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Tom Odell - Long way down

Tom Odell- Long way down

Columbia / Sony
VÖ: 21.06.2013

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Fis zum Abendrot

Ein durchschnittliches Computer-Keyboard hat 17 Tasten mehr als ein Klavier. Der schlecht bezahlten Akkordarbeit einer Discounter-Kassiererin wird deutlich mehr mediale Aufmerksamkeit zuteil als einem hochbegabten Pianisten am Existenzminimum. In einem sozialen Netzwerk zur Schau gestellte Fotoalben werden häufiger in ihrer Vollständigkeit rezipiert als Musikalben. Wenn in Zeiten, in denen schon die Komparative ausgesprochen ungerecht sind, Superlative bemüht werden, ist durchaus eine gewisse Skepsis angebracht.

Nehmen wir beispielsweise Tom Odell, einen 22-jährigen, Klavier spielenden Blondschopf aus dem südenglischen Chichester, der seit der Veröffentlichung seiner EP "Songs from another love" im Oktober 2012 allüberall in den Himmel gehoben wird. Biografiehöhepunkte in Kürze: Für die renommierte "Sound of 2013"-Liste der BBC vorgeschlagen, den "Critics' Choice"-Preis bei den BRIT Awards abgesahnt, von Lily Allen entdeckt, Taylor Swift gedatet (angeblich), reihenweise ausverkaufte Konzerte noch vor Albumveröffentlichung, Support für die Rolling Stones im Hyde Park. Und dann nennt er nach diesem erstaunlich kurzen Weg in höchste Höhen sein Debütalbum auch noch "Long way down".

Skeptisch? Völlig zu Unrecht. Denn auch wenn ungefähr alles danach aussieht, ist Odell kein von einem Marketing-Team ausgedachter Piano-Posterboy für die Twilight-Zielgruppe, dessen schönstes Klimpern das in seinem Augenaufschlag ist. Ganz im Gegenteil: Er ist ein unbedingt ernstzunehmender, mit einer handelsunüblichen Menge an Talent ausgestatteter Sänger, Songschreiber und Pianist. Was unter anderem dadurch unterstrichen wird, dass er eine kompositorische Großtat wie "Another love" komplett alleine hingekriegt hat. Auch die restlichen neun Stücke seines Erstlings hatten nur sehr vereinzelt fremde Hilfe nötig. Wenn man mal von dem Beitrag absieht, den Produzent Dan Grech-Marguerat geleistet hat, der bei Nigel Godrich in die Lehre ging und als Mixer und Producer bereits für Keane, Lana Del Rey und Hurts aktiv war.

Auch "Long way down" hat er einen angemessen opulenten Pop-Sound verpasst, der allerdings nie vergisst, wo sein Herz sitzt: alleine am Klavier, nachts um halb zwei. Piano und Stimme stets im Vordergrund, dahinter Bass, Schlagzeug und Percussion. Von den Gitarren, die auch zugegen sein sollen, ist wenig zu hören. Und was dem Album trotz aller Größe außerordentlich eindrucksvoll gelingt, sind ergreifende Momente leiser Intimität, etwa im an die frühen Coldplay erinnernden "Sense". Oder im zartbesaiteten Titeltrack, der zwar nur zweieinhalb Minuten dauert, aber noch lange nachhallt. "Till I lost" hingegen entwickelt überraschend eine herrliche Bruce-Springsteen-Hymnik, "Supposed to be" schielt lässig in Richtung Soul und "Can't pretend" ist nicht nur ein weiterer potenzieller Hit, sondern fasst die Maxime seines Schreibers auch hervorragend zusammen.

Was Odell auszeichnet, ist nicht nur seine erstaunlich reife Virtuosität am Klavier, die irgendwo zwischen einem filigran-melodiösen Billy Joel und einem perkussiv pianierenden Ben Folds liegt - wie etwa bei "Hold me", einem vor Energie nur so strotzenden Gassenhauer erster Güte. Es ist nicht nur seine Stimme, deren Leidenschaft verrät, dass das wirklich alles echt ist. Es sind nicht nur die angenehm authentischen Geschichten von amourösen Desastern und juveniler Euphorie. Sondern es ist auch sein spürbar würdevoller Umgang mit der Musik. Mit größter Hingabe und Sorgfalt hat Odell die Dramaturgie von "Long way down" festgelegt, vom fantastischen Opener "Grow old with me" bis zum abschließenden "Sirens". In Anbetracht der makellosen Qualität seines Songmaterials würde man dann doch gerne mal die angeblich 90 anderen Songs hören, die es nicht aufs Album geschafft haben. Aber vielleicht hat er da auch ein bisschen übertrieben. Das wäre allerdings das erste Mal.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights

  • Grow old with me
  • Hold me
  • Another love
  • Sense

Tracklist

  1. Grow old with me
  2. Hold me
  3. Another love
  4. I know
  5. Sense
  6. Can't pretend
  7. Till I lost
  8. Supposed to be
  9. Long way down
  10. Sirens

Gesamtspielzeit: 35:32 min.

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