch / Zu diesem Lied wurde ich gezwungen / Unter Drogen eingesungen" – es mag viele Neider geben, echte Kritiker gibt es für lebende Legenden aber nicht. ">20<" huldigt dem Hamburger Vierer und setzt ihm ein manifestes Denkmal. Von Lowtzow bricht in Tränen aus. "Eure Liebe tötet mich." Abblende.

* Fußnote: Die Zitate sind übrigens, anders als die Szenerie, allesamt echt und stammen aus den in den Surftipps verlinkten Interviews/Artikeln.

(Pascal Bremmer)

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Highlights

  • Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein (Live in Amsterdam, Village Radio, 26.1.1995)
  • This boy is Tocotronic (Live In Köln, Wdr-Sendesaal, 12.6.2002)
  • Pure Vernunft darf niemals siegen (Lawrence-Remix, 2005)
  • Aus meiner Festung (Live In Berlin, Columbiahalle, 6.11.2007)
  • Eure Liebe tötet mich (Live In München, Tonhalle, 26.3.2010)

Tracklist

  1. Jungs, Hier kommt der Masterplan (Live, Frequency-Festival, 16.8.2012)
  2. Die Idee ist gut doch die Welt noch nicht bereit (Sae Studio, Hamburg, Mai 1994)
  3. Drüben auf dem Hügel (Proberaum, 22.02.1994)
  4. Was wird aus all den gebrochenen Herzen? (Proberaum, 22.02.1994)
  5. An diesen langweiligen Tagen (Proberaum, Sommer 1993)
  6. Der Cousin (Proberaum, Sommer 1993)
  7. Hamburg rockt (Live in Hamburg, Kir, 7.6.1994)
  8. Freiburg (Live in Freiburg, Kts-Kaserne, 21.07.1995)
  9. Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein (Live in Amsterdam, Village Radio, 26.1.1995)
  10. Du bist immer für mich Da (Live in Hamburg, Große Freiheit 36, 7.11.1995)
  11. Die letzte Adresse (Demo, 1998)
  12. Um die Ecke (gedacht) (Live in München, Volkstheater, 1.6.1999)
  13. Das Unglück muss zurückgeschlagen werden (Live in Chicago, Wnur Radio, 15.3.2000)
  14. This boy is Tocotronic (Live In Köln, Wdr-Sendesaal, 12.6.2002)
  15. Pure Vernunft darf niemals siegen (Lawrence-Remix, 2005)
  16. Mein Prinz (Live In Bremen, Schlachthof, 28.2.2005)
  17. Andere Ufer (Live In Wien, Radiokulturhaus, 11.12.2007)
  18. Aus meiner Festung (Live In Berlin, Columbiahalle, 6.11.2007)
  19. Eure Liebe tötet mich (Live In München, Tonhalle, 26.3.2010)
  20. Wie wir leben wollen (Live in Wien, Burgtheater, 06.02.2013)

Gesamtspielzeit: 77:23 min.

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