Hero & Leander - Tumble
Tapete / Indigo
VÖ: 10.05.2013
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Teilchenbeschleuniger
So werden heutzutage Musikvideos gemacht! Hero & Leander geben es sich im Clip zu ihrer Debütsingle "Collider" so richtig: Einen ganzen Tag lang hüpfte und sprang das englische Sechsergespann fröhlich auf verschiedensten öffentlichen Plätzen umher, ließ dies vom Smartphone einfangen und schnitt das entstandene Material zum gelungenen Filmchen zusammen. Das hat ein bisschen was von Ok Go, mit einem Schuss mehr Frische und Spontaneität. Dabei ist auch das Musikalische hervorzuheben: Wow, ist das ein Song! "Darling would you like to go? / Try my collider", heißt es in der Hookline der Erstauskopplung, die zum Liebestrip im Teilchenbeschleuniger auffordert. Ein wenig nerdy, aber absolut den Nerv einer Zeit treffend, in der Physiker Stephen Hawking fast schon Popstar-Ruhm genießt. Ein knapp dreiminütiger Power-Song mit toller Steigerung im Schlussdrittel.
Hero & Leander liefern philosophisch inspirierten, multiinstrumentalen Indie-Pop bester Machart und werden dabei durchaus etablierten Vergleichsgrößen gerecht. Belle & Sebastian sind so eine, nicht nur wegen des gleichartigen Splittings der Leadstimme in einen weiblichen und einen männlichen Part, sondern auch aufgrund der aufwändigen Instrumentierungen und der empathischen Textgestaltung. "The infinite" ist so ein feinfühlig ausgestalteter Song: Trauriges Pianogeklimper leitet das Stück ein, eine Pasodoble-Trompete lenkt die Bridge, und eine gestückelt vorgetragene Johnny-Marr-Gitarre begleitet den Refrain. Schließlich führt die Percussion das Stück zum spektakulären Ende und den Hilfe suchenden Protagonisten aus der Misere.
Mitfühlend beschäftigt sich "Tickle" mit der Schadenfreude: "If it wasn't so funny I'd cry", demaskiert sich die Sängerin selbst hinsichtlich ihres missgünstigen Verhaltens. So fragt sie erkenntnisreich: "How long will it tickle?" Wie lange hält die Freude am Unglück anderer? Mit "Kettle" liefert die Truppe ferner einen fast schon rockigen Protestsong, welcher zunächst aus der Sicht eines Polizisten berichtet. "Struggling will only make it harder", weist dieser sein wehrhaftes Gegenüber an. Doch der Aufstand lohnt sich: "I believe in you", flüstert die Damenstimme dem Aufständischen hintennach zu und unterstreicht dabei die "romance of resistance".
Hero & Leander entfalten auf "Tumble" ihr gesamtes Gefühlspektrum, bleiben dabei aber auch in schlechten Zeiten optimistisch. Die Engländer reflektieren und prangern an, feiern und tanzen aber zugleich. Eingebettet in einen vielschichtigen Kokon musikalischer Spitzfindigkeiten, schafft die Gruppe ein starkes Debüt. "Tumble" ist so eine Platte, welche auch aufs Wunderbarste innerhalb einer Zweisamkeit zündet – und davon gibt es nur einige wenige. Nachdenklich-innige Intimität und freimütig-wilde Exzentrik finden hier ihre Vereinigung. In der Manier des Teilchenbeschleunigers fusioniert das Album ein schlichtes Nebeneinander ins tiefgreifende Miteinander. "Atom-smashing fun", verspricht das Sextett in "Collider". Darling would you like to go?
Highlights
- Collider
- Kettle
- The infinite
Tracklist
- Soul to soul
- Collider
- Kiss my by the water cooler
- Tickle
- Everything will be
- Light of my night
- One three four
- The infinite
- Kettle
- Here comes the sun
- In any given room
Gesamtspielzeit: 34:34 min.
Referenzen
Belle & Sebastian; Eva & Manu; Squeeze; Camera Obscura; The Go-Betweens; The School; Isobel Campbell; Stars Play Music; The Gentle Waves; Ok Go; Of Monsters And Men; Saturday Looks Good To Me; The Delgados; The Pearlfishers; Beulah; Badly Drawn Boy; Alfie; Kings Of Convenience; The Havenots; The Byrds; The Hidden Cameras; The Beautiful South; Clem Snide; The xx; Bonnie 'Prince' Billy; Elliott Smith; Hotel Lights; Turin Brakes; Mojave 3; Neil Halstead; The Divine Comedy; The Beatles; Arcade Fire; Stars; I Am Kloot; The Lilac Time; Felt; James Iha; Prefab Sprout; The Decemberists