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Visage - Hearts and knives

Visage- Hearts and knives

Blitz Club / PIAS / Rough Trade
VÖ: 24.05.2013

Unsere Bewertung: 3/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Hey Boss, er braucht mehr Geld

Gunter Gabriel, Sänger des ähnlich betitelten Heulers aus den 1970er Jahren, ist ein berenteter Schlagersänger und Produzent, der seine frühen Erfolge überwiegend verwaltet und sich schon mal über sein eigenes Publikum lustig macht. Die Songs auf dem Comeback-Album des Walisers Steve Strange alias Visage tragen ebenfalls diesen Keim des verkalkten Hochmutes in sich. Gegründet exakt in jener Zeit, in der besagter Gabriel Geld wie Heu einfuhr, schuf der Brite mit dem aufstrebenden Songschreiber Midge Ure und weiteren lustigen Musikanten aus seinem Umfeld eine Art von Künstlerkollektiv, welches sein Erscheinungsbild strikt der Musik überordnete und sich sonst weitestgehend bedeckt hielt. Der freie Raum blieb Strange überlassen, der mit seiner androgynen, unterkühlten Künstlichkeit alles überstrahlte.

Es muss wohl das Glück des Momentes gewesen sein, der Geist der Zeit, wie auch immer - Visage waren 1980 weltweit im Gespräch und mit dem sehnsuchtsschwülen "Fade to grey" Spitzenreiter in diversesten Hitparaden. Danach verfiel die Aufmerksamkeit des Publikums dennoch mit jeder Veröffentlichung zusehends, und nur vier Jahre später hieß es wieder Ende im Gelände für das Projekt, das zu diesem Zeitpunkt eher wie eine Einzeltherapie denn als wirkliche Band erschien. Ure hatte sich mitsamt Kollege Bill Curie rechtzeitig zu dessen eigentlichem Betätigungsfeld namens Ultravox empfohlen, wo man gerade den Ausstieg des Sängers John Foxx beklagte und nun ahnungslos einer exorbitanten Karriere entgegenstolperte. Strange konnte diesem Erfolg nur verbittert von außen zusehen und flüchtete sich in die Oberflächlichkeiten der Londoner Club- und Modewelt zurück - wo er in den verfügbaren Drogen die falschesten Freunde und Berater fand, die es nur geben kann.

Heute mag er sich geläutert und gereift geben, doch die Jahre der Entbehrungen und Enttäuschungen haben nicht allein in seinem Gesicht Spuren hinterlassen. Das neue Album steckt voller bittersüßer Anspielungen auf diese Phase. Noch dazu hat Strange verbliebene alte Begleiter um sich geschart, die ihn im Hadern mit seiner Vergangenheit weiter bestärken werden. Die nicht zuletzt allesamt irgendwann Kohle brauchen. Daran krankt "Hearts and knives" ohne jeden Zweifel. Wie auch an den zu vielen Köchen, die hier in den verschiedenen Töpfen umrühren durften.

Die Abteilung Attacke gibt sich sicher jede nur erdenkliche Mühe. Visage haben die Elektrotechnik von damals aufgefahren, den Staub aus den eigenen Gehörgängen gepustet und die Spinnweben von den verbliebenen Notenblättern gefegt. Nächte im Studio verbracht. Und so letztendlich eine Produktion hingelegt, die sich durchaus hören lassen kann. So lange, bis Strange den Mund aufmacht. Dann ertönt ein verheultes Rumgeplärre, das dem Hörer sämtlichen Spaß an der Neuauflage vergällt. Der Bursche hat schlicht keine Eier mehr in der Buxe, die für den nötigen Druck sorgen könnten. Er singt nicht, er nölt und lamentiert, dass es ein hellaufes Grausen ist. Und kommt hier mit trüblinsigen Songs um die Ecke, die schon auf dem bislang letzten Werk namens "Beat boy" keine Sau mehr interessiert haben. Synthi Pop für Demenzkranke.

Ähnlich wie die Zeitgenossen bei The Human League scheitern Visage an der mangelnden Distanz, das eigene Treiben zu hinterfragen. Und wundern sich dann, wenn nur ihre frühberenteten Freunde Beifall klatschen. Jeder Arbeitgeber mit Verstand macht bei solchem Personal sofort den Laden zu. Als Publikum kommt man sich an dieser Stelle echt veräppelt vor.

(Andreas Knöß)

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Highlights

  • She's electric (Coming around)
  • On we go

Tracklist

  1. Never enough
  2. Shameless fashion
  3. She's electric (Coming around)
  4. Hidden sign
  5. On we go
  6. Dreamer I know
  7. Lost in static
  8. I am watching
  9. Diaries of a madman
  10. Breathe life

Gesamtspielzeit: 41:04 min.

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