Kanye West - Yeezus

Def Jam / Universal
VÖ: 18.06.2013
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Kanye unchained
Natürlich ist Kanye West einer der wohl selbstherrlichsten Typen weltweit: Nimm das Selbstbewusstsein von Zlatan Ibrahimovic, Cristiano Ronaldo und LeBron James, multipliziere die Summe um ein Vielfaches und immer noch bist Du weit entfernt vom Größenwahn eines Mr. West. Er nennt seine sechste Platte "Yeezus", was prinzipiell und eigentlich ja Blasphemie ist, also eher geil wäre, käme sie hier nicht so platt rüber. Das "Artwork" hingegen verspricht Minimalismus, legt aber auch nur eine falsche Fährte. Kanye West klingt so krachig und brachial wie noch nie, nach seinem weithin als Meisterwerk gefeierten letzten Album, "My beautiful dark twisted fantasy", schlägt er nun einen Haken nach dem anderen und gibt sich einem genussvollen Themen-Clash hin: Diese Platte ist sein gestreckter Mittelfinger.
Für seinen lärmigen Feldzug sah sich Kanye West in der Champions League um und engagierte mit Bon-Iver-Boss Justin Vernon, R'n'B-Erneuerer Frank Ocean und den ewigen Daft Punk die Crème de la Crème der aktuellen Pop-Musik. Um in der Fußballmetaphorik zu bleiben: Dass mit den größten Namen auf der Einkaufsliste nicht automatisch die größten Erfolge erzielt werden, nun ja, davon weiß man bei Manchester City und Paris St. Germain ein Lied zu singen. Fraglich bleibt nur, ob Kanye West es darauf überhaupt anlegt. Seine zehn neuen Stücke sind garstig und widerspenstig, sie ergeben sich dem Hörer nicht, sondern fordern ihn zum rezeptionellen Ringkampf auf. Geschenkt bekommt man auf "Yeezus" nichts. Die Platte gefällt sich vor allem in ihrer Patchwork-Artigkeit und klingt dadurch zerrissen, fragmentarisch. Sie wirft Schlaglichte auf bestimmte Genres und Stile, möchte sich aber nie verpflichten und wechselt schnell den Kurs.
Exemplarisch dafür steht schon der erste Track: "On sight" entstand unter Mithilfe der Daft-Punk-Buben Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter und verbindet knarzige Beats mit friedvollen Kinderchören und verheißungsvollen Zeilen wie "A monster about to come alive again". Dieser kurze, zweieinhalbminütige Auftakt gehört schon zum Besten, was Kanye West 2013 auf die Beine stellt, da er seine Tics und Tiraden auf den Punkt bringt und den blutroten Faden dabei nicht aus den Augen verliert. Leider kann man dies nicht von allen Songs behaupten. Zu oft wandelt West zwischen Konsumkritik, musikalischer Blaxploitation und den klischeebeladensten Pussy-Nigga-Lyrics, die man sich vorstellen kann. Seine ernsten Messages verpuffen vor diesem Hintergrund im Nichts, seine Lyrics bleiben leere Worthülsen, die sich dem Diktat des reinen Entertainments unterwerfen: "Eating Asian pussy, all I need was sweet and sour sauce." Na dann: Prost, Mahlzeit!
"Yeezus" ist beileibe kein schlechtes Album, doch Kanye West agiert darauf weit unter seinen Möglichkeiten. Viele Songs klingen erstaunlich flach, gerade in der zweiten Albumhälfte bleibt er lyrisch wie auch musikalisch relativ uninteressant. So ergibt auch der berechtigte Einwand eines Forum-Users Sinn: Würde man einen solchen Aufriss um dieses Album machen, wäre nicht Kanye West der Urheber der vorliegenden zehn Stücke? Vermutlich nicht. Denn auch wenn "Yeezus" einige tolle Momente bereithält - so zum Beispiel das herrliche "Strange fruit"-Sample in der Version der großen Nina Simone im sechsminütigen Key-Track "Blood on the leaves" - es bleibt ein Album, das richtungslos und unausgegoren wirkt. Eine Platte, die Themen aneinanderreiht, die in dieser Zusammensetzung zur reinen Staffage verkommen. Und so ist es letztendlich auch egal, wen sich Kanye für seine Gottwerdung alles ins Boot geholt hat: Aus im Achtelfinale, gescheitert an der immensen Erwartungshaltung. Oder um auf die delikaten Lyrics zurückzukommen: Mund abwischen, weitermachen.
Highlights
- On sight
- Blood on the leaves (feat. Tony Williams)
- Bound 2 (feat. Charlie Wilson)
Tracklist
- On sight
- Black skinhead
- I am a God (feat. Justin Vernon)
- New slaves (feat. Frank Ocean)
- Hold my liquor (feat. Chief Keef & Justin Vernon)
- I'm in it (feat. Justin Vernon)
- Blood on the leaves (feat. Tony Williams)
- Guilt trip (feat. Kid Cudi)
- Send it up (feat. King L & Iamsu!)
- Bound 2 (feat. Charlie Wilson)
Gesamtspielzeit: 40:01 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Affengitarre User und News-Scout Postings: 11301 Registriert seit 23.07.2014 |
2021-04-12 15:01:37 Uhr
Ich liebe "Guilt Trip". :D Die anderen beiden mag ich auch. |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20158 Registriert seit 10.09.2013 |
2021-04-12 14:53:10 Uhr
Ungelenk und unsexy? Ja, stimmt :p |
edegeiler Postings: 3102 Registriert seit 02.04.2014 |
2021-04-12 14:48:48 Uhr
@MopedTobias"I'm in it" ist doch das, was "Skin on Skin" auf "Lullabies to Paralyze" ist. (Ich hoffe man kann dich mit Qotsa Vergleichen erreichen :D) |
Affengitarre User und News-Scout Postings: 11301 Registriert seit 23.07.2014 |
2021-04-12 14:44:56 Uhr
"Street Lights" find ich wunderschön, die ersten beiden sind schon etwas schwächer, stimmt. Aber alleine die ersten beiden, "Love Lockdown", wow. Und "Coldest Winter" ist zwar im Grunde ein Cover, aber trotzdem toll. |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20158 Registriert seit 10.09.2013 |
2021-04-12 14:44:36 Uhr
(Auf "Yeezus" bezogen natürlich) |
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Referenzen
Kid Cudi; Drake; Jay-Z; Raekwon; Nicki Minaj; Rick Ross; The Roots; Mos Def; Talib Kweli; Black Star; Blu; Declaime; Strong Arm Steady; Jemini; Lupe Fiasco; Big Boi; B.o.B.; Chiddy Bang; Curren$y; Common; OutKast; Frank Ocean; Tyler, The Creator; Clipse; Nas; Gil Scott-Heron; Timbaland; A Tribe Called Quest; De La Soul; Kurtis Blow; Schoolboy-Q; Killer Mike; Danny Brown; Theophilus London; Akon; k-os; Shad; Wu-Tang Clan; RZA; Plan B; Jamie Lidell; Meth Ghost Rae
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